1. Wo der Bilwitz gemäht, braucht der Bauer nicht zu mähen.
*2. Da ist der Bilwitz gegangen.
Da der Bauer recht wohl wusste, dass das Gedeihen des Getreides nicht blos vom Pflügen, Eggen und Säen, sondern noch von etwas anderem abhing, so schrieb er diese Einwirkungen nicht der Witterung allein, sondern auch geistigen und geisterhaften Wesen zu, die bald einen günstigen, bald einen nachtheiligen Einfluss auf die Feldfrüchte äusserten. Am meisten fürchtete man in letzter Hinsicht den grauenhaften Bilwitz, der ausserordentlich mager ist, einen Rock mit sehr langen Schössen und einen kleinen dreieckigen Hut trägt, und immer seine knöchernen Hände in den Rocktaschen verbirgt. Entweder um Walpurgis oder um Johannis, wenn kein Mond am Himmel steht, schleicht er sich in der Mitternacht hinaus aufs Feld. Leise ist sein Gang, unhörbar sein Tritt. Bei dem Acker angelangt, den er zum Schauplatz seines unheimlichen Werkes erkoren, schnallt der Tückische den rechten Schuh ab, nimmt ihn unter den Arm und bindet an die grosse Zehe seines rechten Fusses eind kleine scharfe Sichel. So bewaffnet wandelt er nun kreuz und quer, oft in Schwankungen durch das von seiner vernichtenden Nähe schauernde Getreide und mäht schmale lange Gassen. Bis zum Morgen sind alle abgeschnittenen Halme verschwunden, sodass der Eigenthümer, wenn er sein Feld besucht, nur die trostlosen öden Gänge des frevelhaft geschändeten Ackers gewahrt. Den Bilwitzschnitter zu entdecken ist schwierig und gefährlich. In Thüringen hengt man zu diesem Behuf an dem Heiligkeits-Sonntage oder am Johannistage einen Spiegel um den Hals, setzt sich auf einen Hollunderstrauch und schaut nach allen Seiten um; die Nachforschung wird aber selten unternommen, weil sie todbringend verlaufen kann. Denn wenn der Forschende sich selbst zuerst im Spiegel erblickt, muss er sterben, nur wenn der Bilwitz sich im Spiegel des nach ihm Forschenden sieht, geht es an dessen Leben, das dann kein Jahr mehr währt. Dem boshaften Bilwitz entgegen zu wirken, giebt es viele, nach den verschiedenen Gegenden verschiedene Mittel. (Vgl. darüber: Deutsche Erntefestgebräuche in: Illustrirte Zeitung, Nr. 1260 vom 24. August 1867, S. 127.) – A. Becker in: Vervehmt, Roman aus der Gegenwart (Deutsche Romanzeitung, I. Quart., S. 926), sagt über die Bocksreiter, die das Volk auch Bilwitzschneider nennt: Zur Zeit der Kornblüthe in den Sonnenwende-Nächten wird von irgend einem schlimmen, habsüchtigen Bauer schädliche Zauberei geübt. Ein solcher setzt sich in Bund mit dem Teufel während des Gebetläutens auf einen schwarzen Bock oder Esel rücklings, bindet sich eine Sichel an den linken Fuss und reitet so durch das Getreidefeld der Nachbarn, die dann in ihren Aeckern fussbreite Durchschnitte finden, die sie Bilwitzschnitt nennen. Das abgeschnittene Getreide wächst nun durch die Macht des Teufels in dem Acker des Bilwitzschneiders und dieser gewinnt an Ertrag, was die Felder der Beschädigten verlieren. Die Macht des Teufels in dem Acker des Bilwitzschneiders währt aber nur so lange, als der Zauber des Gebetläutens dauert, und wird deshalb so kurz als möglich geläutet und zwar besonders am Johannisabend. Drei Nächte muss aber geläutet werden.