Hiller

[337] Hiller, 1) Philipp Friedrich, Kirchenliederdichter, geb. 6. Jan. 1699 in Mühlhausen a. d. Enz, ward hier 1736 Pfarrer, 1748 in Steinheim bei Heidenheim, wo er 24. April 1769 starb. Eine vollständige Sammlung seiner (1079) geistlichen Lieder (»Geistliche Liederkästlein«, in vielen Ausgaben, zuletzt Reutling. 1902; Stuttg. 1892), die zwar pietistisch, aber frei von süßlicher Schwärmerei und in volkstümlichem Ton gehalten sind, veranstaltete Ehmann (Reutling. 1844).

2) Johann Adam, Komponist, geb. 25. Dez. 1728 zu Wendisch-Ossig in der Oberlausitz, gest. 16. Juni 1804, besuchte die Gymnasien in Görlitz und in Dresden (Kreuzschule), studierte 1751–54 in Leipzig die Rechte, wurde 1754 Hofmeister des jungen Grafen Brühl und begleitete denselben 1758 nach Leipzig, wo er dauernd blieb. 1763 rief er die durch den Siebenjährigen Krieg unterbrochenen Abonnementskonzerte wieder ins Leben, aus denen sich 1781 durch Gründung der Konzertgesellschaft die Gewandhauskonzerte entwickelten, deren erster Dirigent er war. Ein zweiter Ruhmestitel Hillers ist die Begründung des deutschen Singspiels 1765 mit der Operette »Der Teufel ist los, oder die verwandelten Weiber« (Text von Weiße), welcher schnell eine Reihe andrer folgten, von denen besonders »Die Liebe auf dem Lande«, »Die Jagd« und »Der Erntekranz« in ganz Deutschland beliebt wurden. Auch eröffnete er 1771 eine Singschule, aus der Künstlerinnen wie Corona Schröter und Gertrud Schmehling (Mara) hervorgegangen sind. 1789 übernahm er an Doles' Stelle das Kantorat der Thomasschule, dem er bis 1801 mit unermüdlichem Eifer seine Kräfte widmete. So bedeutsam die durch Hillers Singspiele gegebene Anregung für die fernere Entwickelung der Liedkomposition wurde, so haben doch Hillers außerhalb der Operette geschriebene Lieder an diesem Aufschwung keinen Anteil. Auch seine kirchlichen Kompositionen und Instrumentalwerke sind ohne Bedeutung. Dagegen hat er sich als Schriftsteller durch seine »Anweisung zum musikalisch richtigen Gesang« (1774), »Anweisung zum musikalisch zierlichen Gesang« (1780), seine »Wöchentlichen Nachrichten, die Musik betreffend« (1766–70, die erste Musikzeitung in Deutschland) und die »Lebensbeschreibungen berühmter Musikgelehrten und Tonkünstler« (1784) dauernde Verdienste erworben. Auch machte H. den Anfang mit der Ausführung des Händelschen »Messias« in Berlin (1786), Leipzig und Breslau. Sein »Choralbuch« war bis in die neuere Zeit in Sachsen im Gebrauch. 1832 errichteten ihm einige Schülerinnen ein Denkmal neben der Thomaskirche in Leipzig. Vgl. Peiser, Johann Adam H. (Leipz. 1894).

3) Johann, Freiherr von, österreich. General, geb. 10. Juni 1754 in Brody, gest. 5. Juni 1819 in Lemberg, diente seit 1770 in der österreichischen Infanterie und machte den Krieg gegen die Türken 1788 bis 1791, die Feldzüge gegen Frankreich 1792–97 und 1799–1801 in den Niederlanden, Italien und Deutschland mit. 1805 wurde er Feldmarschalleutnant. 1809 befehligte er ein Armeekorps im Heer des Erzherzogs Karl und zeichnete sich namentlich bei Aspern aus. 1813 befehligte er als Feldzeugmeister das Heer, das Österreich an den Grenzen Illyriens aufstellte, wurde im Dezember d. J. zur großen Armee[337] berufen, nach dem ersten Pariser Frieden kommandierender General in Siebenbürgen, dann in Galizien und starb als Generalfeldzeugmeister.

4) Ferdinand, Klavierspieler und Komponist, geb. 24. Okt. 1811 in Frankfurt a. M., gest. 10. Mai 1885 in Köln, empfing seinen ersten Musikunterricht von Aloys Schmitt (Klavier) und Vollweiler (Komposition), bildete sich von 1825 an unter Hummels Leitung in Weimar weiter aus, lebte 1828–35 in Paris im Umgang mit Berlioz, Meyerbeer, Chopin, Liszt u. a., bereiste dann Italien, wo er 1838 in Mailand seine Oper »Romilda« zur Ausführung brachte, lebte dann einige Zeit in Leipzig, wo der ihm befreundete Mendelssohn 1840 sein Oratorium »Die Zerstörung Jerusalems« ausführte, vertrat nach einer neuen italienischen Reise im Winter 1843, 44 Mendelssohn in der Direktion der Gewandhauskonzerte, zog dann nach Dresden, wo er Abonnementskonzerte ins Leben rief und seine Opern »Der Traum in der Christnacht« und »Concordia« (1847) ausführte. 1847 ging er als städtischer Kapellmeister nach Düsseldorf, 1850 aber in gleicher Eigenschaft nach Köln, wo er als Dirigent der Gürzenichkonzerte und Direktor des neubegründeten Konservatoriums zu hohem Ansehen gelangte und sein Leben beschloß. Weitere Opernversuche (»Der Advokat«, Köln 1854; »Die Katakomben«, Wiesbaden 1854; »Der Deserteur«, Köln 1865) verliefen resultatlos wie die frühern. Im Winter 1851/52 dirigierte er aushilfsweise in Paris die Italienische Oper. Als Komponist gehört H. in den Kreis des Mendelssohnschen Einflusses. Seine Oratorien (das zweite, »Saul«, folgte 1858) sind hochachtbar, aber ohne individuelle Eigenschaften, und ähnlich ist es um seine drei Symphonien, Ouvertüren, Kammermusikwerke, weltlichen Chorwerke (»Lorelei«, »Nal und Damajanti«, »Prometheus«, »Richard Löwenherz«) und auch seine Kirchenmusik bestellt. Wirklichen Erfolg hatten einige seiner Klavierwerke (Konzert Fis moll), doch haben auch diese sich verbraucht. Sehr verbreitet sind seine »Übungen zum Studium der Harmonie und des Kontrapunkts« (19. Aufl., Köln 1903). Unbedingte Anerkennung verdient H. als Musikschriftsteller; seine während einer Reihe von Jahren für die »Kölnische Zeitung« geschriebenen Kritiken sind als Muster ihrer Gattung zu betrachten, und dieselbe Meisterschaft kennzeichnet seine selbständig erschienenen Werke: »Aus dem Tonleben unsrer Zeit« (Leipz. 1868, 2 Bde.; neue Folge 1871); »Ludwig van Beethoven« (das. 1871); »Felix Mendelssohn-Bartholdy. Briefe und Erinnerungen« (Köln 1874, 2. Aufl. 1878); »Musikalisches und Persönliches« (Leipz. 1876); »Briefe an eine Ungenannte« (Köln 1877); »Künstlerleben« (das. 1880); »Goethes musikalisches Leben« (das. 1883) und »Erinnerungsblätter« (das. 1884).

5) Eduard, Philolog, Neffe des vorigen, geb. 14. April 1844 in Frankfurt a. M., gest. 7. März 1891 in Halle, studierte 1862–66 in Bonn und Göttingen, war Lehrer an der Kortegarnschen Erziehungsanstalt in Bonn, habilitierte sich 1869 daselbst und wurde 1874 ordentlicher Professor in Greifswald, 1876 in Halle. Seine Hauptschriften sind: »Eratosthenis carminum reliquiae« (Leipz. 1872); »Theonis Smyrnaei expositio rerum mathematicarum ad legendum Platonem utilium« (das. 1878); »Albii Tibulli elegiae« (das. 1885); »Beiträge zur Textgeschichte der griechischen Bukoliker« (das. 1888). Außerdem besorgte er die 3. Auflage von Fritzsches Theokrit (Leipz. 1881), die 4. Auflage des 2. und 3. Bandes von Bergks »Poetae lyrici graeci« (das. 1882) und die 4. Auflage von Bergks »Anthologia lyrica« (das. 1890).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 337-338.
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