1. Das beste Vieh im Pfarrhaus ist die Katze.
2. Das dümmste Vieh schreit am lautesten.
Nicht blos auf dem Bauernhofe, sondern auch, und hier noch mehr, in Politik und Religion. »In der Politik geht es, wie in der Natur, das dümmste Vieh schreit am lautesten.« (Witzfunken, IVb, 109.)
3. Das Veh isch guet, numme frisst's keine Ofethürli. (Solothurn.) – Schild, 99, 13.
Vieh, das fett und schön bleiben soll, will gut genährt sein.
4. Das Vieh ist leicht zu treiben, das selber nach dem Stalle (Felde u.s.w.) läuft.
5. Das Vieh ist wie der Stall. (Sachsen.) – Simrock, 10961; Boebel, 138.
Dän.: Det kveg er let at gjenne til byes, som selv bisser for. (Prov. dan., 363.)
6. Dat will ok en Veh verstand, see de Bûr, da tell he de Kraien (?). – Biernatzki, 58.
7. Decke todtes Vieh ab auf offener Strasse und nimm deinen Lohn dafür. (Hebr.)
Keine Arbeit schändet.
8. Eisern Vieh stirbt nicht. – Blum, 531; Pistor., III, 78; Hillebrand, 106, 140; Grimm, Rechtsalt., 593; Simrock, 10956; Körte, 6302; Graf, 269, 281.
Bei Verpachtung von Landgütern wird häufig das dazu gehörige Vieh nach vorgängiger Abschätzung dem Pächter mit der Bestimmung überlassen, nach Ablauf des Pachts die gleiche Stückzahl derselben Art zurückzuerstatten. Und dies heisst eisern Vieh, stählern Rind oder Immerkuh und kann nicht untergehen. Alles, was ein abgehender Pächter eines Gutes an den Nachfolger wieder abliefern oder was er an die Stelle des Abgegangenen von gleicher Güte zu setzen hat, ist eisern. Man spricht in diesem Sinne von eisernen Schafen, Pferden u.s.w.
9. Es ist eben das vich als der stal. – Hauer, Miij; Franck, II, 60b u. 107b; Gruter, I, 36; Egenolff, 103a; Eyering, II, 613; Jähns, I, 89.
[1629] 10. Es ist eben Vieh als Stall, sagte der Teufel, und jagte seiner Mutter Schnaken und Mücken in den Hintern. – Hoefer, 1045.
Lat.: Mali thripes, mali ipes.
11. Es ist eben Vieh wie Stall, Gurr wie Gaul, Mann wie Ross, Deckel wie Hafen, Maul wie Salat. – Eiselein, 620; Simrock, 1754.
12. Für ungeboren Vieh braucht man keinen Stall.
Schwed.: Barukkt aer rosa for offöth nöt. (Reuterdahl, 618.)
13. Geschenktem Vieh besieh die Zähne nie!
14. Geschorenes Vieh frisst weit um sich. (Köln.)
Boshafte Anspielung auf die angebliche Habgier der Priester.
15. Gibst du deinem Vieh, so gibt es dir wieder. – Henisch, 1383, 8; Petri, II, 338; Körte, 6301; Simrock, 10962; Braun, I, 4779.
»Pflegen die alten Haussväter zu sagen.« (Mathesy, 39b.)
16. Glich Veh läck sich gêr (gern). (Düren.) – Firmenich, I, 483, 69; für Aachen: Firmenich, I, 493, 76; hochdeutsch bei Simrock, 10959.
17. Gross Vieh braucht viel Futter.
Mhd.: Grôszes vich wil michel gras. (Ring.) (Zingerle, 160.)
18. Gut genährtes Vieh bringt in Einem Jahre mehr als schlecht genährtes in zwei.
19. Gutes Vieh, gute Streu, reichlich Futter gibt fetten Mist, reiche Ernten, viel Milch, viel Käs' und Butter. – Bair. Hauskalender.
20. Gutes Vieh, gute Streu und reichlich Futter geben viel Milch, Käse und Butter. – Wunderlich, 8.
21. Jung Vieh hat Muth. – Klix, 114.
Holl.: Jong vie is dartel in de weide. (Harrebomée, II, 364b.)
22. Kein ärmer Vieh auf Erden ist, als Priesterschaft, der Nahrung gebrist.
23. Kein Vieh verbüsst Gewette. – Blum, 689; Hillebrand, 200, 787; Pistor., IX, 82; Estor, II, 1165; Sachsenspiegel, II, 40, 3; Grimm, Rechtsalt., 656; Simrock, 10957.
Wette (Gewette) war im Mittelalter eine an den Richter zu zahlende Geldstrafe. Da ein Thier keiner Handlung fähig ist, kann es auch nicht in Strafe genommen werden, natürlich für dasselbe auch nicht der Herr.
24. Klein Vieh macht auch Mist. – Simrock, 10058.
In Ostpreussen: Klênet Vieh müsst't (mästet) ok. (Frischbier2, 3922.) Man soll auch kleine Vortheile nicht verachten. So pflegt der zu sagen, der kleine Trümpfe ausspielt.
25. Mager Vieh gibt wenig Mist; und wo kein Mist, da erntet wenig auch der frömmste Christ.
Holl.: Mager vee geeft mageren mest, en magere mest schrale vruchten. (Harrebomée, II, 364b.)
26. Man kann sich auch am unvernünftigen Vieh versündigen.
27. Man muss sich halten an das Vieh, das trägt Hörner, und nicht an das Federvieh, das lebt von Körnern. (Kurhessen.)
28. Me cha mit dem Veh rede, we me Menscheverstand het. – Sutermeister, 145.
29. Mein Vieh ist sehr ausgelassen, sagte der Bettelbube, als ihm die Sechsfüsser auf dem Kopfe herumgingen.
Holl.: Hoe is mijn vee zoo moedig, zei de jongen, en hij voelde de zesvotige miterij op zijn kop vechten. (Harrebomée, II, 364b.)
30. Uebel erworbenes Vieh frisst Wolf und Compagnie.
31. Vieh bleibt Vieh. – Frischbier2, 4319.
Holl.: Beesten moeten beesten blijven. (Harrebomée, I, 41b.)
Poln.: Bydło było, bydlo będzie.
32. Vieh und Menschen muss man nicht zusammenrechnen. – Simrock, 10960.
33. Vieh wie Stall, Gurr wie Gaul, Mann wie Ross, Deckel wie Hafen, Maul wie Salat. – Blum, 690; Eyering, I, 576.
Schlechte, unreinliche Ställe hindern, das Gedeihen des Viehes.
34. Viehe vnd elementen müssen dem Menschen fronen vnd jhr schicht fahren. – Henisch, 870, 46.
[1630] 35. Von jedem Vieh gibt man Zehnt ausser von Hühnern. – Graf, 123, 335.
Wie viel oder wenig die Henne auch Küchlein ausgebrütet hatte, es wurde nur eins abgegeben. (S. ⇒ Henne.)
Mhd.: Jewelkes veis gift man den tegenden sunder hunre. (Sachsenspiegel, II, 48, 5.)
36. War ock a Vieh1 wär, sagte der Pathe beim Taufessen, als ihm Noth war und er nicht vor konnte. (Oberlausitz.)
1) Er konnte das r nicht aussprechen und sagte a vieh statt o für, vor.
37. Was aus meinem Vieh erzogen wird, das ist mein. – Graf, 110, 252.
38. Wenn das Vieh die Herbstweide rein abätzen kann, wird der Heuboden vor dem Sommer ebenso rein werden.
39. Wenn man das viech verleust, so verspert man den stal. (S. ⇒ Kuh 387.) – Hofmann, 35, 111.
40. Wenn man das vieh im stall vnd vogel im bawr beleugt, so sterben sie. – Henisch, 209, 53; Petri, II, 662.
»D.i., wenn man sagt, man hab jhnen zu essen gegeben vnd ist nichts daran.«
41. Wenn man das Viehe wol hält, so hälts einen wieder wol. – Coler, 80, 1.
42. Wer dess Vieh hütet, soll der Milch geniessen. – Lehmann, 558, 6.
43. Wer für sein Vieh sorgt, der sorgt für seinen Geldbeutel.
44. Wer lebt mit Vieh, wird selbst ein Vieh.
45. Wer pflegt sein Vieh, den verlässt es nie.
Die Spanier wissen das auch, sie sagen: Wer's Vieh züchtet, braucht nicht zu arbeiten. (Crianza quita labaranza.) (Mortelet, Reisen in Centralamerika, deutsch von Hertz, Jena 1872.)
46. Wer sein Vieh gut nährt, dem bringt es in Einem Jahre mehr ein als schlecht gefüttertes in zwei. – Wunderlich, 8.
47. Wer sein Vieh verlässt, der verlässt sein Brot.
Wer es in der Pflege vernachlässigt, der kommt in seiner Wirthschaft zurück und endlich in Nahrungssorgen.
Böhm.: Kdo se dobytka spoušti, chleba se spoušti. (Čelakovsky, I, 425.)
