Geiss

1. Alte geyss lecket auch gern saltz.Franck, II, 117a; Henisch, II, 1449; Lehmann, II, 27, 27; Eiselein, 202; Reinsberg I, 118; Kirchhofer, 277; Braun, I, 664; Mayer, I, 193; Simrock, 3201; Körte, 1860; für Aargau: Schweiz, II, 144, 5.

It.: La capra giovane mangia il sale, la vecchia il sale e il sacco. (Körte, 1860.)

Lat.: Anus hircissans. (Apostol. VI; Binder I, 69; II, 197; Seybold, 31.)

Ung.: A vén ketske is meg nyalja a sót. – Nehéz vén ketsketöl a sót el tiltani. (Gaal, 624.)


2. Bald de Goass z' wohl is, steaht s' auf und kratzt se. (Unterinnthal.) – Frommann, VI, 28, 35.


3. De Geis well och 'ne lange Stätz han. (Köln.) – Firmenich, I, 476, 156.


4. Der Geiss lässt Gott den Schwanz nicht zu lang wachsen.


5. Der hat die Geiss nicht sicher, der sie an einen Kohlstrunk bindet.

6. Die alt geyss hüpfft auch.Franck, II, 47a.


7. Die Geiss bedeckt sich nicht mit dem Wadel, als sollte man da das Pacem küssen.Eiselein, 202.


8. Die Geiss geht so lang ins Kraut, biss sie's bezahlt mit ihrer Haut.Lehmann, 580, 7.

Holl.: De geit schrufelt zoo lang, dat zij kwalijk ligt. – Het geitje loopt zoo dikwijls in de kool, tot dat het er hare vacht laat. (Harrebomée, I, 213.)


[1446] 9. Die Geiss kriegt früh einen Bart.Braun, I, 663; Körte, 1863; Simrock, 3200.


10. Die Geiss will auch einen langen Sterz.Simrock, 3198.


11. Die Geissen ziehen nicht am Pfluge.Eiselein, 202.

Die Weiber sind des Pflügens ledig.

Lat.: Liberae caprae ab aratro. (Eiselein, 202.)


12. Die Geyss muss an dem Ort weiden, da sie angebunden ist.Lehmann, 555, 11; Eiselein, 202; Simrock, 3195.

Häuslichkeit der Hausfrau.


13. Die schlechte Geiss bleibt hängen für den Wolf.


14. E Geiss und es Ching chranket und g'sunget g'schwing. (Solothurn.) – Schild, 60, 54.


15. Ein Geiss gibt keine Milch, man klopfft ihr denn das Milchfass oder Euter.Lehmann, 235, 40.


16. Ein junge Geiss läckt das Saltz, die alt friste dass Saltz vnd den Sack.Lehmann, 145, 73 u. 871, 34; Eiselein, 202; Simrock, 3202.

It.: La capra giovane mangia il sale, la vecchia il sale e il sacco. (Eiselein, 202.)


17. Eine Geiss ist kein Viehstand, ein Mädchen kein Gesinde.


18. Es is gût, dass der Göess ir Schwanz net so lank is, es der Kû îrer. (Henneberg.) – Frommann, II, 410, 102.


19. Gemach mit der Geiss, der Markt ist erst morgen.


20. Hätte die Geiss einen Schwanz, sie würde die Welt todtschwänzeln.


21. Ich sinn der Gëiss dovun, dat de Schottel1 kapott2 en geit, dann se hät ald 'nen Basch3 an. (Köln.) – Firmenich, I, 472, 33.

1) Schüssel.

2) Entzwei.

3) Riss.


22. Keine Geiss ohne Bart, kein Speck ohne Schwart.

Holl.: Geene oude geit zonder baard, of nonne zonder gemompel. (Harrebomée, I, 213.)


23. Man muss die Geiss nicht zu weit in den Garten lassen.Kirchhofer, 278.


24. Thäten mir Geissen (Weiber) wohl, ich erwirb ihr ein Stadel voll.Eiselein, 203.


25. Wann(s) der Geiss (zu) wohl1 (auf dem Platz) ist, scharrt sie.Franck, I, 142a; Gruter, I, 71; Schottel, 1122b; Blum, 532; Eiselein, 202; Kirchhofer, 277; Körte, 1861; Simrock, 196; Auerbach, Dorfgesch., V, 255; für Bern: Zyro, 33.

1) Wenn sie gut im Futter steht.


26. Wär de Geiss em Hûs hät, dä môss lick'en1 dat der Bock imm üvver de Gâder2 süüt. (Köln.) – Firmenich, I, 471, 1.

1) Leiden.

2) Der untere Theil der wagerecht in zwei Hälften getheilten Hausthür.

27. Wemmer1 di Gäss zu'n Bock'n näth'n muss, kriagt si ner a Gässla. (Franken.) – Frommann, VI, 108, 108.

1) Wenn man.


