Chaussée [1]

[888] Chaussée (spr. Schosseh), erhöhter, mit zerschlagenen Steinen u. Kies beschütteter Fahrdamm. Die Ch. soll die möglichst geringe Entfernung zwischen 2 gegebenen Punkten ausmachen; keine zu große Neigung gegen die wagerechte Ebene haben, damit Fuhrwerke nicht bedeutende Vorspann od. Hemmung brauchen, nämlich höchstens 3.- 5 Procent; sie soll so breit sein, daß sich wenigstens 2 sich begegnende Wagen bequem ausweichen können, also wenigstens 24_–30 Fuß; sie muß vor jeder Überschwemmung sichergestellt werden, also höher, als der bekannte höchste Wasserstand gebaut, od. durch zweckmäßige Strombaue vor Überschwemmung geschützt werden, was bes. durch Brücken u. Dämme geschieht. Da, wo diese u. überhaupt die [888] Erbauung einer zu allen Zeiten wasserfreien Straße zu kostspielig od. sonst unausführbar ist, läßt man die Überschwemmung nur an einer od. etlichen Stellen in geringer Ausdehnung u. Höhe stattfinden, u. bezeichnet die fahrbare, meist gepflasterte Straße durch weiße Steine od. sonstige Zeichen; den Abfluß des aus der Atmosphäre niedergeschlagenen Wassers bewirkt man durch das Längen-, mehr aber durch das Quergefälle; ferner durch die Seitengräben (Chausseegräben), welche auf 100 Fuß mindestens 11/2 Zoll Fall erhalten. Die Breite der Sohle dieser Gräben beträgt 2 Fuß, die an der Straßenseite liegende od. innere Böschung ist 11/2füßig, die äußere 1füßig; da, wo diese Gräben am tiefsten liegen, wird das Wasser entweder unter der Straße durch überwölbte Kanäle (Chausseebrücken), od. durch offene, gepflasterte Wasserbetten (Mulden, Überfälle), welche quer durch die Breite der Straße führen, abgeleitet. Der Chausseebau geschieht auf folgende Weise: Nachdem die Gegend, durch welche die Ch. führen soll, genau vermessen u. das Terrain nivellirt ist, wird die Chausseekarte angefertigt, auf welche der neue Straßenzug eingezeichnet wird, worauf die nöthigen Quer- u. Längenprofile nebst den erforderlichen Auffüllungen u. Abtragungen berechnet u. aufgezeichnet werden. Dieser Karte wird eine genaue Beschreibung beigefügt, welche die Menge des zu bewegenden Erdreiches in Cubikmaß, bei Auffüllungen u. Abtragungen die erforderliche Böschung od. etwa nöthige Stützmauern (Chausseemauern) angiebt, welche das Herabgleiten des Erdreiches verhindern. Überhaupt werden alle beim Baue vorkommenden Arbeiten dadurch verzeichnet, durch Detailzeichnungen erläutert u. die Berechnung der Baukosten angegeben. Der durch das aus den Gräben gewonnene Erdreich od. sonst ausgefüllte Grunddamm (Planum, Chausseedamm), der nach Bedürfniß 20–40 Fuß breit ist, wird nun folgendermaßen erbaut: Es werden von jeder Seite weg, 3–6 Fuß nach der Mitte zu, 2 Reihen großer Steine, Bord- od. Wandsteine, regelmäßig in das Planum gesetzt, zwischen welche bei von Steinen aufzuführenden Ch-n 3 Lagen Steine (Steinstraße) aufgeschüttet werden. Die erste (Packlage) wird von größeren, gespaltenen od. von selbst lagerhaften Steinen 3–6 Zoll hoch mit den breiten Steinen nach unten in Pflasterverband gesetzt u. fest eingeschlagen; hierauf wird die 2. Lage von zerschlagenen Steinen 3–4 Zoll hoch geworfen u. nach der Wölbung der Ch. verbreitet. Die 3. Lage muß wenigstens 4–6 Zoll betragen u. aus den festesten, aber bis zur Größe eines Taubeneies zerschlagenen Steinen bestehen. Über diese Lage wird eine 3 Zoll dicke Lage reinen Kieses geschüttet, das ganze Werk nach der Lehre gerammt od. mit einer Walze geebnet. Sämmtliche Lagen betragen in der Mitte 11/2–2 Fuß, an den Bordsteinen 9 Zoll. Die 3–6 Fuß breiten Räume (Bankets) zwischen den Bordsteinen u. dem Graben dienen dem Steindamme als Widerlagen u. als Fußwege; sie werden mit Kies überschüttet. Die Oberfläche der Ch. erhält nach beiden Gräben