Choiseul [1]

[67] Choiseul (spr. Schoafföl), alte französische Familie, welche ihren Ursprung von den Grafen von Langres ableitet u. sich seit dem 16. Jahrh. in 3 Linien theilte: A) Erste Linie: Choiseul-Beaupré, gestiftet von François Josephe Ch.- Beaupré, welcher Generalgouverneur von S. Domingo war u. von[67] seiner Gemahlin, einer geb. Gräfin Stainville, im letzten Viertel des 17. Jahrh., den Namen Choiseul-Stainville annahm; sein Enkel war der Staatsmann Herzog Etienne Franç. v. Ch-Amboise, s. Choiseul 4), für welchen die schon unter seinem Vater 1722 zum Marquisat erhobenen Besitzungen des Hauses zum Herzogthum Ch. erhoben wurden. B) Zweite Linie, 1593 gegründet, bestand in 3 Nebenlinien: a) Choiseul-Gouffier, gestiftet von Choiseul 6); b) Choiseul-Daillecourt: c) Choiseul-Stainville, welche 1785 die Herzogswürde von der Ersten Linie erbte, aber 1838 erlosch; C) Dritte Linie: Choiseul-Praslin, s. Choiseul 1) u. 2); als die Marquis von Ch.-Praslin ausstarben, kam Praslin an die Grafen von Chevigny, welche auch zu dem Hause Ch. gehörten u. seit 1479 eine besondere Linie bildeten, u. wurden 1762 zum Herzogthum erhoben, s. Praslin. Merkwürdig sind: 1) Charles, Comtede Ch. du Pless-Praslin, zeichnete sich 1575 bei der Belagerung von la Fère, 1589 bei der von Paris u. 1592 in der Schlacht von Aumale aus; ward Gardecapitän, 1610 Großmeister u. 1619 Marschall von Frankreich; 1621 u. 1622 war er mit im Kriege gegen die Hugenotten u. st. 1626; 2) César, Comtede Ch. du Plessis-Praslin, Neffe des Vor., geb. 1598, wurde früh Soldat, 1641 General en chef in Italien u. 1645 Marschall, befehligte hierauf in Savoyen u. Catalonien mit Glück, unternahm 1646 mit Mailleroi einen Zug gegen Rom, wo er den Papst zwang, sich an Frankreich anzuschließen, führte 1648 das Commando in Oberitalien, schlug die Spanier bei Trancheron, befehligte dann gegen die Fronte bei Paris, beruhigte 1650 Bordeaux durch Unterhandlungen, schlug Turenne u. bewirkte die Zurückberufung des in Ungnade gefallenen Mazarin. Von da an war er im Cabinet u. mit Unterhandlungen thätig, wurde 1665 Herzog u. Pair u. st. 1675 in Paris. Seine Memoiren (von 1628 bis 1671), Par. 1676; 3) Claude Ch., Comte de Ch.-Francières, geb. 1632; wurde 1649 Soldat, focht bei Vitry sur Seine, 1664 in Ungarn gegen die Türken, trug viel zum Gewinn der Schlacht vom St. Gotthard bei, war bei der Belagerung von Candia, diente dann in Flandern unter Condé u. Turenne, wurde 1676 Generallieutenant, befehligte 1689 die Truppen des Kurfürsten von Köln, wurde 1693 Marschall u. st. 1711; 4) Etienne François, Ducde Ch. Amboise, geb. 1719 u. hieß früher Stainville; wurde früh Soldat, 1743 Oberst, 1748 Maréchal de Camp u. 1749 Generallieutenant; 1756 Gesandter in Rom u. seit 1757 in Wien, brachte er die Allianz zwischen Österreich u. Frankreich zu Stande. Anfangs war die Pompadour, welche er durch ein Witzwort beleidigt hatte, seine Feindin, als er aber das Verhältniß seiner Base zu Ludwig XV. gelöst hatte u. die Pompadour deren Stelle einnahm, wurde diese seine Gönnerin, u. er wurde durch sie 1758 zum Minister, Herzog u. Pair erhoben; 1761 übernahmer das Kriegsministerium, um den Krieg gegen Preußen desto eifriger zu betreiben, vertrieb die Jesuiten, schloß einen Familienvertrag der Bourbonischen Höfe, eroberte Corsica, organisirte nach dem Frieden die französische Armee neu u. auf preußischen Fuß, legte Artillerie- u. Ingenieurschulen an, wendete große Summen auf Befestigung der Colonien u. schuf eine neue Flotte (64 Linienschiffe, 50 Fregatten). 