[364⇒] Pathognōmik (grch.), die Kunst, Krankheiten, insbes. aus den Veränderungen der Gesichtszüge (pathognomische Zeichen) zu erkennen. [⇐364]
[850⇒] Physiognōmik (griech.), die Kunst, aus der Bildung der äußern Körperteile, besonders des Gesichts (Physiognomie), auf die seelischen Eigenschaften eines Menschen zu schließen. Schon im Altertum scheint man diese Kunst geübt und geschätzt zu haben; Pythagoras, Sokrates, Platon legten besondern Wert darauf, und Aristoteles gilt als Verfasser einer ausführlichen Abhandlung über P., in der ebenso wie in Baptista Portas »Humana Physiognomia« die Vergleichung der menschlichen mit tierischen Zügen empfohlen und der Grundsatz aufgestellt wird, daß ein in seiner Gesichtsbildung an einen Löwen, Fuchs, Raubvogel etc. erinnernder Mensch auch ihren Charakter besitze. Obschon diese Theorie mit den Beobachtungen des täglichen Lebens im augenscheinlichsten Widerspruch steht, hat sie doch bei den astrologischen und chiromantischen Zeichendeutern des Mittelalters und noch in neuerer Zeit, wie z. B. in den »Physiognomischen Studien« von Sophus Schack (a. d. Dän., 2. Aufl., Jena 1890), Anhänger und Nachahmer gefunden. Lavaters orakelhafte, mit großer Zuversichtlichkeit verkündete physiognomische Urteilssprüche machten seinerzeit gewaltiges Aufsehen, obgleich Lichtenberg die hohle Phrasenhaftigkeit der Lavaterschen Offenbarungen und Behauptungen geißelte (»Fragment von Schwänzen«). Für Lavater waren nicht logische Gründe, sondern nur persönliche Gefühle und die Inspirationen seiner vermeintlichen physiognomischen Divinationsgabe maßgebend. Beweise und verständliche Grundsätze sucht man in seinem vierbändigen Werke »Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe« (Leipz. 177578) vergeblich. Auch die Gallsche Schädellehre hat den anfänglich von ihr erwarteten Nutzen für die P. nicht gehabt, da die Hypothese besonderer Sitze und Schädelausbuchtungen für Leidenschaften und Charakteranlagen sich als wissenschaftlich unhaltbar herausgestellt hat (vgl. Schädellehre). Erst nachdem Sir Charles Bell (»Anatomy of expression«, 1806) und Gratiolet (1865) die Anatomie und Mechanik des Gesichtsausdrucks dargelegt hatten, war eine Vertiefung des Problems möglich. Th. Piderit zeigte, daß man brauchbare physiognomische Merkmale nicht an den Knochenformen, sondern nur an denjenigen Gesichtsteilen zu finden erwarten darf, die unter dem Einfluß der Seelentätigkeit stehen, d.h. an den beweglichen Muskeln. Mimische, durch Leidenschaften und Stimmungen hervorgerufene Züge werden durch häufige Wiederholung allmählich zu bleibenden physiognomischen Zügen, und ein physiognomischer Zug ist anzusehen als ein habituell gewordener mimischer Zug. Von diesem Prinzip ausgehend, versuchte Piderit ein mit logischer Konsequenz durchgeführtes System rationeller P. zu begründen. Ursprung und Bedeutung der einzelnen physiognomischen Züge an Augen, Mund, Nase etc. wurden eingehend nachgewiesen und durch instruktive schematische Zeichnungen veranschaulicht (s. Mimik). Aber auch diese durch Muskelspannung hervorgerufenen physiognomischen Züge können täuschen und zu falschen Schlüssen verleiten, da