[343] Hetärīa (gr.), 1) Verbindung Mehrerer zu einem Zwecke, Genossenschaft; als deren Beschützer galt Zeus, daher dessen Beiname Hetärīos, dem daher in Magnesia das Fest der Hetäridīa gefeiert wurde; 2) in Kreta die geschlossenen Tischgesellschaften, bei welchen nur durch einstimmige, freie Wahl neue Mitglieder aufgenommen wurden, s. Kreta (Aut.); 3) in den griechischen Demokratien geheime, unter einem Oberhaupt (Hetäriarches, Hetäriarchos) stehende Verbindung der Vornehmen, um sich gegen den übermächtigen Einfluß des Volkes zu schützen, Anfangs mehr zur Unterstützung bei Bewerbungen um Ämter, bei Processen etc., dann aber auch, um dem Demos entgegenzuwirken; sie verzweigten sich von Staat zu Staat u. standen im engen Zusammenhange, so in Athen u. Sparta, u. beförderten das Aufkommen der 30 Tyrannen nach dem Peloponnesischen Kriege in Athen. Die Wirksamkeit der aristokratischen H-n rief, um ein Gegengewicht dagegen zu haben, auch solche Verbindung unter der Gegenpartei hervor, deren gegenseitige Eifersucht u. Reibung die äußeren Feinde benutzten u. den griechischen Republiken den Untergang brachten; 4) in neuerer Zeit kommt eine solche geheime Verbindung zu politischen Zwecken namentlich in der Geschichte Griechenlands als eine der äußeren Hauptursachen des griechischen Aufstandes von 1821 vor. Schon gegen Ende des 18. Jahrh. hatte der Thessalier Konst. Rhigas (s.d.) eine Vereinigung gleichgesinnter Patrioten zur Befreiung Griechenlands vom türkischen Joch unter dem Namen Φιλικὴ ἑταιρεία begründet, u. er rechnete bei Ausführung seines geheimen Planes auf die Mitwirkung Napoleon Bonaparte's, mit dem er deshalb während dessen italienischen Feldzugs 1797 in nähere Beziehungen getreten war. Der Tod des Rhigas im Mai 1798 verhinderte alles Weitere, aber die von demselben gestiftete H. scheint nicht ganz erloschen zu sein, sondern, wenigstens in gewissen Elementen des geheimen Bundes, wennschon ohne bestimmten Mittelpunkt, auch später noch fortbestanden zu haben. Auf dieser Grundlage bildete sich 1814, 1815 od. 1817 eine neue politische H., welche ihren Hauptsitz jedenfalls in Rußland hatte; der Zweck derselben war die polirische Unabhängigkeit Griechenlands, die sie vorbereiten u. einleiten sollte, u. für welche die Gesellschaft auf jede mögliche Weise, mittelbar u. unmittelbar, durch Vereinigung patriotischer Männer, durch Erweckung patriotischer u. nationaler Gesinnungen, durch Beförderung des Volksunterrichts u. der Volksbildung thätig war. Bes. suchte sie die unabhängigen Klephten u. die Armatolen (s.d.), Emissäre (Ἀπόστολοι) für ihre Zwecke zu gewinnen u. außerdem in ganz Griechenland u. wo Griechen wohnten, der einflußreichsten Männer des Volks sich zu versichern. Die H. hatte ihre bestimmten Grundgesetze, nach welchen nur Griechen Mitglieder sein u. diese keiner anderen geheimen Gesellschaft angehören durften. Sie zerfiel in mehrere Klassen u. das Ganze war in den Händen einer obersten Leitung (Ἀρχή), die wohl auch in Rußland ihren Sitz hatte u. bei welcher sich wohl auch die Nationalkasse befand, in welche die Geldbeiträge der Mitglieder flossen. Der Aufnahme eines Jeden ging in der Regel eine genaue Prüfung seines Lebenswandels, seiner Gesinnungen u. seiner Vermögensverhältnisse voraus, u. bei der Aufnahme selbst wurde von ihm ein, mehrere Punkte umfassender, edle Frömmigkeit u. Liebe für Freiheit u. Vaterland athmender Eidschwur verlangt. Nachdem sich die H. über die gesammte Europäische Türkei verbreitet, namentlich auf dem griechischen Festlande (Thessalien, Epirus etc.) u. den Ionischen Inseln festen Fuß gefaßt u. selbst unter den Griechen in Constantinopel Mitglieder gewonnen hatte, begann sie um 1818 ihre Pläne eifriger zu betreiben, u. die oberste Leitung suchte daher zu deren Ausführung einen Anführer zu finden. Wie die Begründer u. Leiter der H. schon früher eine Unterstützung ihrer Pläne Seiten Rußlands vorgegeben hatten, u. damit die Entstehung des Bundes in Verbindung stand, so suchten sie einer solchen Voraussetzung u. der bestimmten Aussicht auf russische Hülfe auch ferner Eingang zu verschaffen u. sie immer fester zu begründen. Nachdem jedoch der Graf Kapodistrias, welcher im russischen Ministerium angestellt war u. welcher einer gewaltsamen Erhebung des griechischen Volks u. den diesfallsigen Plänen der H. von jeher entgegen gewesen war, die Wahl abgelehnt hatte, wurde der Fürst Alexander Ypsilantis (s.d.), welcher als Generalmajor in russischen Militärdiensten stand u. sogar Adjutant des Kaisers Alexander war, von der obersten Leitung der H. zum Anführer der Griechen ernannt u. nahm, angeblich mit Genehmigung des Kaisers, die Wahl an. Hierauf erfolgte der Ausbruch der Griechischen Revolution theils in den Donaufürstenthümern (Febr. 1821), theils im Peloponnes (25. März 1821), u. obgleich er weder hier noch dort gehörig vorbereitet, vielmehr durch innere u. äußere Umstände unzeitig beschleunigt worden war, auch der Kampf in den Donaufürstenthümern bereits im Sommer 1821 sein Ende erreicht hatte, gewann er doch im eigentlichen Griechenland selbst immer mehr festen Boden u. weitere Ausdehnung (s.u. Griechischer Freiheitskampf II.). Die H. löste sich in dessen Folge auf, aber die Partei der Hetäristen, wie die Mitglieder der H. genannt wurden, spielte während des Kampfes in Griechenland selbst, namentlich in einzelnen ihrer bes. hervorragenden u. einflußreichen Glieder, noch längere Zeit eine nicht unwichtige Rolle, wennschon nicht immer im Interesse des Volkes u. Landes. Vgl. Philemon, Δοκίμιον ἱστο-ρικὸν περὶ τῆς φιλικῆς ἑταιρίας, Nauplion 1834, u. Xanthos, Ἀπομνημονεύματα περὶ τῆς φιλικῆς ἑταιρίας, Athen 1845. Neben der politischen H. des Rhigas u. der späteren H. werden unter den Griechen bereits seit dem Anfange des 19. Jahrh. auch [343] wissenschaftliche H-n, theils in Rußland, theils in der Walachei u. Griechenland (z.B. in Athen) erwähnt. Namentlich entstand eine solche, neu od. wenigstens mit ausgedehnteren Zwecken u. Mitteln, in Wien zur Zeit des Congresses, deren Stiftung dem Grafen Johann Kapodistrias zugeschrieben wurde. Alle diese Gesellschaften bezweckten die Sorge für den Unterricht des griechischen Volkes, die Leitung dieses Unterrichts, die Errichtung von Schulen in Griechenland, die Gründung von Zeitschriften zur Verbreitung der Bildung u. Aufklärung u. zur Förderung der Moral u. Religion, so wie die Herbeischaffung eines Fonds zur Aufgrabung u. Erhaltung der Alterthümer, zur Anlegung einer Bibliothek u. eines Museums (in Athen), zur Herausgabe der griechischen Klassiker in den Urschriften. u. in Übersetzungen u. die Unterstützung einzelner Griechen auf europäischen Universitäten. Die in Wien gestiftete Φιλόμουσος ἑταιρεία (Εταιρεία φιλομούσων, Société des amis des Muses) nahm nach ihren Gesetzen Griechen u. Ausländer zu Mitgliedern auf; wer jährlich drei harte Piaster zahlte, wurde Mitglied; wer deren 20 u. mehr zahlte erhielt den TitelΕὐεργέτης (Wohlthäter), alle aber empfingen einen Ring mit dem alten attischen Obolos u. der Aufschrift: Φιλόμουσος Ἑταιρεία. Besonders bezweckte sie auch die Errichtung u. Leitung zweier Gymnasien in Athen u. in Miliä am Pelion in Thessalien. Indeß gerieth diese H. wohl kaum zu einer bes. segensreichen Wirksamkit u. durch den Ausbruch der Revolution 1821 selbst ms Stocken; aber sie wurde 1824 in Athen, das sich damals in den Händen der Griechen befand, mit den früheren Bestimmungen u. mit wesentlich den nämlichen, nur zum Theil erweiterten Zwecken erneuert, bis sie mit der Errichtung des Königreichs Griechenland (1833) wenigstens ihre eigentliche Bestimmung verlor. Vgl. über die politische u. die wissenschaftliche H.: Th. Kind, Beiträge zur besseren Kenntniß des neuen Griechenland, Neust. a. d. O. 1831. Übrigens gab es außer u. neben der obenerwähnten politischen H. auch noch andere geheime politische Gesellschaften unter den Griechen in Rußland, in den Donaufürstenthümern u. in Griechenland vor u. nach 1821; aber es ist von ihnen im Einzelnen noch weniger bekannt geworden, als von der obigen.
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