Wallenstein

[815] Wallenstein, Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein (böhm. Walsteina), Herzog zu Friedland, Mecklenburg u. Sagan, aus dem böhmischen Geschlecht Waldstein (s. d.), dritter Sohn Wilhelms von Waldstein u. der Margarethe von Smirricky von Smirric, geb. den 15. Septbr. 1583 zu Hermanic in Böhmen. Nach dem Tode seines Vaters kam W. im 16. Jahre zu den Jesuiten nach Olmütz, wo er katholisch wurde. Er studirte in Bologna u. Padua, bereiste dann Frankreich, die Niederlande u. Deutschland, diente hierauf dem Kaiser Rudolf in Ungarn u. wurde hier Hauptmann der Infanterie; 1606 vermählte er sich in Böhmen mit der betagten, in Mähren begüterten Lucretia Nikessin von Landeck, welche er 1614 beerbte. Außerdem erbte er 14 Güter eines Oheims in Böhmen. Er machte nun den Krieg des Erzherzogs Ferdinand von Steyermark gegen Venedig mit u. zeichnete sich bei der Entsetzung von Gradiska aus. Zurückgekehrt vermählte er sich dann wieder mit Isabella Katharina geb. Gräfin Harrach; Kaiser Matthias ernannte ihn 1616 auch zum Grafen u. Oberst u. gab ihm den Oberbefehl über das Landaufgebot in Mähren. Gegen den Aufstand der Böhmen unter dem Grafen Thurn nahm er Partei, brachte die Kassen von Olmütz nach Wien u. errichtete hier ein Regiment, welches er Bucquoi nach Budweis zuführte, vertheidigte auch einen Donauübergang gegen Thurn u. schlug 1620 Bethlen Gabor in Schesien. Dann kaufte er 60 confiscirte Herrschaften u. Güter für 7,290,230 Fl. u. benutzte seine Stellung als Vormund seines geisteskranken Vetters, Smirrizky, dessen Güter an sich zu bringen. 1623 wurde er zum Fürsten von Friedland u. somit in den Reichsfürstenstand erhoben. Gegen den Niedersächsischen Bund erbot er sich dem Kaiser ein Heer von 40,000 Mann zu stellen; er wurde im Juli 1625 zum Generalissimus u. Feldmarschall ernannt u. führte Ende September 1625 Tilly 30,000 Mann an die Weser zu. Da er sich aber mit Tilly verfeindete, wendete er sich im November nach dem Magdeburgischen, schlug den Grafen von Mansfeld 25. April 1626 bei Dessau, brachte sein Heer auf 40,000 Mann, zog 1627 nach Schlesien, wo er zum Herzog ernannt wurde u. vom Kaiser das Herzogthum Sagan für 125,703 Gulden kaufte, u. darauf nach Mecklenburg, wo die Herzöge in Verdacht gerathen waren, es mit dem König Christian IV. von Dänemark zu halten u. deshalb vom Kaiser Anfang Februar 1628 ihres Landes verlustig erklärt worden waren, welches Land der Kaiser an W. wegen nicht bezahlter Kriegskosten unterpfändlich überließ. Von hier unternahm W. einen Zug nach Pommern u. belagerte seit Mai 1628 Stralsund, mußte aber im August wieder abziehen; s. über dies Alles unter Dreißigjähriger Krieg S. 311 f. W. ließ sich darauf in Mecklenburg huldigen u. erhielt den 16. Juni 1629 einen förmlichen Lehnbrief als Herzog von Mecklenburg. Die vielfältigen Klagen der katholischen u. protestantischen Reichsfürsten über die durch W-s Heer verübten Unbilden veranlaßten den Kaiser in die auf dem Reichstage zu Regensburg 1630 verlangte Entlassung W-s zu willigen. W. empfing diese Nachricht in Memmingen, zog sich nach Böhmen zurück u. lebte mit königlicher Pracht zu Gitschin. Als aber König Gustav Adolf von Schweden Anfang Juli 1630 in Pommern landete u. schnell nach Sachsen u. nach der Schlacht von Breitenfeld, im Sept. 1631, nach Oberdeutschland vordrang, übernahm W. auf Bitten des Kaisers Anfangs 1632 wiederum den Oberbefehl u. stellte 40,000 Mann auf. Unter den Bedingungen, welche er von dem Kaiser dagegen bewilligt erhielt, war, außer wesentlichen materiellen Vortheilen, bes. die, daß er das Commando in völlig unabhängiger Stellung führte. Zunächst nahm er Prag wieder, warf die Sachsen aus Böhmen, marschirte dann nach Baiern, um die Schweden von da zu vertreiben, u. schlug den Angriff der Schweden auf sein Lager bei Nürnberg 4. Sept. 1632 ab, wendete sich dann nach Sachsen, wo er 6. Nov. von Gustav Adolf bei Lützen geschlagen wurde, u. zog sich darauf nach Böhmen zurück, um sein Heer zu ergänzen. 