nicht allein durch häufig wiederholte Gemütsbewegungen, sondern auch durch mancherlei andre Ursachen (Krankheiten, Art der Lebensbeschäftigung etc.) der physiognomische Ausdruck beeinflußt und verändert werden kann; als zuverlässigstes Hilfsmittel [⇐850][851⇒] der P. empfiehlt sich deshalb die aufmerksame Beobachtung des Mienenspiels, das theoretische und praktische Studium der Mimik. Vgl. Camper, Über den natürlichen Unterschied der Gesichtszüge (a. d. Holländ., Berl. 1792); Carus, Symbolik der menschlichen Gestalt (2. Aufl., Leipz. 1858); Reich, Die Gestalt des Menschen und deren Beziehungen zum Seelenleben (Heidelb. 1878); Darwin, Über den Ausdruck der Gemütsbewegung bei Menschen und Tieren (deutsch, 4. Aufl., Stuttg. 1884); Duchenne, Physiologie der Bewegungen (deutsch, Leipz. 1885); Piderit, Mimik und P. (2. Aufl., Detmold 1886); Mantegazza, P. und Mimik (deutsch, Leipz. 1890. 2 Bde.); Skraup, Katechismus der Mimik (das. 1892); Ledos, Traité de la physiognomie humaine (Par. 1894); Borée, Physiognomische Studien (deutsche Ausg., Stuttg. 1900; 119 Autotypien); Geßmann, Katechismus der Gesichtslesekunst (Berl. 1896). Über pathologische P. (Pathognomik), d.h. die Beurteilung psychischer oder somatischer Krankheiten aus den Gesichtszügen und andern äußern Merkmalen des Patienten, vgl. Baumgärtner, Krankenphysiognomik (2. Aufl., Stuttg. 184143, mit Atlas), und Morison, P. der Geisteskrankheiten (a. d. Engl., Leipz. 1853). [⇐851]
[502⇒] Pathognōmik (griech.), die Kunst, die Gemütsbewegungen aus den Veränderungen des Körpers, hauptsächlich der Gesichtszüge, zu erkennen (vgl. Physiognomik); auch die Lehre von den Zeichen und der richtigen Beurteilung der Krankheiten. Eindeutige pathognomische oder pathognostische Zeichen kommen nur einer ganz bestimmten Krankheit zu; ein blauschwarzer Rand an der Zahnfleischgrenze ist z. B. ein pathognomisches Zeichen für Bleikrankheit. [⇐502]
[442⇒] Physiognomik (gr. physognômonikê sc. sophia, v. physis = Natur, gnômikê sc. sophia = Erkenntnis) heißt die Kunst, aus den Gesichtszügen eines Menschen einen Schluß auf seinen Charakter zu machen. Die ersten Versuche der Physiognomik fallen ins Altertum. Im Mittelalter beschäftigten sich Albertus Magnus, Battista della Porta und Campanella mit Physiognomik; doch erst Lavater trat 1775 mit großen Ansprüchen an diese vorgebliche Wissenschaft heran. G. Chr. Lichtenberg verspottete ihn 1778, Gall bildete die Physiognomik zur Phrenologie um. – Die Voraussetzung der Physiognomik, daß das Geistige im Körperlichen zum Ausdruck komme, glaubte man schon an der Tierwelt erkennen zu können: dem Löwen legte man nach seinen Zügen Stärke und Großmut, dem Fuchs Verschlagenheit, dem Wolf räuberische Wildheit bei, und Battista della Porta († 1615) verglich gewisse Menschengesichter mit Tierköpfen. Auch wird man kaum bestreiten, daß es kluge und dumme, verschmitzte und offene Gesichter gibt, daß die Gefühle, Neigungen, Denkweisen, Affekte und Leidenschaften stets in der Physiognomie irgendwie ausgeprägt werden. Dazu aber, um die Physiognomik [⇐442][443⇒] zu einer Wissenschaft zu erheben, gehört, wie Lichtenberg zuerst erkannte, das Studium der an die Affekte geknüpften Ausdrucksbewegungen (s. d.). Dies Ziel haben J. J. Engel (Ideen zu einer Mimik. 2 Teile. Berlin 1785-1786), Charles Bell (Essays on anatomy of expression. 1806), Huschke (Mimices et physiognomices fragmenta. 1821), Harless (Lehrbuch der plastischen Anatomie), Piderit (System der Mimik und Physiognomik. 2. Aufl. 1886), Ch. Darwin (The expression of emotions. 1871) ins Auge gefaßt. Zuletzt hat Wundt (Grundz. d. phys. Psych. II S. 504 ff.) für die Ausdrucksbewegungen drei Prinzipien, das der direkten Innervationsveränderung, das der Assoziation analoger Empfindungen und das der Beziehung der Bewegung zu Sinnesvorstellungen, aufgestellt. Hiermit ist die Physiognomik auf wissenschaftliche Grundlage gestellt. Aber freilich fehlt noch viel daran, daß auch die letzten Erklärungsgründe für die Ausdrucksbewegungen gefunden und der Kausalnexus zwischen den einzelnen Seelenzuständen und den Einzelheiten des äußeren Habitus nachgewiesen wäre. Die Physiognomik ist also keineswegs eine vollendete und ausgebildete Wissenschaft, sondern nur eine werdende zu nennen. Vgl. Lavater, Physiogn. Fragmente. 1776. C. G. Carus, Symbolik der menschl. Gestalt. 1863. Mehring, Philos. krit. Gesch. der Selbsterkenntnis. III. 1857. [⇐443]
[120⇒] Physiognomik (physis, gnômikê): Lehre oder Kunde, aus der Physiognomie, dem Habitus der Gesichtszüge auf den Charakter, die geistige Eigenart eines Individuums zu schließen. Diese Kunst stützt sich auf die Beziehungen, die zwischen Gefühlen, Affecten und Ausdrucksbewegungen (s. d.) bestehen, und auf die Spuren, welche jene im Antlitze hinterlassen. Ansätze zur Physiognomik schon bei ARISTOTELES (Anal. pr. II, 28. De part. an. II, 7 squ.), [⇐120][121⇒] CICERO (De legib. I, 9), QUINTILIAN (Instit. orat. XI, 3), PLINIUS (Histor, natural. XI, 37), SENECA (De ira II, 35), GALENUS (Opp. 1561, I, 641 f.. IV, 12 f.), ALERTUS MAGNUS. Physiognomische Werke von: MICHAEL SAVONAROLA (Speculum physiogn.), J. B. PORTA (De humana physiogn. 1580. Physiognomia coelestis 1603), AL. ACHILLINI (De principiis physiogn. 1503), CAMPANELLA (De sensu rer. II, 31), GOCLEN (Physiogn. 1625), CLARAMONTIUS (De coniectando 1625), J. J. ENGEL (Id. zu ein. Mimik 1785/86), besonders LAVATER (Physiognom. Fragm. 1775/78), nach welchem Physiognomik die Fähigkeit ist, durch das Äußerliche des Menschen sein Inneres zu erkennen. Ähnlich G. E SCHULZE (Psych. Anthropol. S. 74). Ferner sind hier zu erwähnen C. G. CARUS (Symbol. d. menschl. Gestalt 1853), CH. BELL (Essays on anatomy of expression 1806), HUSCHKE (Mimices et physiognomices fragmenta 1821), DUCHENNE, GRATIOLET, LEMOINE, PIDERIT, CH. DARWIN, HUGHES u. a. Vgl. F. BACON (De dignit. II). MICHELET, Anthropol. u. Psychol. S. 216 ff.. L. DUMONT, Vergnüg. u. Schmerz S. 277 ff.. FÜLLEBORN, Abr. ein. Gesch. u. Litterat. d. Physiognom., Beitr. VIII, 1 ff. – Vgl. Ausdrucksbewegungen. [⇐121]
[81⇒] Pathognomik (pathos, gignôskô): Erkenntnis der Affecte, Leidenschaften aus den Spuren, welche sie im Organismus hinterlassen (vgl. G. E. SCHULZE, Psych. Anthropol. S. 74). [⇐81]