48. Wer seinem Vieh gibt, dem gibt es wieder. – Masson, 112.
49. Wer sich zum Vieh macht, muss Heu fressen.
In Warschau hat man die jüdisch-deutsche Redensart: Bist a Behejme (Vieh), kâu Strohj. Zur Erklärung wird mir folgende Anekdote beigefügt: Zu einem Rabbiner kam ein junger Mann und bat um Auferlegung einer Busse für eine grosse Sünde, die er begangen. Befragt, worin diese bestehe, erzählte er, wie er auf einer Reise mit einem jungen, hübschen Mädchen zusammengetroffen sei, der er, der Versuchung nicht widerstehend, einen Kuss gegeben habe. Weiter, fügte er hinzu, sei nichts mehr geschehen. »Nun denn«, sagte der Rabbi, »ich sehe wol, dass du ein Vieh bist; du sollst daher zur Busse drei Wochen Stroh kauen.«
50. Wer sik ton Veh mak, mutt ock as Veh behandelt waren. (Rendsburg.)
51. Wer über ein Vieh kommt, den treibt niemand ab. – Graf, 281, 331.
»Der kummet vbir ein Vyhe, den trybet kein man dar ab.« (Nering, V, 2.)
52. Wess das Vieh Schaden thut, da urtheilt man keinen Frevel. – Graf, 291, 50.
Das Thier ist unzurechnungsfähig und hat deshalb für sein Thun nicht wie ein Verbrecher zu haften. Zum Sündigen gehört Bewusstsein; ⇒ unwissend (s.d.) sündigt nicht.
Mhd.: Was daz vihe schaden tut, da teylt man dem vihe keinen freuel umb. (Zöpfel, Bamb. Recht, §. 127.)
53. Wie das Vieh, so ist der Stall. – Lehmann, 326, 20; Sailer, 81; Grubb, 84.
Das Sprichwort liebt die Form: Wie – so. (S. ⇒ Dienst 52, ⇒ Gurr 3, ⇒ Pfarre 3 und ⇒ Pfarrer 34-36.)
Holl.: Gelijk het vee is, zoo is de stal. (Harrebomée, II, 364a.)
54. Wie das Vieh, so ist Hirt vnd Stall. – Eyering, III, 555.
55. Wie 't Veh, so de Stall, söä' de Düwel, doa drêw 'r sin Muo'r de Flêgen in'n Oars. – Schlingmann, 390.
[1631] 56. Wo ein Vieh hingeht, da geht auch das andere hin. (S. ⇒ Drei 66.) – Graf, 68, 44.
»Va ain vehe gät, da sal auch das ander gän.« (Reyscher, 37.)
*57. Das Vieh ins Korn lassen (führen).
Dahin, wohin es eben nicht kommen soll. Schlechte Hut oder Verführung.
Dän.: Han vii gierne føre foe i kom. (Prov. dan., 151.)
*58. Doas bringt a Vieh um. (Steiermark.)
Das ist zu arg. Von etwas sehr Widerwärtigem und Unerträglichem.
*59. Er g'hirt zum liebe Vieh. (Luzern.)
*60. Er ist ein Vieh durch und durch.
Holl.: Het is een beest zijn geheele lyf over. (Harrebomée, I, 42b.)
*61. Er ist unter dem Vieh.
Holl.: Het is een beest der beesten. (Harrebomée, I, 41b.)
*62. Er ist mit dem lieben Vieh aufgewachsen. – Eiselein, 620; Klix, 114.
Lat.: In stabmulis educatus.
*63. Er und sein Vieh ist Ein Genie.
Holl.: Het is eene sort van beesten, hij en zijn paard. (Harrebomée, II, 42a.)
*64. Es ist ein Vieh von einem Menschen.
Das Wort Vieh (pecus) war auch bei den Römern ein Schimpfwort. Cicero bedient sich mehrmals des Schimpfworts »Viehstück« (pecus) und Tacitus erzählt, dass der durch Agrippina's Anschlag unter Nero ermordete Proconsul von Asien, Junius Silanus, wegen seiner Trägheit und seines Mangels an Ehrgeiz vom Kaiser Caligula aurea pecus, das goldene Vieh, genannt worden sei. (Röm. Schimpfwörter in Ausland 1871, Nr. 8.)
Lat.: Bellua inanis. (Cicero.) (Philippi, I, 56.)
*65. Es wird ihm kein Vieh sterben.
*66. Nü oach, doas brängd a Vîch em. (Oesterr.-Schles.) – Peter, 455.
Ausruf der Verwunderung.
*67. Zu solchem Vieh gehört solche Weide. – Parömiakon, 2855.
68. Besorg dein Vieh und schon' es auch, das ist der beste Hexenrauch. – Mätzler, 413.
69. Wenn ên Stöck Veh bîest, hêwt det angre den Zagel. (Natangen.) – Frischbier, I, 370.
Schlechte Beispiele finden schnelle Nachahmung. Biesen ist das unruhige Umherlaufen des Weideviehes vor dem Summen und Stechen der Bremse.
70. Wenn man das Vieh todtschlägt, so hört das Viehsterben auf.
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