Weide

1. Alte Weiden haben dicke Köpfe.


2. Auf eine niedergebogene Weide springen auch die Geissen.


3. Da die Weide Palmen trug, nannte sie sich gleich einen heiligen Baum.


4. Die Weide ist ein geringes Holz und kann doch andere Bäume binden.

Dän.: Piil er ringe træ, kand dog bin de andre træer. (Prov. dan., 455.)

Engl.: Willows are weak, yet they bind other wood. (Bohn II, 22.)


5. Die Weiden vnd Bauern muss man alle drey Jahre hawen vnd die äst stumpffen (sonst werden sie geil).Lehmann, 575, 7; Simrock, 801.

Grundsatz habsüchtiger Gutsherren, und entgegen der oberflächlichsten Klugheit, die lehrt, dass von ausgesogenen, verarmten und verdorbenen Bauern nichts zu nehmen ist. (Vgl. Graf, 82.)

Lat.: Rustica gens est optima flens, sed pessima ridens: ungentum pungit pungentem rusticus ungit. (Binder I, 1565; II, 2983; Philippi, II, 160; Seybold, 532; Neander, 309.)


6. Eine Weide trägt keine Aepfel.

Böhm.: Na vrbĕ hrušky, a na osice kyselky nerostou. (Čelakovsky, 404.)


7. Je älter die Weide, je hohler der Stamm.


8. Man muss den Weiden die äst stumpffen, dass sie nit zu hoch wachsen.Lehmann, 546, 7.


9. Man muss die Weiden an den Bach setzen und nicht in die Dünen.


10. Weiden geben allweg den Aeckern Schirm. Graf, 85, 148.

In Ausserrhoden: Allwegen geben weiden den akeren schirm. (Blumer, III, 72.)


11. Wenn die Weiden beginnen zu grünen, fang' an, Hafer zu sienen (säen). (Köln.) – Boebel, 136.


12. Wenn die Weiden Rosen tragen, wird der Friede geschlossen.

Ein Sprichwort aus der Zeit des Dreissigjährigen Krieges. Das soll sich denn auch im Jahre 1648 zugetragen haben. Man sagt, die äussern Blumen wären grün, die innern weiss und roth gewesen und hätten, wie Rosen, etwas Gelbes gehabt. Es entstehen aber wirklich jährlich aus der Vereinigung vieler kleiner [79] Blätter der Bachweide sehr ähnliche Rosen, wenn man nur genau Acht haben will, und diese sind folglich keine Wunder.


13. Wenn die Weide Palmen trägt, spricht sie gern vom Morgenlande.


14. Wenn die Weide tanzt, trauert der Rücken.


15. Wenn die Weiden stieben, so stieben die jungen Gänse auch.

»Die Bawren pflegen zu sagen: Wenn die u.s.w.d.i. sie fliegen mit weg oder sterben.« (Coler, 196a.)


16. Wenn du auch die Weide mit Honig begiessest, sie bringt dir keinen Zucker.

Man kann nicht herauslocken, was nicht darin ist.


17. Wo Weiden sind, da ist auch Wasser.

Die Russen: Man muss die Weiden an den Bach setzen und nicht in die Dünen. – Liebt die Weide den Sand, so wurde die Birke den Sumpf lieben. (Altmann V, 115 u. 131.)

Böhm.: Kde vrba, tam i voda. (Čelakovsky, 292.)

18. Wozu wüchsen die Weiden, sollte man sich keine Pfeifen schneiden.


*19. Hinter den Weiden halten.Theatrum Diabolorum, 335a.


*20. Wenn die Weide Beeren tragen wird.

Zu ergänzen: wird dies oder jenes geschehen. Die Russen sagen: Trüge die Weide Nüsse, so würde der Nussstrauch Palmen tragen. In ähnlichem Sinne die Bulgaren: Könnte der Stör fliegen, so würde der Rabe schwimmen können. (Altmann V, 95.)


*21. Wann de wyden prumen dregen. (S. Nimmerstag.) – Tappius, 197b: Eyering, I, 381; III, 373.

»Zu Pfingsten (s.d.) auf dem Eyss, oder wie die Niederlendischen und Westphalen reden: So die weyden prunen tragend.« (Forer, 54a; Germania, XV, 104.) Um auszudrücken, dass etwas nie geschehen werde.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 5. Leipzig 1880, Sp. 79-80.
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