Pappenheim [2]

[632] Pappenheim (Geneal.). I. Der Name dieses uralten ritterbürtigen schwäbischen Geschlechts ist Calatin od. Calentin, welches zuerst in einer Urkunde von 914 vorkommt. P. schrieben sie sich von dem Orte Pappenheim in Franken. Treu hielten die Calatine an dem Salischen Kaiserhause u. den Hohenstaufen gegen die Guelfen. Der Marschall Heinrich von Calatin vollzog die Reichsacht an Otto von Wittelsbach u. erschlug denselben in Oberndorf, eroberte später Catana in Sicilien u. brachte mit Burggraf Friedrich von Nürnberg im Namen des Deutschen Reichs dem Grafen Rudolf von Habsburg seine Ernennung zum Kaiser. Zwei Großwürden des Reichs übten die P., für Sachsen die des Erbmarschalls, als welche sie eine eigene Kanzlei hielten, für sich selber die eines Reichs-, Forst- u. Jägermeisters im Nordgau. Erst 1618 ließen sie sich wegen der Landgrafschaft Stuhlingen in das Schwäbische Grafencollegium einführen u. seitdem schrieben sie sich Grafen u. Herren zu P. Die Besitzungen der Grafen P. kamen 1806 unter baierische Hoheit u. wurden 1815 mit Baiern vereinigt, die Grafen aber dafür durch einen Theil der Grafschaft Ottweiler entschädigt, welchen sie gegen Besitzungen im Innern Preußens vertauschten. Auch beschied ihnen die Wiener Congreßacte 9000 Seelen unter Preußens Hoheit in der Rheinprovinz, doch nahmen die Grafen statt derselben eine Aversionalsumme; 1818 bewilligte der König von Baiern dem jedesmaligen Senior der Familie als erblichem Reichsrath Sitz u. Stimme in der Versammlung der Reichsräthe, erklärte 1825 das Geschlecht P. als zum hohen Adel gehörig u. verlieh 1831 dem jedesmaligen Chef das Prädicat Erlaucht. Von den vier Linien des Hauses P., die im 15. Jahrh entstanden, erlosch die Gräfenthalsche u. Treutlinger sehr früh, die Altzheimsche (in einem protestantischen u. katholischen Zweige) 1808, nur die Algövische Linie (evangelisch) besteht noch. 1) Graf Gottfried Heinrich, geb. 1594 in Pappenheim, Chef der Treutlinger Linie seines Hauses, war gegenwärtig beim Mord Heinrichs IV. von Frankreich; 1614 wurde er katholisch u. 1615 Reichshofrath, dann trat er in Dienste des Königs Sigmund von Polen u. unterstützte den Pseudo-Demetrius auf seinem Zuge nach Rußland, 1620 focht er als Reiteroberst in der Schlacht am Weißen Berg vor Prag; 1623 ward er auf dem Reichstag zu Regensburg vom Kaiser zum Ritter geschlagen u. erhielt ein Kürassierregiment (die Pappenheimer); von 1623–25 führte er die spanische Cavallerie in der Lombardei u. dämpfte 1626 den österreichischen Bauernkrieg, welchen die blutige Gegenreformation seines Stiefvaters, des Grafen von Herbersdorf, hervorgerufen hatte. Er schrieb selbst die Geschichte dieses Krieges, für dessen Beendigung man ihm ein Marmordenkmal in der Pfarrkirche zu Gmünden setzte. Er entschied die Schlacht bei Lutter am Barenberg mit der kaiserlichen Cavallerie, hatte wesentlich Antheil an dem Sturm auf Magdeburg, deckte nach der Schlacht bei Breitenfeld 1631 den Rückzug u. wurde 6. Nov. 1632 bei Lützen tödtlich verwundet nach Leipzig gebracht, wo er 7. Novbr. starb. Mit seinem einzigen Sohn Wolf Adam, welcher 1647 in einem Zweikampf fiel, erlosch die Treutlinger Linie des Hauses P. 2) Graf Friedrich August, aus dem katholischen Zweige der Altzheimschen Linie des Hauses P., geb. 1703, entschied 1737 die Schlacht von Kollin durch den Angriff mit den altwürttembergischen Dragonern u. der sächsischen leichten Reiterei u. blieb hier. 3) Graf Karl, geb. 1771 in Pappenheim, trat 1786 in österreichische Dienste, wurde im Türkenkriege Wurmsers u. Bellegardes Adjutant, verwaltete bei der letzten Kaiserkrönung sein Reichsmarschallamt, focht in den drei Feldzügen der ersten Coalition gegen Frankreich, siegte am 30. Oct. 1793 in dem[632] Reitergefecht bei Chateau Cambresis, wurde 1794 bei Landrecy verwundet u. übte als der letzte P. die Hoheitsrechte bis 1805. 1809 trat er aus österreichischen Diensten in baierische über, wurde Generaladjutant des Kronprinzen, befehligte 1813 eine Infanteriebrigade, vertheidigte in der Schlacht von Hanau die Kinzigbrücke, nahm 1814 Theil an der Belagerung von Hüningen u. der Blockade von Schlettstadt u. ging darauf mit den Monarchen nach Paris, nach London u. zum Wiener Congreß. Nach dem Frieden war er mit Reorganisation der baierischen Armee beschäftigt u. wurde in der Folge häufig zu diplomatischen Sendungen verwendet, 1835 zum Inhaber der ersten Armeedivision u. 1840 zum Feldzeugmeister ernannt, erhielt 1852 als Chef das erste Chevauxlegersregiment verliehen u. st. am 26. Aug. 1853 auf seinem Gute Pappenheim. Er war vermählt mit Lucie, geb. Gräfin Hardenberg-Reventlow, Tochter des preußischen Staatskanzlers, die 1817 von ihm geschieden wurde (u. sich nachher mit dem Fürsten von Pückler-Muskau vermählte). Da er kinderlos starb, so ging die Standesherrschaft auf seinen Bruder, 5) Graf Albert, geb. 18. Juli 1777, pensionirten königl. baierischen General der Cavallerie, über; dieser war seit 1814 vermählt mit Gräfin Franzisca, geb. Freiin von Tänzl, u. st. 2. Juli 1860. Jetziger Chef der Familie ist: 6) Graf Ludwig, ältester Sohn des Vor., geb. 5. Decbr. 1815, königlich baierischer Major à la suite, erblicher Reichsrath u. seit 1854 vermählt mit Gräfin Anastasia, geb. Gräfin von Schlieffen. Sein Sohn ist Graf Maximilian, geb. 15. Febr. 1860.

II. Ein uraltes ritterschaftliches Geschlecht aus dem Paderbornschen, welches ursprünglich die Raven hieß u. sich frühzeitig in drei Hauptstämme, auf Schloß Canstein, auf Kochelnberg u. zu Liebenau, theilte, von denen die beiden ersteren später die Namen ihrer Burgen annahmen u. nur der Liebenauer den ursprünglichen Zunamen P. fortführte. Letzter zerfiel wieder in drei Linien, von denen nur die Stammensche Linie sich erhalten hat; ihr dermaliger Chef ist: Freiherr Alfons, Sohn des 1826 verstorbenen großherzoglich hessischen Generallieutenants u. bevollmächtigten Ministers am französischen Hofe Freiherrn August Wilhelm, geb. 1805, ist österreichischer Major in der Armee.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 632-633.
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