[694] Sparta, im Altertum Hauptstadt der peloponnes. Landschaft Lakonien, lag auf den letzten Ausläufern des Taygetos und dicht am rechten Ufer des Eurotas und bestand aus vier weitläufigen, gartenreichen Quartieren, die zusammen einen Umfang von etwa 9 km hatten. Die Einwohnerzahl mag sich zur Zeit der Blüte auf 2530,000 belaufen haben. Früher hatte die Stadt keine Mauern, da die Bürger ihr als solche dienen sollten; erst der Tyrann Nabis legte eine solche an, die zwar bald darauf von den Achäern zerstört, aber auf Befehl der Römer wiederhergestellt und noch in byzantinischer Zeit erneuert wurde. S. hatte auch keine eigentliche Akropolis, sondern diesen Namen führte nur einer der Hügel der Stadt, auf dessen Spitze neben andern der Tempel der Athene Chalkioikos, an dessen Ostfuße die Agora mit den Versammlungsgebäuden der Gerusia und der Ephoren und der von der persischen Beute erbauten persischen Halle sich befand. Von den einzelnen Quartieren (Komen) wird Pitana im NW. als das schönste genannt. Dort lag das Theater, bis 1906 fast der einzige feste Punkt des Stadtplans. Andre Plätze im O. der Stadt waren der Dromos mit 2 Gymnasien und der mit Platanen bepflanzte Platanistas, wo die Jünglinge zu ringen pflegten. Die Stadt hatte außer den angeführten noch zahlreiche andre Tempel und Monumente, die Pausanias nennt, deren Lage aber durch Grabungen noch nicht festgestellt ist. Reste einer alten Brücke über den Eurotas finden sich an der heutigen Straße nach Tripolitsa. Erst die Anlage der Stadt Mistra (s. d.), westlich von S., veranlaßte dessen Verödung. Die jetzige Stadt S. (s. Sparti), erst 1834 gegründet, nimmt den südlichen Teil des alten S. ein.
[Geschichte.] Die ältesten Bewohner, von den spätern Griechen Pelasger genannt, waren indogermanischen Ursprungs, standen frühzeitig unter orientalischem Einfluß, wurden durch Einwanderungen vielfach vermehrt und verändert und in der Überlieferung unter dem Namen Achäer mit dem Herrschergeschlecht der Atriden an der Spitze (S. unter Menelaos) zusammengefaßt. Durch die Dorische Wanderung (angeblich 1104 v. Chr.) kam Lakonien an die Dorier (s. d.), die es aber nur allmählich eroberten und sich dabei in verschiedene kleinere Gemeinden auflösten. Wann ihre Vereinigung zu einem Staat zustande kam, wissen wir nicht. Seine feste Organisation erhielt er erst im Laufe der Zeit durch eine Gesetzgebung, welche die Überlieferung an den Namen des Lykurgos (s. d. 1) anknüpft. Durch sie wurde S. der Vorort der Landschaft und der Sitz der vollberechtigten Bürger der Spartiaten, die in drei Phylen, die Hylleer, Pamphyler und Dymanen (jede in 10 Oben geteilt), einander nicht nur an Rang und Rechten, sondern auch im Besitz gleich waren; über die ihnen von dem Staat zugewiesenen (4500) Ackerlose durften sie weder durch Verkauf noch durch Schenkung und Testament frei verfügen. Der Ausbildung kriegerischer Tüchtigkeit war ihre gesamte Tätigkeit gewidmet; denn der Spartiate gehörte nicht sich, sondern dem Staat an, und so war das Leben ein fast durchaus öffentliches: Jagden, Leibesübungen, Teilnahme an den Volksversammlungen, an Opfern und feierlichen Chören, Zuschauen bei den gymnastischen Spielen der Jugend u. dgl. füllten, wenn nicht Krieg war, die Zeit des Tages aus. Gewerbe und Künste, Schifffahrt und Handel zu treiben, galt eines Spartiaten für unwürdig. Bereicherung durch Handel war durch das Gesetz, bloß eiserner Münzen sich zu bedienen, ausgeschlossen, überhaupt der Verkehr mit dem Ausland erschwert. Demgemäß lag auch die Erziehung in den Händen des Staates und bildete ein künstlich[694] gegliedertes System, dessen vorherrschender Zweck körperliche Kräftigung und Abhärtung, selbst bei der weiblichen Jugend, und Gewöhnung an streng militärischen Gehorsam war. Daneben wurde der junge