[187] Heraldik (hierzu die Tafel »Heraldik« mit Textblatt), Heroldskunst (lat. Ars heraldica, nach einer verkehrten Etymologie auch Ars heroica genannt, franz. Blason), war ursprünglich weiter nichts als die kunstmäßige Beschreibung der Wappen (s. d.), die von den alten Herolden (s. d.) in verschiedene Systeme gebracht wurde. In der Hauptsache drehten sie sich um eine verblümte Aussprache der Farben, z. B. wenden Konrad von Würzburg (gest. 1287) und der österreichische Herold Suchenwirt (um 1375) folgende Bezeichnungen an: für Weiß: hermîn, silbergrîs, von margariten, perlein oder mergriesse; für Rot: rubîn, zinopel, von kein etc. Andre Systeme der Farbenbezeichnung gründeten sich auf die Tugenden, Temperamente, Planeten, Himmelszeichen, Edelsteine, Wochentage, Elemente und Metalle. So bedeutete Silber vier Tugenden: Demut, Ehrenhaftigkeit, Reinheit und Unschuld; von den Temperamenten: das Phlegma; von den Planeten: den Mond; drei Himmelszeichen: den Krebs, Skorpion und die Fische; von den Elementen: das Wasser; von Kostbarkeiten: die Perle; von den Wochentagen: den Montag. Außerdem pflegten sich die Herolde auch für die Wappenbilder gewisser Kunstausdrücke zu bedienen, die zum Teil der französischen Kunstsprache entlehnt waren.
[Geschichtliches.] Die systematische Bearbeitung und damit die Geschichte der H. beginnt, als sich Männer der Wissenschaft, besonders Juristen und Geistliche, des Stoffes bemächtigten. Die beiden ältesten Autoren waren der Rechtslehrer in Perugia, Bartolus aus Sassoferrato (seit 1355 Rat des Kaisers Karl IV.), und der Thüringer Johannes Rothe (1387 Priester des Marienstifts zu Eisenach). Bartolus schrieb einen Traktat: »De armis et insigniis«, der nachmals oft gedruckt worden und dessen literarischer Einfluß fünf Jahrhunderte hindurch zu verfolgen ist. Er beschäftigt sich mit verschiedenen Fragen des Wappenrechts und mit der Frage, wie die Wappen abzubilden und zu malen sind, mit den Begriffen von rechts und links in den Wappen und mit der Symbolik der Farben. Die Schrift des Johannes Rothe, genannt »Ritterspiegel«, ist erst durch Karl Bartsch (in den »Mitteldeutschen Gedichten«) veröffentlicht worden. Sie behandelt zuerst den Ursprung der Wappen, die Symbolik der Bilder und die für das Entwerfen der Wappen maßgebenden Anhaltspunkte. Der Züricher Chorherr Felix Hemmerlein widmete in seinem um 1440 geschriebenen Traktat »De nobilitate et rusticitate« der Wappenlehre ein besonderes Kapitel, das im wesentlichen auf der Arbeit des Bartolus beruht. Neu ist darin der Versuch einer Geschichte der Wappen, und besonders wertvoll ist die Schrift dadurch, daß ihr Hemmerlein den »Clipearius« des Chorherrn Konrad von Mure (gest. 1281), eine Beschreibung zahlreicher Wappen in lateinischen Reimen, einverleibt und dadurch vor dem Untergang bewahrt hat. Während sich in Deutschland die H. in diesem Rahmen fortbewegte, hatte die französische H. ein Hauptgewicht auf die Durchbildung der in Deutschland vernachlässigten Kunstsprache gelegt. Schon der Traktat von Clément Prinsault von 1416 enthielt die Hauptzüge der in Frankreich noch heute gültigen, sehr klaren und bestimmten Terminologie. Ein gut gelungener Versuch, beide Richtungen zu vereinigen, wurde von dem Burgunder Bartholomäus Cassaneus gemacht, der in seinem »Catalogus gloriae mundi« (1529) die bis dahin umfangreichste Lehrschrift über die Wappen verfaßte. Das Werk fand in Deutschland große Verbreitung (allein in Frankfurt a. M. erschienen vier Auflagen davon). In dem »Adelsspiegel« des Predigers Cyriacus Spangenberg (2. Teil, Schmalkalden 1594) werden die verschiedenen in der H. Verwendung findenden Figuren nach Klassen aufgezählt, woran sich eine symbolisch theologische Auslegung der Wappenbilder und Farben anschließt. Eine Zeit des Überganges eröffnete der Nürnberger Ratsherr Georg Philipp Harsdörffer (1643), der mehreren Teilen seiner Gesprächspiele Unterhaltungen über die Heroldskunst einflocht, deren Inhalt überwiegend aus den französischen Lehrschriften geschöpft ist. Die Einteilung des Schildes ist hier zum erstenmal behandelt und eine Summe von Kunstwörtern in die deutsche Literatur eingeführt worden. Auch die wissenschaftlichen Einleitungen zum sogen. »Fürstschen Wappenbuch« (1655) sind von Harsdörffer verfaßt. Einen ähnlichen Versuch machte[187] der Kanonikus Ägidius Gelenius in Köln 1645 (»De sacra et civili magnitudine Coloniae«), jedoch mehr in Anlehnung an die Lehrschrift (1638) des römischen Jesuiten Silvester a Petra Sancta. Er entwickelt die allgemeinen Gesetze der Heroldskunst und gibt ein nach Bildern geordnetes rheinisches Wappenbuch. Die Bahn für die ganze spätere Entwickelung der H. brach der berühmte Theolog Philipp Jakob Spener. Schon sein Kommentar über das sächsische Wappen (1668) hatte allgemeines Aufsehen erregt, weil er mit der bisherigen Methode, die Wappen symbolisch auszulegen, gründlich brach und zum erstenmal die Wappen historisierte. Demnächst erschien 1680 der spezielle Teil seines heraldischen Werkes (»Historia insignium illustrium«), 1690 der allgemeine Teil (»Insignium theoria«). Mit großem Verständnis wußte er das französische System des Blason der deutschen Eigenart anzupassen. Auf seinen Schultern steht die ganze moderne H. Sein System ist folgendes: Wesentliche Bestandteile des Wappens sind der Schild und Helm, mit dem, was darin und darauf steht. In bezug auf den Schild beschreibt er die vorkommenden Schildesteilungen, mit Anführung der entsprechenden Kunstwörter und zahlreicher Belege. Dann geht er zu den Tinkturen (»heraldischen Farben«, s. d.) und zu den Figuren über, von welch letztern er ein festes Einteilungsschema begründet. Demnächst handelt er von den Helmen, Kronen, Hüten, Helmdecken und Helmzeichen und zum Schluß von den Nebenstücken des Wappens, von den Beizeichen und den redenden Wappen. König Friedrich I. von Preußen schätzte die heraldischen Verdienste Speners so hoch, daß er ihm eine Pension von 300 Tlr. zuwendete, die nach dessen Tode auf seine Söhne überging. Der König zog Speners ältesten Sohn, Christian Maximilian, als heraldischen Ratgeber nach Berlin, gründete bei der neuen Ritterakademie daselbst (1705) eine Professur für H. und übertrug sie dem jüngern Spener. Dies war der erste Versuch in Deutschland, die H. als Gegenstand des Unterrichts auf Hochschulen einzuführen. Er wurde zunächst 1711 in Leipzig und bald an andern deutschen Universitäten nachgeahmt. Im ganzen 18. Jahrh. ist das Bestreben überwiegend, dem überlieferten Lehrstoff die Formen einer Wissenschaft zu geben. Von den Lehrschriften, die in dieser Zeit erschienen, ist die Mehrzahl dazu bestimmt, als Unterlage für den Schulunterricht zu dienen. Rink, dessen Lehrbuch 1726 erschien, und sein Schüler J. D. Köhler machten zuerst die Siegel des Mittelalters für die H. nutzbar. Im allgemeinen herrschte jedoch die Neigung vor, die Wappenkunst nicht vom historischen, sondern vom philosophischen Standpunkt zu behandeln. Die Herolde der neuen Zeit sind Franz Jos. Bodmann (»Rheingauische Altertümer«, 1819) und Professor Büsching in Breslau (»Ritterzeit und Ritterwesen«, 1823). Freih. L. v. Ledebur (von 1830 an) schuf aus der H. mit Hilfe der Sphragistik eine ganz neue Wissenschaft, indem er sie als Zweig der Kulturgeschichte des Mittelalters behandelte. Er machte zuerst auf die geographische Verteilung der Wappenbilder aufmerksam und begründete das vergleichende System der H. Hervorragende Sphragistiker sind ferner: Fürst F. K. von Hohenlohe-Waldenburg (s. d.), G. E. F. Lisch (s. d.) und A. Voßberg. Nicht minder bedeutungsvoll auf einem andern Gebiet war das Eintreten Friedrich Hoffstadts (1840), der die H. als Zweig der Ornamentik wiederherstellte, mit besonderer Berücksichtigung des gotischen Stiles. In der letzten Richtung mit Zuhilfenehmen der Waffenkunde bauten weiter: J. H. v. Hefner-Alteneck, Trachten des christlichen Mittelalters (Frankf. 18401854); O. v. Hefner, Handbuch der theoretischen und praktischen H. (Münch. 1861; 2. Aufl., Görl. 1887, 2 Tle.); Karl Ritter v. Mayer, Heraldisches Abcbuch (Münch. 1857); R. v. Retbergs Aufsätze in der Wiener Zeitschrift »Adler« (1873); Ad. M. Hildebrandt, Heraldisches Musterbuch (3. Aufl, Berl. 1897) und Wappenfibel (4. Aufl., Frankf. a. M. 1893); E. v. Sacken, Katechismus der H. (6. Aufl., Leipz. 1899); F. Warnecke, Heraldisches Handbuch (6. Aufl., Frankf. a. M. 1893); G. A. Seyler, Moderne Wappenkunst (das. 1885) und Geschichte der H. (Nürnb. 1886); M. Gritzner, Grundsätze der Wappenkunst, mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (das. 1890); A. v. Keller, Leitfaden der H. (Gerl. 1881) u. a. Vgl. ferner: Jouffroy d'Echavannes, Armorial universel et traité de la science du b la-son (Par. 1844); Gourdon de Genouillac, L.'art héraldique (das. 1890); Döpler d. jüng., »Heraldischer Formenschatz«, Kunstblätter vom 15. Jahrh. bis zur Gegenwart (Berl. 1898); Ganz, Geschichte der heraldischen Kunst in der Schweiz im 12. u. 13. Jahrhundert (Frauens. 1899); Ströhl, Deutsche Wappenrolle (Stuttg. 1887) und Heraldischer Atlas (das. 1899); de Renesse, Dictionnaire des figures héraldiques (Brüss. 1895 ff.); Fox- Davies, The art of heraldry (Lond. 1904). Weiteres s. unten S. 189.
Die beiden Vereine »Adler« in Wien und »Herold« in Berlin, die auch heraldische Zeitschriften herausgeben, haben sich der wissenschaftlichen Pflege der H. gewidmet. Letzterer hat 1882 und 1894 heraldisch e Ausstellungen veranstaltet, durch die auch das Verhältnis der H. zum Kunstgewerbe klargestellt wurde (Weiteres über die Veröffentlichungen des Vereins s. Herold, S. 228). Andre Vereine zur Pflege der H. bestehen in Hannover, im Haag, in Paris, Neuchâtel, Pisa und Budapest. Von Zeitschriften sind noch zu nennen: »Der Doppeladler« (österreichisch-ungarische Monatsschrift, Wien, seit 1903) und »Schweizer Archiv für H.« (hrsg. von Stückelberg, Zür., seit 1887).