[110⇒] Physiognomik, 1) im Allgemeinen die Erkenntniß des Innern od. der geistigen Eigenheiten eines Menschen durch sein Äußeres, u. zwar sowohl Erkenntniß von Verstandeseigenheiten, als auch Erforschung von Neigungen u. herrschenden Gemüthsstimmungen. Die P. leitet daher in vielen Fällen ziemlich sicher, wobei jedoch schwer gewisse Regeln festzustellen sind u. die ja etwa aufzustellenden vielfachen Ausnahmen unterliegen. Es ist in dieser Beziehung auch P. auf Erkenntniß von Thiernaturen anwendbar, ja selbst auf Pflanzenerkenntniß ausgedehnt worden. In krankhaften Zuständen bekommt sie den Namen Pathognomik; 2) dieselbe Erkenntniß des Innern, insofern gewisse bleibende Ergebenheiten u. Züge der Gesichtsbildung die Andeutung geben. Vorübergehende Gefühle u. Leidenschaften, wie sie z.B. durch ein freudiges, trauriges, zorniges od. auch negativ durch ein gleichgültiges, ruhiges Gefühl etc. sich andeuten, sind davon ausgeschlossen. Schon in den ältesten Zeiten meinte man, daß es solche Andeutungen gebe, welche aber ein eigenes physiognomisches Studium voraussetzten. Schon Adamantos im 5. Jahrh. n.Chr. schrieb eine Schrift über P. Im 16. Jahrh. hat Baptist della Porta die P. wieder zur Sprache gebracht, indem er bes. auch Thierköpfe mit menschlichen Gesichtern verglich, auch Th. Campanella etc. Am meisten Aufsehen aber erregte Lavaters (s.d.) Werk, u. man glaubte eine Zeit lang ernstlich. daß durch selbiges eine Wissenschaft zur Menschenkenntniß begründet worden sei, sah aber bald ein, daß die P. in den Einzelheiten, welche er aufstellt, keinen Halt habe. Eine ganz abweichende Richtung hat das physiognomische Studium durch Galls Gehirn- u. Schädellehre (s. Phrenologie) erhalten. Vgl. Maaß, Ideen zu einer physiognomischen Anthropologie, Lpz. 1791; Sihler, Symbolik des Antlitzes, Berl. 1829; Carus, Symbolik der menschlichen Gestalt, Lpz. 1853. [⇐110]
[472⇒] Pathognomik, die Kunst, Krankheiten aus ihren Erscheinungen zu erkennen; Pathognomische Zeichen, diejenigen Erscheinungen od. Symptome einer Krankheit, welche dieser besonders eigen u. stets bei ihr zu finden sind, im Gegensatz zu andern Symptomen, die bald da sein, bald fehlen können. P. nennt man ferner auch die Kunst, aus dem veränderten Gesichtsausdruck die innern Veränderungen im Organismus zu erkennen. [⇐472]
[434⇒] Die Physiognomik, (a. d. Griech. – wirklich schrieb schon unter den Griechen Aristoteles darüber) ist die Kunst, aus den Grundzügen des menschlichen Körpers den bleibenden Charakter eines Menschen zu bestimmen. Man fällt oft überaus schiefe Urtheile über diese Wissenschaft, über welche noch lange geschrieben werden wird, ohne daß vielleicht je ein in seinen Theilen gegründetes System derselben erscheinen dürfte. Ein Hauptgrund dieser schwankenden Urtheile ist dieser, daß man die Physiognomik mit einer ihr verwandten aber von derselben verschiedenen, dabei aber doch weit sicherern Wissenschaft verwechselt; ich meine die Pathognomik, oder die Lehre von den Leidenschaften, welche aus den jedesmahligen Veränderungen der menschlichen Züge die jedes Mahl bei einem Menschen herrschende oder auch abwechselnde Leidenschaft oder Laune anzugeben bemüht ist. [⇐434]
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