Pilatus

1. Hat der Pilatus einen Hut, dann wird das Wetter gut; trägt er aber einen Degen, so gibt es sicher Regen.Kirchhofer, 315.

Der unweit Luzern sich erhebende Pilatusberg war vom 15.-18. Jahrhundert der besuchteste der Schweizerberge. Eine Mönchsfabel erzählt: Pontius Pilatus, durch Tiberius nach Gallien verbannt, habe, von Gewissensbissen verfolgt, sich in einen See auf dem Gipfel des Bergs gestürzt, diesem See (oder dem Pilato?) wurden sonst alle Stürme, die über den Vierwaldstättersee tobten, zugeschrieben, sodass es Jahrhunderte hindurch bei Strafe verboten war, sich jenem See auf dem Berge zu nähern, um nicht den bösen Geist des Mannes, der über den Heiland den Stab gebrochen, zu wecken. Nach obigem Spruch ist der Pilatus das beste Wetterglas für die Anwohner. Ist sein Gipfel morgens nebel- und wolkenfrei, so ist selten auf beständiges Wetter zu rechnen, bis zum Nachmittage ein Hutträger (pileatus, wovon manche seinen Namen ableiten), so darf ein heiterer Tag erwartet werden. (Vgl. Blätter für literarische Unterhaltung.)

2. Man muss Pilato mit dem Kaiser dräuen. Lehmann, 708, 9; Eiselein, 356; Simrock, 7928.

In der Schweiz: Me muess em Pilatus mit em Kaiser dreue. (Sutermeister, 148.) Rath gegen Beamtenwillkür und Uebergriffe, der wenigstens da gut angewandt ist, wo der Kaiser nicht durch ein Cabinet vom Volke luftdicht abgesperrt ist.


3. Pilatus gehet selten aus dem Tempel ohne Tumult und Gequengel.Orakel, 1019.


4. Pilatus pflegt gern einmal des Jahres zur Kirch zu kommen.Henisch, 1513, 11; Petri, II, 506.

»Wird von Vngewittern geredt in der Marterwochen


5. Pilatus und Herodes werden Freunde.Luc. 23, 12; Schulze, 240; Zehner, 775.

»Man wird was hören in den letzten Tagen: Pilatus und Herodes haben sich vertragen.« (Loci comm., 185.)

Lat.: Sunt bene concordes iterum Pilatus Herodes. (Sutor, 59.)


6. Pilatus wandert nicht aus der Kirche, er richte denn zuvor einen Lärm an.Blum, 287; Simrock, 7927; Körte, 4809; Boebel, 60.

Pilatus bezeichnet hier die Marterwoche, von der man die Meinung hat, dass sie selten ohne Schnee und Hagel vorübergehe, was oft zutrifft, aber nicht darum, weil sie die Marterwoche, sondern die letzte März- oder erste Aprilwoche ist, Monate, die wegen ihrer wandelbaren Witterung bekannt genug sind.


7. Pilatus wäscht seine Hände in Unschuld.

Dän.: Pilatus toede sine hænder i vand. (Prov. dan., 455.)


8. Wenn Pilatus hat ein'n Degen, so gibt es sicher Regen. (S. Niesen 1.) – Kirchhofer, 315.

Engl.: If Riving-pike do wear a hood, be sure that day will ne'er be good. (Bohn II, 209.)


9. Wenn Pilatus und Herodes Freunde werden, ist's um Christum (den Heiland) geschehen.

Dän.: Pilatus og Herodes forliges vel, vee den, der intet bliver klemt. (Prov. dan., 180.)


10. Wenn sich Pilatus und Herodes vertragen, muss die Wahrheit zittern und zagen.


11. Wie kam denn Pilatus ins Credo?Körte, 4810; Simrock, 7929.

Mit ebenso viel Recht als mancher unter die Heiligen. Wenn einer auf eine unerklärliche oder seltsame Weise berühmt geworden ist.

Holl.: Hoe quam Pilatus in de credo? (Tunn., 14, 21; Harrebomée, II, 184b.)

Lat.: Intrat quo modo Pilatus nescio credo. (Fallersleben, 393.)

Schwed.: Han blef nämpnder som Pilatus i Credo. (Grubb, 304.)


*12. Es geht ihm wie Pilatus im Credo.

»Es ist also kommen her, böss werck geben klein ehr. Wann man dein gedenkt also wie Pilatus im Credo, so soltestu selten werden fro. Das ist Pilatus Testament, wan einer an seinem letsten end, auff erden lasst ein bösen Namen, das all sein kind sich müssen schamen.« (Murner, Schelm., in Kloster, I, 872.)


[1346] *13. Pilatum mit dem Kaiser schrecken.Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 314.


*14. Sich auf Pilati und Herodis Kanzlei (Abtritt) begeben.

»Dess Pilati heimliche Cantzley.« (Grimmelshausen, Vogelnest, II.)


*15. Von Pilatus zu Herodes.

Dän.: Fra Pilatus til Herodes. (Prov. dan., 455.)


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 5. Leipzig 1880.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Rameaus Neffe

Rameaus Neffe

In einem belebten Café plaudert der Neffe des bekannten Komponisten Rameau mit dem Erzähler über die unauflösliche Widersprüchlichkeit von Individuum und Gesellschaft, von Kunst und Moral. Der Text erschien zuerst 1805 in der deutschen Übersetzung von Goethe, das französische Original galt lange als verschollen, bis es 1891 - 130 Jahre nach seiner Entstehung - durch Zufall in einem Pariser Antiquariat entdeckt wurde.

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon