Hadriānus

[836] Hadriānus. I. Römischer Kaiser: 1) Publius Älius H., Sohn des Älius Afer, eines Verwandten des Kaisers Trajanus, u. einer vornehmen Spanier, Domitia Paulina, geb. 24. Januar 76 n. Chr. in Rom, beschäftigte sich in seiner Jugend eifrig mit den Wissenschaften, lernte aber weniger viel als Vielerlei u. trat bald in Staatsdienste; diente unter Nerva in Mösien u. kam dann in große Gunst bei Kaiser Trajanus, dessen Verwandte Plotina er heirathete u. den er seit 101 in den Dacischen Kriegen begleitete; 106 wurde er Statthalter von Pannonien u. folgte durch ein von seiner Gemahlin untergeschobenes Testament 117 dem Trajanus als Kaiser. Er lebte einfach, nahm sich der Regierung eifrig an, ließ eine Gesetzsammlung veranstalten (Hadriani edictum, Edictum perpetuum), hörte den Senat in allen Verwaltungsfragen, war freigebig gegen das Volk, hielt die Gesetze energisch aufrecht, verschönerte Rom durch Bauten, u.a. eine Bibliothek u. sein berühmtes Grabmal (Hadriani moles, die jetzige Engelsburg, s.u. Rom); südlich von Tibur hatte er sein prächtiges Landgut (Hadriani villa), mit Lyceum, Akademie, dem Thal Tempe u. anderen reizenden Gartenanlagen (davon[836] noch jetzt Überbleibsel); in Jerusalem ließ er an der Stelle des Salomonischen Tempels einen Jupitertempel bauen, wodurch er eine Empörung der Juden hervorrief. Kriege führte er, außer 120 gegen die Sarmaten, nicht, dagegen bereiste er das ganze Römische Reich, um die Zustände kennen zu lernen u. Übelständen abzuhelfen; er st. 138, u. da er keine Kinder hatte, so folgte ihm sein Adoptivsohn Antoninus Pius. Lebensbeschreibung von Spartianus in der Historia augusta.

II. Päpste: 2) H. I., Sohn des Theodulus, Consuls in Rom, war Diakon in Rom u. folgte 772 auf Stephan III. als Papst; er rief 774 Karl den Großen gegen die Longobarden zu Hülfe u. erhielt von diesem König außer der Bestätigung der Pipinschen Schenkung auch noch die Gebiete von Ancona u. Benevent, wogegen er jenen den Codex canonum 774 zur Einführung in der Fränkischen Kirche schenkte, mußte aber doch auf der Synode von Frankfurt 794 erfahren, daß der König die von ihm gebilligte Bilderverehrung verwarf; er st. 795. 3) H. II., ein Römer, wurde 867 nach Nikolaus I. zum Papst gewählt u. regierte ganz in dem anmaßlichen Geiste seines Vorgängers, erfuhr jedoch die Demüthigung, daß, als er sich in die fränkischen Reichs- u. Kirchenstreitigkeiten unter Karl dem Kahlen mischte u. sich für Ludwig II. erklärte, dieser König ihm durch den Erzbischof Hincmar von Rheims sein unpassendes Verfahren nachdrücklich vorhalten u. abweisen ließ. In der Streitigkeit der Griechischen Kirche zwischen Photius u. Ignatius wurde er zum Schiedsrichter ernannt, u. indem er sich für Letzteren erklärte, legte er den Grund zu dem großen Schisma. Unter ihm wurde 868 auf dem Concil zu Worms die Ehe der Geistlichen verboten u. für das Klosterleben bestimmt, daß als Kinder in ein Kloster getretene Personen dasselbe nicht wieder verlassen dürften; er st. 872. 4) H. III, ein Römer, folgte 884 auf Marinus, st. aber schon 885 im Modenesischen, auf der Reise nach Worms begriffen, wohin ihn Karl der Dicke eingeladen hatte, um ihm bei der widerrechtlichen Einsetzung seines natürlichen Sohnes Bernhard zum Erben seines Reiches behülflich zu sein. 5) H. IV., ein Engländer, hieß eigentlich Nikolaus Breakspeare, war erst Abt von St. Rufus in der Dauphine, dann Cardinalbischof von Albano u. bestieg 1154, nach Anastasius IV., den Päpstlichen Stuhl; er hatte zunächst seine Noth mit Arnold von Brescia (s.d.), doch lieferte denselben der Kaiser Friedrich I. an ihn aus; darauf aber kam es zu einer Spannung zwischen dem Kaiser u. H., da der Letztere dem König Wilhelm von Sicilien seine eroberten Länder in Lehn gegeben hatte, u. brach in völlige Feindschaft aus, als der Papst sich rühmte, daß ihm der Kaiser die Krone u. Beneficien verdanke; als die deutschen Bischöfe sich aber energisch dagegen aussprachen, lenkte der Papst ein u. gab eine befriedigende Erklärung, gleichwohl kam es zwischen Friedrich u. H. zu neuen Streitigkeiten über das Recht der Beleihung mit weltlichen Gütern, u. eben war G. im Begriff, den Kaiser in den Bann zu erklären, als er am 1. Sept. 1159 in Anagni starb. 6) H. V., aus Genua, hieß Ottoboni Fiesco u. wurde nach Innocenz V. den 11. Juli 1276 zum Papst gewählt, st. aber bereits 16. August in Viterbo vor seiner Krönung. 7) H. VI., geb. 1459 in Utrecht od. in Amsterdam von niedrigen Eltern, wurde Professor zu Löwen u. Lehrer des Kaisers Karl V., 1517 Cardinal, 1519 Bischof von Tortosa u. 9. Januar 1522 nach Leo X. Papst, ein gelehrter, frommer u. moralischer Mann, besaß aber nicht Charakterfestigkeit u. Energie genug, um die von ihm als nothwendig erkannte Reformation der Kirche durchzuführen; da er dieselbe nur als in der Abstellung äußerlicher Mißbräuche für geboten erachtete, so namentlich der Simonie, des Nepotismus, des Mißbrauchs mit dem Ablaß u. dgl., so fand er gerade deshalb bei seiner Umgebung den meisten Widerstand. Auf dem Reichstage zu Nürnberg, 1522–23, wohin er den Bischof Chierogati sendete, kam er bei beiden Parteien in Mißcredit, bei der Katholischen, weil er das Verderben der Kirche eingestanden hatte, bei der Evangelischen, daß er die Reformation u. das dazu geforderte allgemeine Concil auf unbestimmte Zeit hinausschob; dazu kam, daß der Kaiser Karl V. den Papst mißachtete, als derselbe Schiedsrichter zwischen ihm u. Frankreich sein sollte. H. st. aus Schmerz über diese Erfahrung 14. September 1523. Er schr.: Comment. in librum sententiarum, Rom 1532; vgl. Burmann, Analecta historica de Hadriano VI., Utr. 1727; Danz, Analecta critica de H. VI., Jena 1814.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 836-837.
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