1633 ging er wieder nach Sachsen, ohne daselbst etwas Wesentliches auszuführen, vielmehr schloß er im Juni mit dem Kurfürsten von Sachsen einen Waffenstillstand u. unterhandelte sodann auf eigene Faust mit den Sachsen u. Schweden, angeblich in der Hoffnung, diese Verbündeten zu entzweien, zuletzt auch mit Frankreich. Schon dies war dem Kaiser mißfällig, dazu kam, daß W., anstatt gegen Baiern zu marschiren, um dieses Land vor Bernhard von Weimar zu schützen, seine Truppen nach Böhmen in Winterquartiere legte (s. Dreißigjähriger Krieg S. 315 f.), u. hier, obgleich ihm der Kaiser durch Questenberg den Befehl ertheilte dieses Land zu räumen, auch stehen blieb, weil ein Kriegsrath diese Räumung für unmöglich erklärte. Die Feinde W-s, bes. der[815] Kurfürst Maximilian von Baiern, forderten deshalb den Kaiser auf, W. wieder vom Commando zu entfernen. W. wollte freiwillig niederlegen, gleichwohl schloß er mit den Obersten seines Heeres am 12. Jan. 1634 zu Pilsen einen Vertrag, worin sie sich gegenseitig gelobten nicht von einander zu lassen, nur sollte nichts gegen den Kaiser u. die Katholische Religion unternommen werden. Von diesem Vertrage erhielt der Kaiser durch die italienischen u. spanischen Offiziere Kunde u. erklärte durch ein Patent vom 24. Jan. W. für einen Rebellen u. für vogelfrei. Sorgfältig wurde dies Patent vor W. verborgen, u. der Kaiser blieb noch drei Wochen lang mit W. in vertraulicher Correspondenz. Gallas u. Piccolomini wurden ebenso insgeheim beauftragt, sich W-s, todt od. lebendig, zu bemächtigen. W. aber wohl unterrichtet, berief, nachdem er seine Unterhandlungen mit Schweden u. Frankreich fortgesetzt u. zu einem Abschluß gedrängt halte, am 20. Febr. die Obersten noch einmal u. stellte einen Revers aus, daß es ihm niemals in den Sinn gekommen sei, das Geringste gegen den Kaiser od. die Katholische Religion zu unternehmen. Zweimal sendete er Abgeordnete an den Kaiser mit dem Erbieten das Commando niederzulegen u. sich zu stellen, wohin es verlangt würde; allein diese Boten wurden von Piccolomini aufgehalten. Als W. erfuhr, daß Piccolomini, Gallas u. Maradas gegen ihn anrückten, verließ er Pilsen u. traf den 24. Febr. mit 200 Dragonern unter Oberst Buttler u. mit den Obersten Terzky, Kinsky u. Illo, zugleich mit seiner Gemahlin, der Gräfin Terzka u. dem Astrologen Seni, seinem steten Begleiter, in Eger ein. Erst jetzt, als er sein Leben bedroht sah, war er bereit, sich dem Herzog Bernhard in die Arme zu werfen. Aber Buttler theilte dem Commandanten von Eger, Oberst Gordon, die kaiserliche Achtserklärung mit, u. die Ermordung W-s wurde auf den 25. Febr. 1634 festgesetzt. Auf dem Schlosse wurden Terzky, Kinsky, Illo u. der Rittmeister Neumann bei einem Gelag niedergemetzelt u. hierauf W. in seiner Wohnung, einem Privathause am Markte, von dem Hauptmann Deveroux mit der Partisane durchstochen. Die Mörder wurden gut belohnt, W-s Güter aber confiscirt. Ob W. schuldig od. unschuldig gewesen sei, namentlich ob seine Unterhandlungen mit den Feinden des Kaisers unverfänglich gewesen, od. ob sie ein Bündniß mit denselben gegen den Kaiser bezweckt haben, darüber sind in neuerer u. neuester Zeit verschiedene Ansichten aufgestellt worden. Auf Grund der (namentlich von Fr. Förster) behaupteten Unschuld hat der Graf Christian von Waldstein-Wartenberg, der rechtmäßige Erbe W-s, selbst Klage gegen den kaiserlichen Fiscus, der eingezogenen Güter halber, anhängig gemacht, jedoch ohne Erfolg. Vgl. Gualdo Priorato, Istorie della vita d'Alb. di Wallenstein, Lyon 1643; Fr. Förster, W-s Briefe, Berl. 1828 f., 3 Bde.; Derselbe, W., Herzog von Friedland, eine Biographie, Potsd. 1834; Derselbe, W-s Proceß vor den Schranken des Weltgerichts, Lpz. 1844; K. M. v. Aretin, W. (aus baierischen Quellen geschöpft), Regensb. 1846; Helbig, W. u. Arnim 1632–34, Dresd. 1850; Derselbe, Der Kaiser Ferdinand u. Friedland, ebd. 1852; Derselbe, Gustav Adolf u. die Kurfürsten von Sachsen u. Brandenburg, Lpz. 1854 (aus Urkunden des Dresdner Hauptstaatsarchivs); Dudik, Forschungen für Mährens Geschichte, Brünn 1852 (aus schwedischen Quellen); Bülau, Geheime Geschichten 5. Bd., Lpz. 1854; Hurter, Zur Geschichte W-s, Schaffh. 1854; Derselbe, W-s vier letzte Lebensjahre, Wien 1862. Schiller hat das Soldatenleben u. die Katastrophe W-s dramatisch behandelt in einer Trilogie (W-s Lager, die Piccolomini u. W-s Tod); dieselbe ruht wesentlich auf historischem Grunde, nur Thekla u. Max sind poetische Phantasiegeschöpfe; W-s Tochter hieß Maria Elisabeth.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 815-816.
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