See

[149] See (der) ist ein von allen Seiten mit Land umgebenes Wasserbecken, welches nicht unmittelbar mit dem Meere in Verbindung steht und das die Natur selbst gebildet hat. [149] Die Teiche sind kleiner als die Seen und zum Theil das Werk menschlicher Hände. Man nimmt zuweilen an, daß ein See einige Stunden lang und breit sein müsse, um diesen Namen zu verdienen. Es gibt sehr große Seen, die man zuweilen zur Auszeichnung Landmeere genannt hat. So das kaspische Meer in Asien, das sehr ansehnliche Ströme, wie die Wolga, den Arai, den Terek und den Kur aufnimmt, ohne einen sichtbaren Abfluß zu haben. Das Wasser in den Seen ist in steter Bewegung, wie das der Flüsse, aber in einer beiweitem langsamern als diese. Die Ebbe und Flut des Meeres hat es nicht, aber es wird wie dieses vom Sturm zu hohem Wellenschlage aufgeregt. Man unterscheidet die Landseen oder Binnenseen von den Bergseen oder den Gebirgsseen; solche mit süßem Wasser und solche, welche, wie das Meer, salziges Wasser haben. Zu diesen gehören: das kaspische Meer, der Aralsee in Asien, der Titicaca in Südamerika u.a. Eine andere Eintheilung der Seen bezieht sich auf ihr Verhalten gegen die Flüsse. Die Seen, welche Flüsse weder aufnehmen noch ergießen, sind die unbedeutendsten, bilden sich gewöhnlich aus dem Zusammenfluß des aus der Atmosphäre niederfallenden Wassers, und hängen daher in Bezug auf ihren Reichthum an Wasser von der Witterung ab. Die Seen, welche keinen sichtbaren Zufluß haben, aber Flüsseausströmen lassen, bilden sich meist aus auf ihrem Grunde liegenden Quellen. Viele Flüsse entspringen aus solchen Seen, welche man besonders in den Gebirgen findet. Die Seen, welche, wie das kaspische Meer, Flüsse aufnehmen, aber nicht entsenden, müssen sich der immer neu in sie strömenden Wassermenge entweder durch die Verdunstung an der Oberfläche, oder durch unterirdische Kanäle entledigen. Das Letztere hat man namentlich auch vom kaspischen Meere vermuthet und gemeint, daß es mit dem schwarzen Meere in unterirdischer Verbindung stehe; doch hat der Naturforscher Parrot diese Annahme dadurch widerlegt, daß er nachwies, daß das kaspische Meer um 541/10 Klaftern niedriger als das schwarze liege. Vielleicht sickert ein Theil des Wassers auch in das den See umgebende Land ein. Die meisten Seen sind solche, welche Flüsse sowol ausnehmen als entsenden, ja ein Theil dieser Seen wird nur durch in ihnen sich breit ausdehnende, also durch sie hindurchströmende Flüsse gebildet. Die Tiefe der Seen entspricht gewöhnlich ihrem Umfange, ist jedoch sehr verschieden. Der Genfersee ist an manchen Stellen 8–900 F. tief, im Wettersee in Schweden soll man an einigen Stellen bei 300 Klaftern, und im See Tay in Schottland sogar bei 600 Klaftern noch keinen Grund gefunden haben. Der Bodensee, dessen Oberfläche 1223 F. über der Nordsee liegt, soll im südöstl. Theile 2208 F. tief sein, also bis zu 985 F. unter den Spiegel der Nordsee reichen. Die meisten und ansehnlichsten Seen findet man in Asien und in Nordamerika. Dort sind das fast 6000 ! M. umfassende kaspische Meer, der Aralsee, der Baikalsee, der Hinka, Kulon, Saisan, das todte Meer u.s.w., hier der große und kleine Winnipeg-See, der Regensee, der Sklaven-See; ferner der Obersee, der Huron-, Michigan-, Erie- und Ontario-See, welche zum Gebiete des Lorenzstromes gehören und zusammen fast 21/2 Bill. Quadratfuß einnehmen. Europa enthält viele Seen, aber keinen erster Größe. In vielen Gegenden findet man kesselförmige Vertiefungen, von denen man zum Theil bestimmt nachweisen zum Theil vermuthen kann, daß sie ehemals Becken von Seen waren, welche sich verliefen, nachdem es dem Wasser gelungen war, an einer Stelle durchzubrechen. Einzelne Seen bieten besondere merkwürdige Erscheinungen dar. So ist das Wasser des Wettersees in Schweden so klar, daß man ein auf dem Boden liegendes Stück Geld noch bei einer Tiefe von 126 F. erkennen kann. Auch der Genfersee hat sehr klares Wasser. Einige salzige Seen überziehen sich im Sommer, wenn die Ausdünstung besonders stark ist, mit einer dicken Salzkruste, sodaß z.B. der Inderskoi in der kirgisischen Steppe zuweilen wie gefroren ist. Besonders merkwürdig ist das todte Meer in Palästina, welches 12 M. lang und bis zu 2 M. breit ist. Es nimmt mehre Flüsse auf, den Jordan, Saphia, Jared, Arnon und Kidron, und entledigt sich des steten Zuflusses allein durch Verdunstung. In dem klaren Wasser soll man noch zuweilen die Trümmer der hier untergegangenen Städte Sodom und Gomorra erblicken. Der Boden am See ist reich an Asphalt und zeigt Spuren eines ehemaligen Erdbrandes. Das Wasser zieht den Mund zusammen wie Alaunwasser und schmeckt ekelhaft bitter. Massen von Erdpech schwimmen oft auf der Oberfläche. Sie erheben sich vom Grunde, nachdem Wochen lang vorher erstickende Dämpfe aufgestiegen sind, welche die Luft verdunkeln, die Umgegend verpesten und die Vögel, welche über den See fliegen wollen, ersticken. Die Fische und Amphibien, welche von den Flüssen in den See geführt werden, sterben. Das Wasser des Sees ist nie kalt und zuweilen heiß. Wie es warme Seen gibt, so findet man auch solche, welche ein auffallend kaltes Wasser haben. So ist bei Straglash in Schottland ein See, der in der Mitte auch während des Sommers gefroren ist, während andere nahegelegene Seen niemals zufrieren. Wie es Quellen gibt, welche hineingeworfene Pflanzenkörper versteinern, so zeigt auch das Wasser einiger Seen diese Erscheinung. In Persien bei Chiramyn gibt es Seen, deren Wasser allmälig erstarrt und versteinert und so den sogenannten labrizer Marmor gibt. Einige Seen haben die Eigenthümlichkeit, daß sie zu gewissen Zeiten gänzlich ablaufen, später aber sehr schnell sich wieder anfüllen. Berühmt ist in dieser Beziehung der Czirknitzer See (s.d.). Der Wettersee in Schweden und der Lommond in Schottland, besonders der letztere, haben die Eigenheit, daß sie oft bei ruhigem Wetter aus unbekannten Ursachen plötzlich zu toben beginnen.

Die See ist gleichbedeutend mit Meer (s.d.), und man bedient sich des Ausdrucks See vorzugsweise in allen zusammengesetzten Worten, welche sich auf Schiffahrt auf dem Meere im weitesten Sinne beziehen. – Unter Seewesen faßt man Alles zusammen, was den Bau, die Leitung der Schiffe, den Krieg, den Handel auf dem Meere, die Beschaffenheit der verschiedenen Meere, die Küsten, Häfen, Städte am Strande u.s.w. betrifft. – Seewissenschaft nennt man die Schiffahrtskunde, rechnet aber im weitern Sinne die Kenntniß des ganzen Seewesens dazu, während man Schiffahrtskunde vorzugsweise die Steuermannskunst nennt. (Vergl. Schiffe.) Ein Theil derselben ist die Seetaktik oder die Kunst, eine Flotte bei einem Seetreffen in Bezug auf die Richtung des Windes zu stellen, Jagd auf ein Schiff zu machen, Schiffe im Hafen anzugreifen und zu vertheidigen u. dergl.; sowie die [150] Seefortification die Kunst der Anlegung von Befestigungen an Häfen und Küsten. – Diejenigen Staaten, welche eine Seemacht haben, eine Flotte von Schiffen, besonders Kriegsschiffen, werden selbst Seemächte oder Seestaaten genannt. Die bedeutendste Seemacht ist gegenwärtig England, welches die meisten außereurop. Besitzungen hat und als eine Insel nur zu Schiffe angegriffen werden und selbst angreifen kann. Rußland, Frankreich, die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind gleichfalls Seemächte ersten Ranges, während Holland, Sicilien, die Türkei, Schweden, Dänemark nur als dem zweiten Range angehörig betrachtet werden können. Der Seekrieg ist um so wichtiger geworden, je bedeutender die Seemächte wurden, indem in weit entlegenen Welttheilen von europ. Staaten Besitzungen erobert wurden, welche eine reiche Quelle des Handels sind und zu ihrem Schutze, sowie zum Schutze des Weges nach ihnen hin die Ausrüstung von Kriegsschiffen nöthig machen. In einem steten Seekriege leben die Seeräuber, welche nicht mit den Kapern (s.d.) verwechselt werden dürfen. Die Seeräuber machen von der Beraubung der Schiffe anderer Nationen ein Gewerbe. Die Seeräuberei wird allgemein als ein Verbrechen betrachtet und mit dem Tode bestraft, wenn es gelingt, einen Seeräuber zu erlangen. – Der Seehandel hat sich allmälig immer höher über den Landhandel erhoben, während dieser in frühern Zeiten der wichtigere war. Er verdankt seine Erhebung der Vervollkommnung der Schiffahrtskunde und den Entdeckungen auf dem Meere. Neue Länder als Quelle des Handels und Seewege zu längst bekannten Ländern sind entdeckt worden und die größere Wohlfeilheit, Geschwindigkeit und Sicherheit der Seereisen vor den Landreisen hat jene vorzugsweise zu Handelswegen gemacht. – Zur Beförderung des Seehandels haben sich vermögende Privatleute zu Seehandelsvereinen verbunden. Ein solcher ist auch die königl. Seehandlungsgesellschaft zu Berlin. (S. Preußen.) – Der Handel hat eine große Stütze auch in der Seeassecuranz gefunden, indem es Assecuranzgesellschaften gibt, bei denen die Schiffseigenthümer ihre Schiffe in der Art versichern, daß sie im Fall eines unverschuldeten Unglücksfalles Entschädigung erhalten. Dabei pflegt jedoch Bedingung zu sein: 1) Kein Schiff darf über seinen wirklichen Werth versichert werden; 2) die Versicherung Verlangenden dürfen über das schon in See befindliche Schiff keine Nachricht haben; 3) der Schade darf nicht durch den Versicherer oder dessen Untergebene verursacht sein; 4) wenn von einem versicherten Schiffe, wenn es nach einem europ. Hafen bestimmt ist, nach einem Jahre, und wenn es nach einem außereurop. Hafen bestimmt ist, nach zwei Jahren drei Monaten keine Nachricht einläuft, so erhält der Versicherer die festgesetzte Entschädigungssumme und der Assecurant erlangt dafür das von jenem aufgegebene Besitzrecht. – Zum Schutze der Schiffahrt und des Seehandels dienen die Seegesetze, welche besonders an Orten ausgebildet worden sind, die sich durch die Ansehnlichkeit ihres Handels auszeichneten. So standen im Alterthume die Gesetze der Insel Rhodus, im Mittelalter unter andern die von Amsterdam, Hamburg, Lübeck in hohem Ansehen. Die niederländ. Ordonnanz Karl V. von 1549 und die franz. Ordonnance maritime von 1681 begründeten die neuen Seegesetze. – Die gesammte sich auf Schiffahrt und Handel zur See beziehende Gesetzgebung bildet das Seerecht. Ebenso nennt man auch die zwischen den verschiedenen Staaten und Völkern als rechtlich bestehenden Gewohnheiten in Bezug auf das Seewesen, sowol im Falle eines Krieges als im Fall des Friedens. Dahin gehört unter Anderm die Kaperei. Darüber, ob im Fall eines Krieges den neutralen Mächten erlaubt sei, dem Feinde Zufuhr zu leisten, ob die neutrale Flagge feindliches Eigenthum zu schützen vermöge, sind die Seemächte untereinander nicht einig. England verneint diese Fragen allen andern gegenüber, sowie es auch allein den Grundsatz aufstellt: daß es den kriegführenden Mächten erlaubt sei, ganze Küsten in Blockadezustand zu setzen, d.h. alle Verbindung zur See mit jenen Küsten zu untersagen. Die Streitigkeiten über diese Punkte erneuern sich bei Gelegenheit jedes Krieges, den England führt, ohne zu einem andern Resultate als zu der Erfahrung zu führen, daß der Vortheil des Stärkern von diesem als Recht behauptet wird.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 149-151.
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