1. Der Geier hol' die alte Leier.
Lat.: Ridetur chorda qui semper oberrat eadem. (Philippi, II, 158.)
2. Die Giren fliegen gerne dar, wo sie des Aases nehmen wahr.
3. Ein gefangener Geier hat auch noch Krallen.
Die schärfsten Krallen soll nach einem böhmischen Sprichwort der Geier haben, der sich in einen Habicht verwandelt hat: Verwandlungen, die der Volksglaube ehedem vielseitig annahm: Když se kánĕ zjestřabí, vice drápe nežli rozený jestřáb. (Čelakovský, 101.)
Poln.: Kiedy zjastrzębieje sowa, chce wyžszéj lataé sokoła. (Čelakovský, 101.)
4. Ein Geier, der Aas frisst, riecht nicht nach Ambra.
5. Ein Geier heckt kein Zeislein aus.
Lat.: Colubra restim non parit. (Binder II, 528; Petron., 45, 297.)
6. Einen Geier lässt niemand unter sein Dach bauen.
7. Was der Geier einmal in seinen Klauen hat, das lässt er nicht los.
8. Wenn der Geier stirbt, weinen die Hühner nicht.
9. Wenn der Geier todt ist, so muss man auch das Nest (noch) zerstören.
10. Wenn du ein Geier bist, so pass' aufs Aas.
Von Erbschleichern, die auf den Tod kinderloser Greise lauern, wie Raubvögel auf Aas.
11. Wer einen Geyer schindet, hat ein magern Vogel. – Henisch, 1441, 45; Petri, II, 701; Simrock, 3176.
12. Wer wie ein Geier gelebt, wird nicht wie eine Taube sterben. – Parömiakon, 2725.
13. Wo der Geier will einziehen, müssen die Tauben fliehen.
*14. A frässe a Geer, wenn a nicht zoappelte. – Gomolcke, 509.
*15. A froit en Geer (oder: an tudte Geer) dernoch. – Robinson, 155; Gomolcke, 22.
*16. A werd ei Geiers1 Kiche kummen. (Schles.) – Frommann, III, 248, 255.
1) Verhüllung für Teufel. Die Scheu des Volks, gewisse Wörter, wie Gott, Christus, Himmel, Sakrament u.s.w. auszusprechen, erstreckt sich namentlich auf den Teufel, dessen Namen, besonders in früherer Zeit, zu nennen man ganz besonders zu vermeiden suchte. In allen Gegenden finden sich dafür Ausdrücke, die entweder aus dem Namen Teufel entstellt sind, weil man auf diese Weise doch das unmittelbare Nennen vermied; oder sie beziehen sich auf seine Gestalt und Farbe, und sind noch andern Ursprungs. Dahin gehören auch die Redensarten: Hol's der Geier! Hol's der Hund! (Vgl. Deutscher 3 u. Frommann, II, 501; III, 252, 243.)
*17. Das mag der Geier holen!
In Tirol denkt man bei dieser sprichwörtlichen Verwünschungsformel zunächst wol nur an den Lämmergeier, der zuweilen selbst kleine Kinder überfällt und in seinen Klauen durch die Luft als Beute mit sich fortträgt.
*18. Das mag der Geier wissen!
Frz.: Le diable n'en sait rien.
*19. Das ist der Geier im Taubenschlage.
Wenn durch irgendetwas grosse Bestürzung und Verwirrung erzeugt wird.
*20. Dass dich der Geier schände! – Eiselein, 216.
*21. Dass dir's der Geier gesegne! – Schottel, 1113a.
In den Redensarten: Zum Geier! Dass dich der Geier! u.m.a. steht Geier (in mehreren Mundarten Géier) verhüllend für Teufel. (Vgl. Donner 30, Henker, Kukuk, Seele, Teufel, wie Frommann, II, 506.)
*22. Dass ihn der Geier hole!
*23. Der Geyer hat a Water derzwischen gemacht. (Schles.)
»Wen ober der geyer ewe e Water derzwischen macht.« (Palm, 51, 5.) Wenn etwas dazwischenkommt, das die Ausführung des Plans, die Erreichung des Zwecks hindert.
*24. Der Geier ist (wieder) los.
Dass Geier hier eine Verhüllung für Teufel ist, sieht man aus dem böhmischen Ausdruck: Kožel jest utržený (Der Bock ist los).
*25. Der Geyr sitten gor zum Oogen rauss. – Robinson, 277.
[1443] *26. Einen dürren Geier schinden.
Im Jahre 1567 wurde auf dem Markte zu Gotha das Blutgerüst Wilhelm von Grumbach's, der den Bischof von Würzburg ermordet hatte, errichtet. Als der Verurtheilte entkleidet wurde, sprach er mit grösster Ruhe zum Henker: »Du schindest heut' einen dürren Geier.«
*27. Er ist des Geiers Schatten (Gefährte).
Von Erbschleichern und andern Habgierigen.
*28. Es ist, wie wenn man den Gyren rupfte. (Schweiz.) – Kirchhofer, 79; Eiselein, 265.
Wenn sich alle gegen einen vereinigen, um ihn zu drücken oder ihm den Untergang zu bereiten. Die Redensart ist von einem sehr alten Pfänderspiel entlehnt, wobei alle über einen herfallen, und das wahrscheinlich den Vögeln nachgeahmt ist, die, wenn sie einen Geier (schweizerisch: Gyr) oder einen andern Raubvogel gewahren, sich versammeln und ihn mit grossem Geschrei verfolgen. Wie alt das erwähnte Spiel ist, zeigt der Titel einer polemischen Schrift, welche vor 300 Jahren zu Zürich gegen den bischöflichen Vicar Joh. Faber unter dem Titel Das Gyrenrupfen erschien.
*29. Hoat dich der Geer schun drüber geführt. – Gomolcke, 420; Frommann, III, 413, 489.
*30. Hut a denn a Geer? – Gomolcke, 438; Robinson, 724.
*31. Ihr froit an tudten Geer darnoch, was 's Kurn gilt. – Gomolcke, 611.
*32. Wenn de nuer bim Géier wärscht! (Elsass.)
*33. Wo Geier's. – Eiselein, 216.
*34. Woas der Geier nich koan, weil a jung is. – Gomolcke, 1072; Frommann, III, 249, 270.
Macht der Jugend bei Erreichung von gewissen Absichten.
*35. Zum Geier! – Eiselein, 216.
36. Nun wohlher, den Geier an den Aaren, sprach der Pfaff von Kalenberg. – Schaltjahr, II, 191.
*37. Die hat auch den Geier1 barfuss laufen sehen. – Schles. Provinzialblätter, 1866, S. 428.
1) Verhüllend für Teufel. Um zu sagen: Sie ist sehr verschmitzt.
*38. Er wird doch nicht des Geiers sein. – Klix, 23.
*39. Geh zum Geier!
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