hin ein Gefälle (Quergefälle); 1/18 der Straßenbreite ist die zweckmäßigste Höhe für die Wölbung in der Mitte; nach der Länge erhält die Ch. nur da ein Gefälle (Längengefälle), wo das Terrain ganz eben ist; es beträgt mindestens 1/4 Zoll auf die Ruthe von 12 Fuß u. dient ebenfalls zur Ableitung des Wassers in den entstandenen Geleisen. In sandigen, trockenen Gegenden u. da, wo Steine mangeln, bedient man sich auch der wohlfeileren Kiesstraßen, welche zur Packlage Steine, wie die Steinstraßen, zur 2. Lage den gröbsten Kies u. zur 3. Kies mit Lehm vermischt erhalten. Zur Schonung der Ch., der Pferde u. Fuhrwerke werden zuweilen neben dem Steindamme besondere, nicht mit Steinen beworfene, ebenfalls 20 Fuß breite Sommerwege angelegt. Zwischen diesen, ebenfalls nach einer (flacheren) Wölbung aufgeschütteten Erd- u. Steinwegen muß eine Rinne gepflastert werden, welche das Wasser von beiden Wegen in die Hauptgräben führt. Gute Bruchsteine, Kiesel, Eisenschlacken, Abgänge von gebrannten Steinen, harte Tuffsteine, Flußsand sind zum Ch-bau am brauchbarsten, wogegen Sand- u. schieferartige od. blätterige, an der Oberfläche der Brüche gewonnene, mit zu viel erdigen Theilen vermischte Steine leicht zermalmt werden u. durch den Witterungswechsel auseinander fallen u. deshalb zum Ch-bau unbrauchbar sind. In Holland baut man Ch-n von gebrannten Ziegeln (Klinker-Ch-n). Man stellt nämlich die Klinker auf dem, wie bei anderen Kunststraßen gefertigten Straßendamme auf die hohe Kante in Sand u. giebt demselben eine flache Wölbung; dergleichen Straßen hat man auch in Ungarn, dem Banat u. anderen Theilen der österreichischen Monarchie, wo Mangel an Gestein zum Ch-bau ist, gebaut. In neueren Zeiten hat der Engländer Mac Adam (s.d.) Ch-n erbaut, zu welchen die Steinlagen aus lauter kleingeschlagenen, haselnußgroßen Steinen bestehen. Die Bauart ist übrigens eine gleiche, wie bei Steinstraßen, nur daß die Mac-Adamschen Ch-n eine geringere Wölbung haben, u. daß der Steinüberzug auf das feste planirte Terrain gelegt wird; Basalt u. zum Brennen zu hartes Steinkohlenerz ist das beste, Kalkstein aber das schlechteste Material zu solchen Ch-n. In den ersten Jahren nach Erbauung dieser Mac-Adamschen Ch-n müssen die Geleise sorgfältig mit Steinschutt ausgefüllt werden, erhalten dann aber einen hohen Grad von Festigkeit u. Dauer, indem sich der Steinüberzug zu einer festen Masse verbindet. Gepflasterte Ch-n (Steindämme), wie in Frankreich, am Rhein, zum Theil in Braunschweig u. Hannover, sind zwar sehr dauerhaft (die alten Römerstraßen waren solche), aber sehr unbequem u. kommen immer mehr außer Gebrauch. In Ländern, wo ein Expropriationsgesetz von der Regierung erlassen ist, kann jedes Grundstück durch eine Ch. gegen landesübliche Entschädigung durchschnitten werden; ebenso wird zur Unterhaltung der Ch. in vielen Ländern Chausseegeld erhoben, wozu besondere Gebäude (Chausseehäuser) in gewissen Entfernungen errichtet sind; in denselben befindet sich die Wohnung eines Chausseegeldeinnehmers nebst Bureaux; vor dem Ch-hause ist ein Schlagbaum angebracht, der zum Absperren der Ch. bes. Nacht dient (ein Gebrauch, der indeß in neuerer Zeit mehrfach abgekommen ist). In manchen Staaten, z. Be Frankreich u. England, ist das Ch-geld abgeschafft; in anderen, wie in Baiern, bezahlt man das Ch-geld nur an der Grenze einmal, u. Einheimische sind ganz frei; in noch anderen, wie in Belgien, wurde es nach dem Gewicht der Wagen, die auf eigene, vor den Ch-häusern befindliche Brückenwagen auffuhren u. gewogen wurden, bezahlt. In[889] allen deutschen Zollvereinsstaaten sind die Ch-gelder bedeutend geringer, als früher. Die specielle Aufsicht über die Ch. führen Chausseewärter, die zugleich Arbeiter an