[Beschreibung der Wappen.] Für die Beschreibung, d. h. die Erklärung des Inhalts und die Bedeutung der Wappen gelten gewöhnlich folgende Grundsätze: Der Begriff von rechts und links ist nicht dem Gesichtspunkt des Beschauers, sondern dem des Schildträgers entnommen. Die rechte Seite des Wappens ist demnach die dem Beschauer zur linken Hand liegende. Die rechte Seite des Wappens heißt die vordere. Die Beschreibung beginnt stets von der obern oder vordern Seite des Wappens, und es wird daher nicht besonders gemeldet, welche Farbe die vordere oder obere Seite einnimmt. Zur Erläuterung dienen die untenstehenden Figuren, in denen die Farben durch die entsprechende Schraffierung angegeben sind (s. die Abbildung im folgenden Artikel). Fig. 1 ist geteilt von Silber und Rot; Fig. 2 gespalten von Gold und Blau; Fig. 3 halbgespalten und geteilt von Blau, Silber und Rot; Fig. 4 gespalten und halbgeteilt von Rot, Silber und Blau; Fig. 5 quadriert von Silber und Schwarz; die Ordnung der Felder bei komplizierten Schilden ergibt sich aus Fig. 6: das erste Feld ist rechts oben, das zweite links oben, das dritte rechts unten, das vierte links unten. Hat das Wappen (wie hier) einen Mittelschild, so wird dieser zuerst beschrieben. Bei schräggeteilten Schilden ist die Stelle die obere, die von dem obern Rande des Schildes mit begrenzt ist. Fig. 7 ist demnach von [188] Gold und Rot schrägrechts, Fig. 8. von Gold und Not schräglinks geteilt. Die dem Wappenwesen eigentümlichen Bilder heißen Heroldsfiguren (s. d.). über die Einteilungen der Familienwappen und die Länderwappen s. den Artikel »Wappen«.
Von Wappenbüchern besitzen wir in Deutschland eine große Menge; auch ist bemerkenswert, daß dergleichen Sammlungen in Deutschland zuerst an das Licht getreten sind. Die ältesten Wappenbücher sind die sogen. »Züricher Wappenrolle« aus dem Ende des 13. Jahrh., die im Anfang des 18. Jahrh. im Besitz des Naturforschers Scheuchzer auftauchte und von der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 1860 in Farbendruck veröffentlicht wurde, und das Wappenbuch van der Seffcken aus dem Ende des 14. Jahrh. (im Besitz des Vereins Herold in Berlin und von diesem in Farbendruck herausgegeben). Das großartige Wappenbuch des Konrad Grünenberg, Ritters und Bürgers zu Konstanz (Original im Besitz des königlichen Heroldsamtes in Berlin; eine prächtigere gleichzeitige Kopie auf Pergament in der Hof- und Staatsbibliothek zu München), vollendet 1483, ist von dem Grafen von Stillfried-Alcantara und Ad. M. Hildebrandt (Görl. 1879) veröffentlicht worden.
Kleinere Wappenbücher wurden von dem Kupferstecher Virgilius Solis (Nürnb. 1555, Kupferstich), von Zacharias Bartsch (»Steiermärkisches Wappenbuch«, Graz 1567; die Originalholzstöcke, im Landesarchiv zu Graz vorhanden, sind neuerlich wiederholt abgedruckt worden), von Martin Schrot (nach dem Verleger auch »Adam Bertzsches Wappenbuch« genannt, Münch. 1576) und Jost Amman (Holzschnitte, 1598) herausgegeben. Die größte Sammlung veranstaltete (1604ff.) der Nürnberger Kupferstecher Johann Sibmacher (s. d.). Durchaus verschieden in Anlage und Ausführung ist das von O. T. v. Hefner (182770) begründete neue Sibmachersche Wappenbuch (Nürnb. 1854 ff.). Außerdem ist im 19. Jahrh. eine Menge provinzieller Wappenbücher erschienen. Ein bürgerliches Wapenbuch wird mit Unterstützung des Vereins Herold in Berlin von B. Körner u. d. T. »Genealogisches Handbuch bürgerlicher Familien« (bis 1904: 12 Bde.) herausgegeben. Vgl. auch P. Knötel, Bürgerliche Heraldik (2. Aufl., Görl. 1903). Einen Überblick über die geschichtliche Entwickelung der Kunst der Wappendarstellung gewährt die beigegebene Tafel »Heraldik«, mit Textblatt.
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