1766 wurde er wieder Minister des Auswärtigen, aber durch die Intriguen der Dubarry, welche ohne sein Wissen des Königs Mätresse nach der Pompadour u. am Hofe eingeführt worden war, ward er 1770 seines Amtes entlassen u. nach seinem Landgute Chanteloup verwiesen. Nach dem Tode Ludwigs XV. 1771 kehrte Ch. an den Hof zurück, ohne jedoch wieder ins Ministerium zu treten; er st. 1785 tief verschuldet. Lebensbeschreibung von K. v. Schözer, Berl. 1848; 5) Louise Honorine Crozat du Chatelde Ch., Gemahlin des Vor., höchst wohlthätig, u. obgleich von ihrem Gemahl von Tisch u. Bett getrennt, trat sie doch ihre Rente von 400,000 Francs dessen Gläubigern ab, lebte fast dürftig in einem Kloster, u. als dies aufgehoben wurde, von der Revolution verschont in Paris u. st. dort 1801; 6) Marie Gabriel Auguste Florens Comte de Ch.-Gouffier, geb. 1752; unternahm 1776 eine Reise nach Griechenland u. Asien u. gab nach seiner Rückkehr die Resultate seiner Entdeckungen heraus; 1784 wurde er Gesandter bei der Pforte u. blieb es auch zu Anfang der Revolution. Seine Correspondenz mit den Brüdern Ludwigs XVI. fiel der republikanischen Armee 1793 beim Rückzug aus der Champagne in die Hände; er entging aber der Verhaftung durch Entfernung von Constantinopel, ging 1800 nach Petersburg, mußte aber wegen seines vertrauten Verhältnisses mit dem Grafen Cobentzl Rußland wieder verlassen; 1802 kehrte er nach Frankreich zurück, wurde später von Ludwig XVIII. zum Pair von Frankreich ernannt u. st. 1817 io Aachen. Er schr.: Voyage pittoresq ue de la Grèce, Par. 1782, n. Aufl. von Müller u. Hase, 1841, 3 Bde.; Mémoire sur l'Hippodrome d'Olympie, sur l'origene du Bosporus thracicus u. Dissertation sur Homére; 7) Herzog v. Ch.-Praslin, war Kammerherr der Kaiserin u. 1814 Oberst der Nationalgarde, in den 100 Tagen wurde er Pair, aber von der Restauration verbannt; 1819 nach Paris zurückgekehrt st. er 1841. Seine Gemahlin war eine geb. Tonnelier de Breteuil; 8) Charles Laure Hugo Theobald Herzog v. Ch.-Praslin, Sohn des Vor., geb. 1803 (1804), Ehrencavalier der Herzogin v. Orleans u. seit 1845 Pair; er war seit 1825 vermählt mit einer Tochter des Marschalls Sebastiani, die am 18. August 1847 in ihrem Hause, in der Rue du Faubourg St. Honoré, ermordet gefunden wurde. Es fiel bald der Verdacht auf den Herzog selbst, da er wegen eines Verhältnisses mit Miß Luzy, der Gouvernante seiner Kinder, mit seiner Gemahlin lange in Zwietracht gelebt u. die Rückkehr der entfernten Miß in das Haus dringend, aber vergebens, verlangt hatte. Am 21. Aug. wurde der Herzog deshalb nach dem Luxembourg abgeführt, wo er den 24. Aug., in Folge genommenen Giftes, starb. Über die Schuld des Herzogs war kein Zweifel.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 67-68.
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