Neujahr

1. An Neujahr wächst der Tag um einen Hahnenschritt, am heiligen Dreikönig um einen Hirschensprung, an Sebastian um eine ganze Stund', an Mariä Lichtmess merkt man erst was drum.Orakel, 178.

In Frankreich heisst es: Zu Neujahr wachsen die Tage um einen Ochsensprung; zu Saint-Antonii um eine Mönchsmahlzeit. Auch: Zu Neujahr wachsen die Tage um eine Ochsenmahlzeit. (A l'an neuf, les jours croissent du repas d'un boeuf.) (Orakel, 179.)


2. Is 's Näojar anö Sturm un Rög'n, bleibt God nöd aus mît Glik und Säg'n. (Oberösterreich.) – Baumgarten, 43.


3. Ist das Neujahr schön hell und klar, so deutet das ein fruchtbar Jahr. (Luzern.)


4. Neujahr – weihnachtsklar, Ostermorgen vertreibt die Sorgen, Pfingsttag – 's Herz wird wach.Hertz, 71; J.G. Kohl, Nordwestdeutsche Skizzen, II.

In Westfalen herrscht die Sitte, nicht blos Gebäude, sondern auch Zimmermöbel, ja sogar Hausgeräthe, z.B. Salzfässer, Teller, Schüsseln u.s.w. und Werkzeuge mit Sprüchen zu versehen. Der obige Spruch befindet sich auf einer Kuchenform und erinnert an die verschiedenen frohen Feste, bei denen er dient.


5. Oem Neujahr kan men alles quitt we'de. (Aachen.) – Firmenich, I, 493, 110.


6. Uemme Nijoar hed de Dage en Hanenschriet wunnen. (Werl.) – Firmenich, I, 350, 6; Eichwald, 277.

In Holstein: Um Nîjahr hebbt de Dage en Hahnentritt wunnen. (Eichwald, 277.) In Ostfriesland: Um Nêjahr hebben de Dagen 'n Hahnträ wunnen. (Kern, 1177.) Wie man sagt: Die Zeit eilt mit Riesenschritten, kann [1010] man auch von einem Hahnenschritt der Zeit reden, obgleich Schritt eigentlich ein Raummass ist. Als ein unbedeutendes Raummass kommt Hahnenschritt in einer Sage vor. In der Nähe von Dornum spukt bei nächtlicher Weile ein Geist, welcher sich dem Flecken alljährlich um einen Hahnenschritt nähern darf. Der auf ihm ruhende Bann ist gelöst, sobald er den Ort erreicht.

Engl.: At new-years tide the days are lengthen'd a cock's-stride.

Holl.: Met Nieuwjaar zijn de dagen eene haneschrede gelengd. (Harrebomée, II, 127a.)


7. Wenn am Neujahr scheint die Sonne klar, so lacht darob der Fischer Schar.

Auch in Oberösterreich meint man, dass es viel Fische im Jahr gebe, wenn die Sonne am Neujahrstag scheine. (Baumgarten, 43.) Wenn sich am Neujahrsmorgen die Sonne roth zeigt, so ist das Jahr zu Krieg geneigt.


*8. Er feiert das grosse Neujahr.

Frz.: Au gui l'an neuf, ou: Languit l'an neuf. (Leroux, I, 2.)


*9. Glücksâligs Nêjahr!Kern, 1179.

Glückseliges Neujahr ist der Neujahrswunsch im Oberledingerland. Die in der Schweiz üblichen Neujahrwünsche, denen aber beinahe sämmtlich der sprichwörtliche Charakter fehlt, hat Sutermeister (S. 12) zusammengestellt. Die jüdisch-deutsche Begrüssungs- und Wunschformel in Warschau am Neujahr lautet: Le- Schunu tojwu tikussejwü, d.i.: Zum guten Jahr mögt ihr eingeschrieben werden, worauf die Erwiderung erfolgt: Gamm attem, auch ihr.


*10. Nij-Jahr backen.Dähnert, 329a.

Gewisse im alten Jahr für das neue bestimmte und gebräuchliche Kuchen u.s.w. bereiten lassen. Es war früher Brauch, dass die Bauern etwas von diesem gebacken en Nij-Jahrbis zur Ernte aufhoben und den Mähern mit ins Feld gaben. Ebenso bestreute der Bauer mit der Neujahrasche sein Vieh, damit ihm das Jahr kein Uebel zustosse.


*11. 'T is man ênmal Nêjahr.Kern, 1178.

Mit diesem Sprichwort wird in ostfriesischen Dörfern jede Warnung vor Uebermass im Essen und Trinken zurückgewiesen. Es wird aber auch auf andere, jährlich nur einmal wiederkehrende Vorgänge angewandt. So sagt man auch: 'T is man ênmal Mainhaver-, Hager-, oder Dormer-Markt.


[Zusätze und Ergänzungen]

12. Wenn's um Neujahr Regen gibt, oft um Ostern Schnee noch stiebt.Marienkalender, 1879, S. 9.


13. Wer von Neujahr bis Sylvester glücklich war, kann reden von einem guten Jahr.Egerbote, 1879.


*14. Das Neujahr singen.

»Es sind arme Leute, welche zu Hause die Neujahrwünsche auf Grund ihrer Kenntniss von Personen und Sachen in Verse bringen. Weiber und Kinder singen dann in den Bauernhöfen ihre auf sämmtliche Insassen berechneten Verse in lebhafter Melodie ab.« (Kalender für das Egerland, 1872, 133.)


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873.
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