Frankfurt an der Oder

[839] Frankfurt an der Oder, Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks der preuß. Provinz Brandenburg und Stadtkreis, am linken Ufer der Oder, 22–56 m ü. M., besteht aus der eigentlichen Stadt und drei Vorstädten: der Gubener Vorstadt im S., Lebuser Vorstadt im N. und der Dammvorstadt auf dem rechten Oderufer, die mit der Stadt durch eine 260 m lange massive Brücke verbunden ist. Die Stadt hat geradlinige, breite Straßen, darunter die »Linden«. Oberhalb der ehemaligen Festungswerke ist ein neuer Stadtteil mit hübschen Bauten entstanden, die sogen. halbe Stadt, die bedeutend höher als die übrige Stadt liegt und mit dieser durch einen schönen Park verbunden ist. In diesem befindet sich das Denkmal des Dichters Ewald v. Kleist, der 1759 an seinen Wunden in F. starb. Unter den gottesdienstlichen Gebäuden (5 evangelische, eine kath. Kirche und eine Synagoge) verdienen die Marienkirche (fünfschiffige Hallenkirche aus dem 13. Jahrh., mit vortrefflichen Glasgemälden) und die gotische Nikolaikirche Erwähnung. Die stattlichsten Gebäude von F. sind das Rathaus, das Herrenmeisterhaus, der frühere Bischofshof, das Regierungsgebäude, das Schauspielhaus. F. besitzt Denkmäler Kaiser Wilhelms I. auf dem Wilhelmsplatz und des Prinzen Friedrich Karl, ein Kriegerdenkmal und den Kleistturm auf Kleistshöhe, zum Andenken an Ewald v. Kleist.

Wappen von Frankfurt an der Oder.
Wappen von Frankfurt an der Oder.

Außerdem ist noch das Denkmal des bei einem Rettungsversuch 27. April 1785 in der Oder ertrunkenen Herzogs Leopold von Braunschweig am rechten Oderufer zu erwähnen. Die Einwohnerzahl betrug 1900 mit der Garnison (2 Grenadierregimenter Nr. 8 u. 12, ein Feldartillerieregiment Nr. 18 und eine Abteilung Feldartillerie Nr. 54) 61,852, darunter 4132 Katholiken und 747 Juden. F. hat Maschinen-, Eisen-, Stahl- und Metallwarenfabrikation, eine Eisenbahnwerkstatt, Orgelbau, Fabriken für chemische Präparate, Steingut, Ofen, Zigarren, Schokolade, Zuckerwaren, Kartoffelstärke, Sirup, Spiritus, Filzhüte, Leder, Holzwaren, Papier und Pappe, Bierbrauerei und Branntweinbrennerei. Der Handel, unterstützt durch eine Reichsbankstelle (Umsatz 1902: 319,6 Mill. Mk.), ist ansehnlich und wird durch die drei Messen (zu Reminiszere, Margarete und Martini) gefördert. Haupthandelsgegenstände derselben sind: Leder, besonders Schafleder, Lausitzer Tuche und Buckskins und Rauchwaren. F. ist Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Berlin-Sommerfeld, F.-Küstrin, Großenhain-F. u. a. Die Schiffahrt auf der Oder ist für F. ebenfalls bedeutend. Aus den in der Nähe der Stadt befindlichen Braunkohlengruben wurden 1901: 1,3 Mill. hl Kohlen gefördert. F. hat ein Gymnasium, ein Realgymnasium, Baugewerkschule, Waisenhaus etc. und ist Sitz einer königlichen Regierung, der Generalkommission für die Provinzen Brandenburg und Pommern, eines Landgerichts, eines Landratsamts (für den Landkreis F.), einer Oberpostdirektion, eines Hauptsteueramts, des Stabes der 5. Division, der 9. und 10. Infanterie-, der 5. Kavallerie- und 5. Feldartilleriebrigade. Die städtischen Behörden zählen 17 Magistratsmitglieder und 54 Stadtverordnete. F. ist der Geburtsort der Dichter Ringwaldt (1530), Heinrich v. Kleist (1776) und Franz v. Gaudy (1800). 4 km südlich von F. liegt der Vergnügungsort Buschmühle. – Zum Landgerichtsbezirk F. gehören die elf Amtsgerichte zu: Beeskow, Wendisch-Buchholz, Drossen, F., Fürstenwalde, Müncheberg, Reppen, Seelow, Sonnenburg, Storkow und Zielenzig.

