Stab

1. Auf einem Stab geritten, ist halb gegangen. Eiselein, 576; Simrock, 9795.

Mhd.: Ûf einem stab geriten ist halb gangen. (Diutisca.) (Zingerle, 141.)


2. Auf Einen Stab können zwei sich nicht stützen.

Frz.: Deux sappuyer sur ung baston.

Lat.: Baculo vni duos inviti. (Bovill, II, 168.)


3. Der Stab des Hirten soll an beiden Enden ein spitzes Eisen haben.

Eine alte Rechtsvorschrift, um auszudrücken, dass der Hirt nie schlafen soll. »Der stillstehende Hirt«, heisst es vorsorglich, »soll stets die eine Spitze unter das Kinn, die andere auf den Fuss thun, damit ihn das Eisen steche, wenn er einschlafe.« (Gierke, Humor im deutschen Recht.)


4. Der Stab ist gebrochen, das Urteil gesprochen.


5. Ein goldener Stab, ein hölzerner Hirt.


6. Ein Stab ist das Postpferd zur Ewigkeit.


7. Einen Stab schneidet man, um sich darauf zu stützen.

8. Jeder Stab hat am Ende einen Knopf.


9. Mit einem kurzen Stabe kann man nicht weit springen.Petri, II, 476.

Dän.: Stakket stav gjør stakket spring. (Prov. dan., 529.)

Lat.: Si brevior baculus, erit hinc tibi brevior saltus. – Transiliisse potest nullus procul absque bacillo.


10. Nicht jeder Stab ist ein Bischofsstab.

Aehnlich russisch Altmann V, 81.


11. Ohne Stab ist nicht gut weit springen.Simrock, 9797; Körte, 5681.

Dän.: Det er ondt at springe langt uden stav. (Prov. dan., 527.)

Holl.: Zonder staf is 't kwaad verte springen. (Harrebomée, II, 298b.)


12. So weit der Stab zu gebieten hat, ist es ein rechtes Gericht. (S. Flur 1 und Stadt.) – Graf, 236, 287.

Mhd.: Also verre der stab zu gebietten hatt das ist ein habinde gerichte. (Grimm, Weisth., I, 413.)


13. Vnder dem krummen Stabe1 vnnd vnder eine Grauen ist gut wohnen.Agricola II, 190; Egenolff, 22a[757] ; Petri, II, 563; Lehmann, II, 792, 112; Latendorf II, 27; J.P. Kress, Unter dem krummen Stab ist gut wohnen (Jena 1720); Brauser, Unter dem krummen Stabe ist gut wohnen (Jena 1736); Blum, 761; Nopitsch, 158.

1) Bischöflicher Regierung. (S. Krummstab 4.)


14. Wen der Stab begreift, der wird antworten. Graf, 437, 297.

Jeder muss den Ladungen des zuständigen Richters Folge leisten.

Mhd.: Wen der stap begriffet der würt antworten. (Grimm, Weisth., I, 415.)


15. Wer ein staab hat, der kan auch hernach kommen.Lehmann, 853, 6.


*16. An den weissen Stab kommen.

Zum Bettler werden.


*17. Den Stab in den Boden senken.

Symbolisch erklären: Bis hierher und nicht weiter.


*18. Den Stab über einen brechen.Braun, I, 4240.

Eigentlich ihn zum Tode verurtheilen. Von einer frühern Form, bei Verkündung des Todesurtheils, wobei ein Stab gebrochen wurde; dann aber allgemein über jemand in irgendeiner Sache ungünstig urtheilen.

Holl.: Den staf over iemand breken. (Harrebomée, II, 298b.)


*19. Der Stab ist über ihm gebrochen.Eiselein, 576; Körte, 5692.

Zeichen des unwiderruflich ausgesprochenen Todesurtheils; wobei über den Verurtheilten ein Stab entzweigebrochen und ihm dann vor die Füsse geworfen wurde. Uneigentlich, ein hartes Urtheil über jemand fällen.


*20. Es kommt an Stab.Eiselein, 576.

Zur Gant.


*21. Hette mancher einen Stab, so könte er auch hinvber springen.Lehmann, 376, 41; Simrock, 9782.


*22. Mit dem grosse Stabe laufe. (Luzern.)

Zu Gevatter bitten.


*23. Mit dem weissen Stabe zum Pfarrer gehen.

Der Vater des neugeborenen Kindes (in Schlesien: »Kindelvater«) scheint sich beim Gange zur Bestellung des Taufens früher, eines weissen Stabes bedient zu haben. (Neue schles. Provinzialbl., 1864, S. 134.)


*24. Mit dem weissen Stabe zum Thore hinausgehen.Körte, 5682.

Wer mit seinem Hab und Gut fertig ist oder wer mit leeren Händen aus seinem Amt, seinem Wirkungskreise tritt. Manche lassen auch andern den weissen Stab zurück, nachdem sie deren Vermögen durchgebracht oder mitgenommen haben, wie dies ein holländisches Sprichwort ausspricht.

Frz.: Il a été reduit de sortir da sa maison, de son emploi, le bâton blanc à la main.

Holl.: Hij is gesprongen en heeft ons den staf gelaten. (Harrebomée, II, 298b.)


*25. Mit Stab und Stange. (S. Stecken.)

»Alles das stab und stange getragen mag.« (Grimm, Rechtsalt., 35 u. 295.) D.h. alle waffenfähige Mannschaft.


*26. Sie geht des Morgens ohne Stab.

Die Redensart kommt in Pfeiffer's Classiker des Mittelalters (XII) oder in Lambel's Erzählungen und Schwänke (S. 174) vor, wo sie lautet: »Des morgens gie si âne stap und starp niht von derselben nôt.« In der Germania (XV, 317) wird sie als ein Scherz nachgewiesen, womit man junge Frauen nach der Hochzeit neckte.


27. Stab aus, Stab aus! Stecht dem Winter die Augen aus.

Als Vorfeier zu dem am Ostertage gefeierten Feste der Frühlingsgöttin Ostara, wo der Kampf zwischen Sommer und Winter stattfand, sang die Jugend diesen Spruch während desselben. (Karlsbader Wochenblatt, 1880, Nr. 13.)


*28. Aus dem krummen Stabe gehen.Frischbier, 4223.

Aus dem Schulzenamte gehen.

Lit.: Isz kriwûlês eiti.


*29. In den krummen Stab gehen.Frischbier, 4223.

In Litauen: Kriwûle eiti. Die Kriwule ist der krumme Stab, der im Schulzenamte steht, und den der Schulze im Dorfe umhersendet, wenn eine Gemeindeversammlung stattfinden soll. Auch diese selbst heisst Kriwule, gewöhnlicher jedoch, wie auch der Stab, Krawul. Die Kriwules werden aus recht krummen Baumwurzeln geschnitten.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876.
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