Heraldik

[251] Heraldik (eigentlich Wissenschaft der Herolde), Wappenkunde, die Wissenschaft von den Regeln u. Rechten der Wappen. Diese Regeln waren ursprünglich das Eigenthum der Herolde (s.d.) u. ihrer Schüler (Persevanten), welche mündlich fortgepflanzt u. zugleich als ein Zunftgeheimniß bewahrt, allmählig aber bekannter wurden. Man betrachtet die H. als historische u. juristische Hülfswissenschaft; sie hängt mit der Genealogie zusammen. Die H. zerfällt jetzt: a) in theoretische H.; diese handelt von Namen, Eintheilung, Ursprung, Rechten, Bedeutung u. Geschichte der Wappen, vom Schilde überhaupt, von den Tincturen, den Schildestheilungen, von den Figuren, wohin die Ehrenstücke, die gemeinen Figuren u. die Nebenstücke gehören, dann von den Beizeichen u. redenden Wappen; b) praktische H.; behandelt in vier Theilen das Blasoniren, Historisiren, Kritisiren u. Aufreißen (s.d. a.) der Wappen. Die H. wurde zuerst in Frankreich ausgebildet; die älteste Handschrift ist die, welche ein Herold dem König Philipp August zueignete; auch Le Bonnier, der Wappenkönig Karls VII., hat eine Handschrift von der H. hinterlassen. Unter den späteren französischen Bearbeitern sind vornehmlich Marc Gilbert de Varennes (Rex armorum, Par. 1635, 1640, Fol.), Marc Vulson de la Colombière (La science heroïque, ebd. 1644 u. 1669), Gelliot mit seinem Verbesserer Palliot 1661 u. bes. C. Fr. Menestrier von 1650 an zu beachten; in Deutschland schrieb Bartolus de Saxo Ferrato im 14. Jahrh. den Tractat: De insigniis et armis; aber erst später wurde hier die H. von C. Spangenberg, Th. Höpingk u. J. P. Harsdörfer, jedoch nicht frei von französischem Einfluß u. nicht erschöpfend, aber wissenschaftlich von Ph. I. Spener (im Opus heraldicum, zweiter specieller Theil 1680, u. Theoria insignium 1690) bearbeitet. Er setzte deutsche Ausdrücke fest u. machte auf den Unterschied der französischen u. deutschen H. aufmerksam. Seine Nachfolger F. W. Schumacher 1694, I. Weber 1696, C. Büssing 1694, J. A. Rudolphi 1698 u. auch J. W. Trier 1714 brachten die Wissenschaft wenig weiter, eben so M. Schmeizel 1723, Jungandreas 1729, I. E. Zschackwitz 1735, J. P. Reinhard 1747 u. 1778, A. Stiehl 1756; erst J. C. Gatterer (1763 u. 1792) machte die deutsche H. von der französischen unabhängig u. gab eine bestimmte u. klare Nomenclatur; Siebenkees ergänzte ihn. In der praktischen H. lieferte Gatterer 1791 die Beweise, wie man von den Lehrsätzen den theoretischen Gebrauch machen müsse, u. def. wie Genealogie, Diplomatik u. Numismatik dabei zu benutzen sind, was früher von J. D. Köhler, S. W. Ötter u. A. in einzelnen Fällen versucht worden war; die neuesten Werke über H. sind z.B. Lipowskys Grundlinien, 1816, Das nöthige Buch für alle Klassen[251] des Adels, Lpz. 1819; Bernd, Allgemeine Schriftenkunde der gesammten Wappenkunde, Bonn 1830–41, 4 Bde., 2. Aufl. ebd. 1849, u. Derselbe, Handbuch der Wappenwissenschaft, Lpz. 1856; Hesekiel, Compendium der H., Berl. 1856; Wappensammlungen, als Quellen der H., sind: Siebmachers (sonst Weigels) Großes Wappenbuch, 6 Thle. u. 12 Supplemente, Nürnb. 1772–1806, Fol; Tyroff, Das Wappenbuch des gesammten Adels in Baiern (1817–27, bis jetzt 11 Bde.) u. Siebmacher, Allgemeines Wappenbuch, Nürnb. 1856 ff. Die Behandlung der H. bei den übrigen Völkern stand unter dem Einfluß der Franzosen; französische Regeln u. Ausdrücke wurden übergetragen u. aufgenommen u. sind größtentheils beibehalten worden. Schöne Wappensammlungen lieferte England. Die nordischen Völker haben sich mehr zu der deutschen Behandlungsweise geneigt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 251-252.
Lizenz:
Faksimiles:
251 | 252
Kategorien: