[599] Vindication (v. lat. Vindicatio), 1) im Allgemeinen jede dingliche od. Realklage, welche wegen der Zuständigkeit eines dinglichen Rechtes (Jus in re) gegen denjenigen gegeben ist, welcher sich unrechtmäßiger Weise in den Besitz dieser Sache od. des Rechtes gesetzt hat, um von dem Letzteren die Herausgabe der Sache, resp. die Anerkennung des dinglichen Rechtes nebst dessen Folgen zu erlangen.[599] Die V. ist daher nicht blos V. rei, zum Schütze des Eigenthumes, sondern es gibt auch eine V. servitutis, womit die Anerkennung einer Dienstbarkeit verlangt wird, u. eine V. pignŏris, womit der Pfandgläubiger die Herausgabe der ihm verpfändeten Sache zum Zwecke der Geltendmachung des Pfandrechtes verlangen kann. Im Besondern heißt aber V. 2) die Eigenthumsklage (V. rei), vermittelst deren der Eigentümer die ihm gehörige Sache von jedem dritten Besitzer derselben zurückfordern kann. Da der Grund der Klage nur das Eigenthum (s.d.) ist, so hat der Kläger dies, so wie daß der Beklagte die dem Kläger gehörige Sache in Händen habe, zu beweisen. Da indessen der Beweis des Eigenthumes bei derivativem Erwerb um deswillen, weil dann auch das Eigenthum des Vorgängers erwiesen werden muß, ein sehr schwieriger ist (Probatio diabolica), so wird die V., in dieser Beziehung durch die Gestattung einer anderen Klage, der Actio publiciana, ersetzt, bei welcher der vollkommene Beweis des Eigenthums durch den Nachweis einer angefangenen Usucapion ersetzt wird, während sie im Übrigen in Beziehung auf Veranlassung, Beklagten u. Gegenstand ganz mit der Eigenthumsklage übereinstimmt. Beklagt werden kann regelmäßig nur der Besitzer, doch tritt in zwei Fällen eine Fiction des Besitzes ein, wenn nämlich Jemand freiwillig der wider ihn erhobenen Klage geantwortet hat u. wenn der ursprüngliche Besitzer doloser Weise des Besitzes sich entäußerte. Wer ohne Arglist zu besitzen aufgehört hat, haftet der Klage nicht mehr; wer nur für einen Anderen besitzt, z.B. als Pächter, kann sich der Klage durch Nennung dessen, auf dessen Namen er die Sache in Händen hat, entziehen. Eine Abläugnung des Besitzes hat die Übertragung desselben an den Kläger zur Folge; auf keine Weise kann derjenige, welcher selbst besitzt, Kläger sein. Das Ziel der Klage, bei welcher der zu vindicirende Gegenstand möglichst speciell u. genau zu bezeichnen ist, besteht in der Restitution der Sache mit allem Zubehör. Die Sache muß eine selbständige Existenz haben, sie darf daher nicht untrennbar mit einer anderen verbunden sein. So lange sie körperlicher Theil einer anderen Sache ist, ist die V. ausgeschlossen u. dieselbe muß alsdann erst durch eine Klage auf Trennung (Actio ad exhibendum) vorbereitet werden. In dem Falle, wenn die zu vindicirende Sache in ein Haus od. einen Weinberg verbraucht worden ist u. die Trennung Haus od. Weinberg gefährden würde, fällt aber auch diese Klage hinweg, u. der Eigenthümer muß sich, wenn nicht der Besitzer selbst freiwillig die Trennung vorzieht, mit dem Doppelten des Werthes (worauf dann die Actio de tigno juncto geht) begnügen od. die künftige Trennung ohne sein Zuthun abwarten. Selbst eine solche Trennung berechtigt ihn aber noch nicht zur V., wenn sie nur vorübergehend, mit der Absicht sofortiger Wiedereinfügung geschah. Erfolgt bei sonst begründeten Verlangen der Restitution die Rückgabe der Sache nicht, so kann der Kläger den Taxwerth fordern. Als Zubehör der Sache (Causa rei) gilt Alles, was der Kläger gehabt hätte, wenn er gar nicht zur gerichtlichen Geltendmachung seines Rechtes veranlaßt worden wäre. Von den Früchten insonderheit hat der bösgläubige Besitzer (Malae fidei possessor) alle zu restituiren, der gutgläubige (Bonae fidei possessor) dagegen nur die zur Zeit der Litiscontestation über die Klage noch wirklich vorhandenen u. erst nach der Litiscontestation alle Verwendungen, welche der Besitzer auf die zu restituirenden Früchte gemacht hat, mindern diese selbst. Jeder Beklagte, mit Ausnahme des Diebes, hat eine Exceptio doli auf Ersatz, wenn die Verwendungen zur Erhaltung der Sache nothwendig waren (Impensae necessariae, s.d.), der gutgläubige Besitzer auch, wenn sie nur den Ertrag der Sache erhöht haben (Impensae utiles). Dagegen hat der bösgläubige Besitzer wegen dieser, so wie überhaupt jeder Besitzer, wegen bloßer Impensae voluptariae nur ein Recht auf Wiederwegnahme derselben, soweit diese möglich ist. Das Verfahren über eine V. war im altrömischen Processe ein sehr complicirtes. Zwei Grundformen sind dabei zu unterscheiden, die civilrechtliche Form des Verfahrens mit der in rem actio sacramento, welche später noch eine Abschwächung durch das Verfahren per sponsionem erhielt, u. die prätorische Form des Verfahrens mit der rein privatrechtlichen Formula petitoria. Aus dem ersteren Verfahren ging zunächst ein Vorverfahren zur Herstellung des Rechtsfriedens voraus, insofern nicht schon durch Privatübereinkunft diese Herstellung erfolgt war. Dies Vorverfahren bestand darin, daß der Prätor nach einer Kundgebung fortdauernden Friedensbruches obrigkeitlich Frieden gebot. Beide Parteien legten an die streitige Sache Hand an unter Drohung mit bewaffneter Gewalt; derjenige, welcher die Sache für sich in Anspruch nahm, hieß Vindex, der Stab, welcher die Waffe vorstellte, Festuca s. Vindicta; darauf wurde vom Prätor dem einen Theil der interimistische Besitz u. Fruchtbezug an der Sache bis zum Austrag des Rechtsstreites zugesprochen u. die nöthigen Cautionsbefehle bezüglich der Sicherheit erlassen, welche der Besitzer dem Gegner für den entzogenen Interimsbesitz, falls er dennoch unterliegen sollte, mittelst Bürgen (Praedes litis et vindiciarum) zu geben hatte. Bestanden die Streitgegenstände in Mobilien od. Semoventien, so mußten diese selbst in das Gericht gebracht werden; zu unbeweglichen Sachen begab sich zur Zeit der Zwölf Tafeln der Prätor selbst hinaus. Als aber letzteres später bei Erweiterung des römisch-italischen Gerichtsgebietes unthunlich wurde, so trat ein anderes Verfahren ein, nämlich die Parteien forderten sich vor dem Prätor auf, u. dieser befahl ihnen dann vor Zeugen (Superstites) zur streitigen Stelle u. von da zurück vor Gericht zu gehen. Noch später vertrat eine im Voraus abgeholte u. in der Nähe des Prätorstuhles niedergelegte Scholle (Vindiciae sumptae) die Stelle des strittigen Fundus, u. es wurde nun die V. an dieser vollzogen. Nach diesem Vorverfahren wurde der Streit um das Eigenthum selbst mittelst widersprechender Rechtsbehauptungen der (Vindicatio u. Contravindicatio) eingeleitet. Über die formulirten gegenseitigen Behauptungen forderte der Prätor von beiden Parteien Bürgen (Praedes sacramenti) für Buße u. Ersatz wegen des gebrochenen Rechtsfriedens, u. darauf gelangte die Sache zur weiteren Entscheidung entweder an Decemvirn, das Centumviralgericht od. einen bes. ernannten Privatrichter Mit der gefällten Entscheidung von diesen Richtern wurde aber zunächst nur die Pflicht zur Entrichtung der Buße (Sacramentum) liquid; Streitobject u. die Früchte während des Processes (Lis et Vindiciae) erhöhten ihre Liquidation erst[600] noch in einem Nachverfahren, worin Früchte u. Schäden, nöthigenfalls durch Provocation auf drei Sachvorstände (Arbitri), geschätzt wurden. Dies ganze Verfahren erhielt sich für die V-en vor dem Centumviralgericht noch bis in die Kaiserzeit. In anderen Vindicationssachen hatte wahrscheinlich schon die Lex Aebutia (um 204 v. Chr.) dem Prätor gestattet, daß an Stelle des Sacramentum u. der Vindicien, Praedes sacramenti u. litis et vindiciarum der Besitzstand vorerst nach Besitzrecht, z.B. durch Interdict mit Pönalstipulationen, regulirt wurde, dabei aber doch von dem Besitzer materiell die Satisdation so gefordert wurde, wie wenn das alte Verfahren wirklich vollzogen worden wäre. Sodann wurde behufs Einleitung des Streites über das eigentliche Recht dem Beklagten eine einseitige Sponsio praejudicialis in der Weise auferlegt, daß er für den Fall, daß die Sache dem Kläger gehören sollte, eine gewisse geringe Summe zu geben versprechen mußte, u. daraus dann dem Kläger eine Formel ertheilt. welche die Anweisung für den Richter zur Condemnation auf den Fall erhielt, wenn sich erweisen sollte, daß der Beklagte die versprochene Sponsionssumme zu zahlen habe. Bei dem zweiten prätorischen Verfahren mit der Formula petitoria hatte der Besitzstreit eine völlig selbständige Natur u. stand zu dem Streit über das Eigenthumsrecht selbst in keiner weiteren formellen Verbindung. Der letztere aber wurde in der Weise instruirt, daß über das Recht eventuell die Verurtheilung zur Entschädigung in Geld von einem u. demselben Richter nach einer Formel zu entscheiden war, welche gleich hierauf selbst gestellt wurde. Vgl. Wetzell, Der römische Vindicationsproceß, Lpz. 1845.