derselben sind; sie halten auf Handhabung der Ch-ordnungen, messen die gelieferten Baumaterialien, stellen sie in Haufen u. übernehmen sie, halten die Straße in Ordnung, bessern die Geleise aus, ziehen den Schlamm auf die Seite, besorgen Kiesüberschüttungen, stellen die Anpflanzungen her, säubern die Straße von hohem Schnee, stechen die Gräben aus etc. Die Ch-wärter haben gewöhnlich eine Straßenstrecke von 1–11/2 Wegstunden zu besorgen u. stehen unter dem Chausseebaumeister, welcher die Oberaufsicht über die Charbeiten zu leiten hat. Die Landesregierung entwirft auch Chausseeordnungen, die gewöhnlich das Gewicht, das ein Fuhrmann laden darf, bestimmen, das Geleise, welches ein Wagen haben muß, u. die Breite der Radfelgen (die 6zölligen Radfelgen zahlen entweder gar kein, od. nur sehr wenig Ch-geld, weil sie der Ch. nützen; in anderen Ländern sind schmale Radfelgen für Frachtfuhren untersagt) festsetzen, das Einhemmen an Orten, wo es nicht durchaus nöthig ist, verbieten, das Geleisehalten untersagen, das Ausweichen (meist rechts, nur in Österreich links) bestimmen, Strafen auf das Befahren der Fußstege etc. setzen. Vgl. Arnd, Der Straßen- u. Wegebau, Darmst. 2. A. 1831; Umpfenbach, Theorie des Neubaues etc. der Chausseen, Berl. 1830; Dietlein, Grundzüge über Straßen-, Brücken- u. Wasserbau, Berl. 1832; Pechmann, Anleitung zum Bau der Straßen, 2. A., Münch. 1835._– Die Ch-n sind sehr alt. Im Orient soll Semiramis die ersten angelegt haben; auch die Carthaginienser hatten dergleichen; auch in China sind man sehr alte, fest gebaute Ch-n. Die Griechen bei denen die Ch-n Ὁδοὶ σκυρωταὶ od. λιϑόστρωτοι hießen, bes. die Athener, bauten Straßen, bes. für heilige Züge bestimmte, z.B. die heilige Straße nach Eleusis, nach Delphi; man nahm dazu kleines Gestein aus den Steinbrüchen. Die Römer führten Ch-n (Viaeregiae, V. praetoriae, V. consulares, V. militares, Aggeres publici), bes. unter August, Vespasian u. Trajan, von Rom aus nach allen Theilen ihres Reiches, oft im schwierigsten Terrain. Sie waren in Meilen zu 8 Staolen getheilt u. diese durch Säulen bezeichnet, deren erste, Milliareaureum, von August errichtet, im Mittel von Rom stand. Ihre Erbauung war sehr sorgfältig; sie bestanden gewöhnlich aus einer, 1 Zoll. hohen Kalkmörtelschicht (Substratum), auf welcher eine 10 Zoll hohe Lage breite Steinplatten in Kalkmörtel (Statumen) lag; auf diese kam eine 2., 8–10 Zoll hohe Schicht aus kleinen, mit Mörtel vergossenen, eingestoßenen Kieselsteinen (Rudus) bestehend. Die 3. Lage (Nucleus) bestand aus einem Cement von Kalk u. Ziegelmehl, auf welcher die letzte Schicht (Summumdorsum) von Kies aufgeschüttet od. mit behauenen Steinen gepflastert wurde. Sämmtliche Lagen waren 3–34 Fuß stark. An den Seiten der Straßen waren oft Stufen bildende Steine angebracht, durch welche das Auf- u. Absteigen von Wagen u. Pferden erleichtert wurde. Man findet die Überreste der Römerstraßen in fast allen Ländern des ehemaligen römischen Reiches, in Italien, Frankreich, Holland, Spanien, England, Deutschland. Im Mittelalter nahm sich der Orden der Brückenbrüder neben dem Brückenbau auch der Wegebesserung eifrig an. In neueren Zeiten fing man zuerst in den Niederlandenan, Ch-n anzulegen, dann in Spanien, England, Deutschland (in Schwaben zwischen Öttingen u. Nördlingen 1753 die erste), bes. aber in Frankreich, weshalb der französische Name Ch. auch allgemein eingeführt ist. In neuester Zeit sind jedoch die französischen Ch-n sehr hinter anderen zurückgeblieben. Ch-n sind in neuerer Zeit so gewöhnlich, daß selbst kleinere Städte u. Ortschaften durch dieselben verbunden sind.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 888-890.
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