1. Bin ich viel schuldig, man darff mich nicht drumb tödten. – Petri, II, 2.
2. Bist du schuldig, so sei geduldig. – Petri, II, 46; Henisch, 1409, 49; Bücking, 336; Pistor., X, 85; Simrock, 9252; Körte, 5425.
Engl.: He that cannot pay, let him pray.
3. Bistu nicht schuldig an der That, so wird der Lügen wol rhat. – Lehmann, 841, 7.
4. Es ist ein ieder jhm selbs das best schuldig. – Gruter, I, 33.
5. Es ist nicht jeder schuldig, der angeklagt wird.
It.: Non è reo chiunque è accusato, ma chi è convinto. (Biber.)
6. Es ist nicht jeder schuldig, der aus dem Kerker flieht.
Die Russen: Wer sich die Pforten der Festung mit güldenem Hammer aufschlagen lässt.
[371] 7. Es ist niemand schuldig, die Kuh mit dem Kalbe zu behalten. – Eisenhart, 109; Blum, 602; Estor, I, 347 u. 488; Eiselein, 400; Hillebrand, 118, 160; Pistor., IV, 52; Simrock, 6022.
Dies Sprichwort ist der Meinung, dass niemand verbunden sei, eine von ihm geehelichte, aber vor der Ehe von einem andern geschwängerte Weibsperson zu behalten, sondern in diesem Falle die Ehescheidung statthabe. Auch gilt dies in unserer Zeit in dem Falle noch, wenn jemand die von einem andern geschwängerte Person nicht wissentlich geheirathet hat, sondern mit ihr betrogen worden ist.
8. Ich bin ein wenig schuldig, das leid' ich geduldig. – Petri, III, 7.
9. Ich bin niemand schuldig, als nur Gott einen Tod; den bezahl' ich ihm, wann er will. – Körte, 5427c.
10. Jeder ist schuldig, seine eigene That zu büssen und zu bessern. – Graf, 299, 103.
Für sträfliche Handlungen kann man zur Bestrafung keinen Stellvertreter stellen. Im Friesischen: Ellyck menscha is scyldich, syn ayn mysdeda to betten ende to bettrien. (Hettema, I, XII, 5.)
11. Niemand ist schuldig aus eigenen Mitteln zu dienen. (S. ⇒ Mann 495.) – Graf, 422.
Wenn der Fürsprech oder Rechtsanwalt im Mittelalter auch die Verpflichtung hatte, den Armen unentgeltlich zu vertheidigen (s. Armuth ⇒ 42 u. ⇒ 84), so mussten ihm doch, was der Sinn des vorstehenden Sprichworts ist, baare Auslagen ersetzt werden.
Mhd.: Nymant ist pflichtig zu dynen by dem sinen. (Daniels, 238, 19.)
12. Niemand ist schuldig, sein Leben auf ein Geleit zu setzen. – Graf, 444, 386.
Zu den rechtfertigenden Entschuldigungsgründen wegen Ausbleibens vor Gericht nach erfolgter Vorladung gehörte auch der Nachweis, dass für den Geladenen auf dem Wege zum Gericht Lebensgefahr (z.B. Rache des Gegners) vorhanden gewesen sei, wogegen das gebotene Geleit keinen ausreichenden Schutz gewährt habe.
Altfries.: Nymmen is schyldich syn lyff toe setten op en leyd. (Hettema, XVIII, 15 [138].)
13. Niemand ist schuldig um eigenen Lohn zu dienen. – Graf, 517, 238.
Das Gemeindewesen kann wol Dienste der Mitglieder fordern, aber nicht umsonst.
Mhd.: Nymant is (eyner gemeine) phlichtich zu dynen by dem synen. (Daniels, Weichbildglosse, 11.)
14. Selber schuldig ist der That, wer nicht straft die Missethat.
15. Selig, der nicht schuldig ist. – Hauer, M2.
Lat.: Felix qui nihil debet. (Hauer, M2.)
16. Wat bin i schuldig? es wird ober nüt sî, hät de Lochmüller g'seit. – Sutermeister, 40.
17. Wer niemand schuldig ist, der mag ein Wort reden, da ein ander muss schweigen. – Petri, II, 729.
18. Wer schuldig bleibt, verliert den Schlüssel zu seinem Gut.
Holl.: Die borg blijft, geeft den sleutel van zijn goed. (Harrebomée, I, 380b.)