28. Wenn der Geiss zu wohl ist, so geht sie aufs Eis und bricht ein Bein.Schweiz, I, 144, 72.

In fränkischer Mundart vgl. Frommann, VI, 168, 110.

Lat.: Luxuriant animi rebus plerumque secundis. (Philippi, I, 232.)


29. Wenn die geiss wolstehet, so scharret sie. Henisch, 1444, 17.


30. Wenn e Geiss stossen will, so muss sie Hörner ha. (Solothurn.) – Schild, 60, 55.


31. Wenn man eine Geiss in den Stall gesperrt hat, kann man keine Kuh herausziehen.


32. Wer die Geiss anbindet (oder: angenommen hat), der muss sie hüten.Eiselein, 202; Körte, 1862; Simrock, 3193 u. 3194; Braun, I, 662; Kirchhofer, 277.

Wer ein Geschäft übernommen hat, soll dessen auch warten.


33. Wer die Geiss im Hause hat, dem kommt der Bock vor die Thür.Eiselein, 83 u. 202; Simrock, 3199.


34. Wer eine Geiss stiehlt, ist kein Bocksdieb. (Oberpfalz.)

Der Richter muss den Fall entscheiden, wie er liegt.


35. Wer mit Geissen umgeht, böckelt bald.Parömiakon, 335.

Womit man umgeht, das hängt einem an.


[1447] *36. Der Beste (Bravste, Schönste) hat die Geiss gestohlen.


*37. Der Gais ist g'streut. (Oberösterreich.) – Baumgarten.

Die Sache ist gemacht, auch das letzte ist gethan, der Handel ist fertig.


*38. Die Geiss sucht das Messer.Kirchhofer, 277.


*39. Er fiele eine Geiss an, die einen Schleier trägt.

So verliebt!


*40. Er hat auf der Geiss heim müssen.Eiselein, 202; Stalder.

Sein Plan ist mislungen.

*41. Er hat die Geiss am Himmel gesehen. (S. Ziege.)Körte, 1864a.


*42. Er ist wie die Geissen, die Kraut fressen und Bohnen scheissen.Fischart.


*43. Er kann die Geiss zwischen die Hörner küssen.Eiselein, 202.

So mager ist er.


*44. Er kommt mit der Geiss zu früh (zu spät) auf den Markt.Kirchhofer, 277.


*45. Er lässt die Geiss in den Garten laufen.

Holl.: Hij laat de geit in den wijngaard loopen. (Harrebomée, I, 213.)


*46. Es ist mit ihm als um eine Geiss, wann die wohl steht, so scharret sie.Geiler.


*47. Es ist Zeit mit der Geiss zu Markt.Kirchhofer, 277.


*48. Nu' iss der Gähs gesträöt, ann ah vürgeläht. (Henneberg.)

Auch in Franken: Oetz wär der Gäss a g'strät. (Frommann, VI, 168, 111.) Der Geiss ist nun gestreut und auch vorgelegt, nun ist mir (dir u.s.w.) der Wille gethan, das Geschäft vollendet, die Sache abgemacht, allen beiden zugleich geholfen.

*49. Op de Geit rîën. (Meurs.) – Firmenich, I, 406, 376.

Auf der Ziege reiten.


*50. 'R het's wie d' Geissa, 'r het d's Wîtera lîeb'r. (Bern.) – Zyro, 34.


*51. 'S hilft em uff d' Geiss. (Solothurn.) – Schild, 84, 312.

In älterer Zeit bezeichnete das Wort Geiss einen Sattel vorn mit zwei Hörnern.


*52. Si hed müsse uf der Geiss sei. (Luzern.)

Wenn ein Mädchen ohne Liebhaber vom Tanzplatz kommt.


*53. Zu den wilden Geissen.Eiselein, 202.

Lat.: In capras sylvestres. (Eiselein, 202.)


[Zusätze und Ergänzungen]

54. Alte Geissen lecken auch gerne, sagte der Heiri von Uri, als der Abt die Aebtissin küsste.Klosterspiegel, 73, 4.


55. En âl Gess frist ôch noch gär e grön Blättche. (Bedburg.)


56. Eine alte Geiss frisst sauber auf.

It.: Capra vecchia bene sbrocca. (Giani, 299.)


[1317] 57. Jang Gessten un âl böck gevve mieh Zöckeln als glöck. (Bedburg.)


58. Wer die Geiss an einen Kohlstrunk bindet, behält die Geiss, wenn er den Strick auch verliert.Altmann VI, 416.


*59. Der Geiss an den Kragen greiffen.Luther's Tischr., 384b.


*60. Er lauft der Geis nach, wenn s' ein blaues Fürtuch (Schürze) umhett. (Rott-Thal.)

Der Verliebte.


*61. Um der Geissen Bart streiten.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867.
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