Geschichte. F., im 13. Jahrh. aus einer Ansiedelung fränkischer Kaufleute entstanden, wurde 14. Juli 1253 vom Markgrafen Johann I. von Brandenburg[839] zur Stadt erhoben, die von Berlin das magdeburgische Recht übernahm und bald befestigt wurde. Als während der Wirren unter der Herrschaft des ersten Wittelsbachers in der Mark die Polen auf Veranlassung des Bischofs Stephan von Lebus verwüstend in das Land einbrachen, überfielen die Bürger von F. die bischöfliche Residenz Göritz und brannten sie nieder. Deshalb wurde F. vom Papst Johann XXII. mit dem Interdikt belegt, 1334 zwar davon befreit, aber 1338 und 1350 von Benedikt XII. von neuem damit heimgesucht, und erst 1354 ward dasselbe aufgehoben. 1348 wurde die Stadt, weil sie treu zu Markgraf Ludwig hielt, von dem falschen Waldemar vergebens belagert. Siegmund sicherte der Stadt 1379 die freie Schiffahrt auf der Oder zu. Von 1368 bis etwa 1450 gehörte sie zur Hansa. Die Hussiten belagerten F. zweimal (1429 und 1432) vergeblich, desgleichen 1450 die Polen und 1477 Herzog Hans von Sagan. Am 26. April 1506 eröffnete Kurfürst Joachim I. die vom Papst Julius II. 15. März errichtete Universität (Viadrina), die bald 450 Studierende zählte, 1516 aber nach Kottbus verlegt und erst 1539 in F. wiederhergestellt wurde. Damals wurde auch die Reformation in F. eingeführt. Während des Dreißigjährigen Krieges nahm Gustav Adolf von Schweden die schlecht befestigte und von 6000 Mann kaiserlicher Truppen verteidigte Stadt 3. April 1631 im Sturm und hielt sie bis 11. Aug. 1632 besetzt. Nach dem Treffen von Steinau (1633) nahm sie Wallenstein in Besitz, doch zwang der Kurfürst, verstärkt durch schwedische Truppen, den kaiserlichen Oberst v. Manteuffel 23. Mai 1634 zur Übergabe der Stadt. Von 1640–44 war sie wieder in den Händen der Schweden. Unter dem Großen Kurfürsten ward die Universität wiederhergestellt und während der Pest 1656 nach Fürstenwalde verlegt. König Friedrich I. ernannte den Kronprinzen zum Rektor Magnifikus. Der Handel Frankfurts litt in dieser Zeit zuerst durch den Krieg und später durch die Anlegung des Müllroser Kanals; doch blieben die Messen stark besucht. Der Siebenjährige Krieg brachte der Stadt neue Drangsale. Nach der Schlacht bei Kay (23. Juli 1759) besetzten die Russen unter Soltikow F., in dessen nächster Nähe 12. Aug. die Schlacht bei Kunersdorf geschlagen wurde, und blieben auch in dem nächsten Jahre Herren der Stadt. 1812 wurde F. von dem Grenierschen Korps besetzt, dem der Vizekönig Eugen nachfolgte. Am 21. Febr. 1813 brach dieser auf und ließ den General Girard mit 2500 Mann als Besatzung zurück; dieser räumte F. 2. März, worauf es 9. März von den Russen besetzt wurde. Für den Verlust der Universität, die 1811 nach Breslau übersiedelte, ward F. einigermaßen dadurch entschädigt, daß die beiden Landeskollegien, nämlich die neumärkische Regierung (früher zu Königsberg in der Neumark) und das neumärkische Oberlandesgericht (früher in Soldin), hierher verlegt wurden; das letztere, das Appellationsgericht, verlor F. wieder 1879. Vgl. Hausen, Geschichte der Universität und Stadt F. (Frankf. 1806); Sachse, Geschichte der Stadt F. (1830); Philippi, Geschichte der Stadt F. (1865); Bieder und Pohlandt, Frankfurt a. Oder (1886); Bieder u. Gurnik, Bilder aus der Geschichte der Stadt F. (1898); Bauch, Die Anfänge der Universität F. (Berl. 1900).

Der Regierungsbezirk Frankfurt (s. Karte »Brandenburg«) umfaßt 19,198 qkm (348,67 QM.) mit (1900) 1,179,250 Einw. (61 auf 1 qkm), davon 1,123,712 Evangelische, 46,512 Katholiken und 4986 Juden, und besteht aus den 22 Kreisen:

Tabelle

Über die zehn Reichstagswahlkreise des Regierungsbezirks vgl. die Karte »Reichstagswahlen«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 839-840.
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839 | 840
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