19. Wer schuldig ist, der darff sich nicht frei verantworten. – Petri, II, 766.
20. Wer schuldig ist, der wird gemanet. – Petri, II, 766.
21. Wer schuldig ist, der muss bezahlen. – Pistor., VII, 64; Simrock, 9241; Graf, 234, 88.
Böhm.: Dlužník dluhy plat' neníli hotových čím máš. (Rybicka, 3122.)
Frz.: Qui doit, a tort. (Cahier, 549; Kritzinger, 231b.)
22. Wer schuldig ist, muss zahlen oder bitten.
Böhm.: Neplatí bohatý, ale vinovatý. (Čelakovsky, 276.)
Engl.: He who oweth is always in the wrong. (Bohn II, 16.)
Frz.: Ce n'est pas tout que devoir, il faut payer. (Kritzinger, 231.) – Quand on doit, il faut payer ou agréer. (Lendroy, 18.)
Poln.: Gdzieś winien, albo płać, albo proś. (Lompa, 12.) – Niepłaci bogaty, jedno winowaty. (Čelakovsky, 276.)
23. Wer selber schuldig ist, soll andere nicht verdammen.
Schwed.: Ondt dömma andra, när man sjelfver är skyldig. (Grubb, 647.)
24. Wer sich schuldig weiss, der flieht.
Altfries.: Dear höm skiljig weet, de flüght. (Hansen, 16.)
25. Wer sich schuldig weiss, der schweige.
Holl.: Die schuldig is, moet betalen. (Harrebomée, II, 264a.)
[372] 26. Wie man schuldig wird, so wird man los. (S. ⇒ Hand 74.) – Graf, 235, 73.
In Hamburg: Dat me so loesz werdĕ alsze men schuldig werdt. (Lappenberg, 203, 27.)
*27. Doa mässe sich äst schäldig seng. (Siebenbürg.-sächs.) – Frommann, V, 327, 295.
Scherzhaft von Personen, die sich kurz nacheinander wiederholt begegnen. Auch in Koburg sagt man zu jemand in solchem Falle: Mer müssen uns was schuldig sei.
*28. Er is schuldig, wo zwaa Weg' zusammengehn. – Tendlau, 212.
Ueberall, namentlich in allen Wirthshäusern, die gewöhnlich am Scheidewege stehen.
*29. Er ist mehr schuldig, denn er hat. – Eyering, II, 355.
*30. Er ist nichts schuldig, als nur was er hat. – Körte, 5427; Braun, I, 3995.
*31. Er ist niemand nichts schuldig, dann den leuten. – Tappius, 57b; Eyering, II, 355; Chaos, 689; Moscherosch, 324.
*32. Er ist niemand schuldig als aller Welt.
Holl.: Hij is niemand schuldig dan al de wereld. (Harrebomée, II, 451b.)
*33. Er ist niemand schuldig als nur Herrn Jedermann. – Simrock, 9251.
Holl.: Hij is niemand schuldig dan alle man. (Harrebomée, II, 60a.)
*34. Er ist niemand schuldig, dann den leuten, die sterben so bald als er. – Franck, II, 56a.
*35. Er ist niemand schuldig, dann iederman. – Franck, II, 56a.
*36. Er würde niemand etwas schuldig sein, wenn er mit Lügen bezahlen könnte.
Holl.: Hij zou niemand een' duit schuldig blijven, kon hij met leugens zijne schulden betalen. (Harrebomée, II, 263b.)
*37. Es ist keiner dem andern was schuldig.
Sie geben einander nichts nach.
Frz.: Ils ne s'en doivent guère.
*38. Ich bin niemand nicht schuldig, dann Got mein seel. – Franck, II, 56b.
39. Wer leugnet, dass er schuldig sei, der macht aus einem Uebel zwei.
It.: Difender la sua colpa, è una altra colpa. (Giani, 488.)
40. Wer schuldig ist, der wird beargwohnt.
It.: Chi è in difetto, è in sospetto. (Giani, 1571.)
41. Wer sich schuldig weiss, fürchtet das Urtel des Richters.
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