Spartiate in der Kürze des Ausdrucks (Lakonismus) geübt, um sich so jene für ihn charakteristische Intensität und Sammlung des Geistes, jene gedrungene und kernige Persönlichkeit anzueignen, und begeisterte sich durch Erlernen dorischer Nationallieder (Tyrtäos) für die Größe des Vaterlandes und seiner Zucht. Die Aussicht des Staates dauerte noch über die Jugend hinaus; er wachte über Einfachheit in dem Bau und der Einrichtung der Häuser, über die Kleidung, über die Zucht der Frauen, selbst über die Musik, und zwang die Männer (immer je 15), um jeden Luxus im Essen zu verhindern, sich zu gemeinsamen einfachen Mahlzeiten (Pheiditien oder Syssitien) zu vereinigen. Die Ehe zum Zweck der Erzeugung gesunder und kräftiger Kinder war geboten; eine kinderlose Ehe wurde aufgelöst, schwächliche Kinder wurden ausgesetzt. Für den Unterhalt dieser Lagerstadt sorgten die Heloten, Leibeigne des Staates, welche die Ländereien der Spartiaten bebauten und ihnen einen bestimmten Zins entrichteten. Das übrige, weniger fruchtbare Land bewohnten in kleinern Gemeinden die Periöken; sie entbehrten aller politischen Rechte und trieben besonders Handel und Gewerbe, waren jedoch zum Kriegsdienst verpflichtet, wie auch die Heloten als Leichtbewaffnete den Spartiaten in den Krieg folgten. Übergang in den Stand der Spartiaten war für sie möglich, wenn sie sich im Krieg auszeichneten (Neodamoden), oder wenn sie, außer der Ehe von einem Spartiaten mit einer Helotin gezeugt, spartanisch erzogen worden waren (Mothakes).
An der Spitze dieses Staates standen zwei Könige als Oberpriester, Feldherren und Richter, Nachkommen des Eurysthenes und Prokles, der Söhne des Aristodemos, des Eroberers von Lakonien, neben ihnen ein Rat aus den 30 Ältesten der Oben, die Gerusia; über die von ihm gestellten Anträge stimmte die Volksversammlung ab, ohne jedoch selbst neue stellen zu dürfen. Über die Aufrechterhaltung dieser Verfassung hatten die Ephoren (s. d.) zu wachen, fünf jährlich gewählte Beamte, die zuerst nur die Zivilgerichtsbarkeit ausübten, später aber, die Uneinigkeit unter den Königen benutzend, sich immer größere Macht ihnen gegenüber anmaßten und ihnen sogar zur Kontrolle in den Krieg folgten.
Nachdem S. sich in den festen Besitz der eignen Landschaft gesetzt hatte, richtete es sein Auge auf das fruchtbare Messenien, das es in zwei langwierigen Kriegen (s. Messenische Kriege) unterwarf, und zwang die meisten übrigen Staaten des Peloponnes zur Anerkennung seiner Hegemonie, indem es mit Klugheit und Umsicht darauf bedacht war, durch Erhaltung der alten staatlichen Ordnungen in den Nachbarländern, namentlich durch Bekämpfung der Tyrannis, seinen politischen Einfluß zu befestigen, hierbei von der delphischen Priesterschaft unterstützt. Beim Beginn der Perserkriege scharte sich ganz Griechenland um die Spartaner, die den Oberbefehl führten, aber sich außer bei Thermopylä in ihnen wenig Ruhm erwarben. Die Fortführung des Kampfes an der Ostküste des Ägäischen Meeres und die Gründung eines großen hellenischen Gemeinwesens unter ihrer Hegemonie vertrug sich nicht mit ihrer auf strenge Abgeschlossenheit berechneten Verfassung. So überließen sie, wenn auch von Neid erfüllt, die Führung der Griechen im Seekrieg den kühnern, tatkräftigern Athenern, zumal sie von innern Erschütterungen heimgesucht wurden. Einen Aufstand der Arkadier und der mit ihnen verbündeten Argeier dämpfte S. zwar glücklich; aber ein Aufstand der Messenier (464455) lähmte des Staates Kraft, und wenn auch die zwischen Athen und S. entstehenden Streitigkeiten (457 Sieg der Spartaner bei Tanagra, 456 bei Önophyta) noch einmal durch die Bemühungen des Kimon und Perikles beigelegt wurden, indem sich beide Staaten den Besitz ihrer Hegemonie verbürgten, so ließen es doch der tiefer liegende Gegensatz zwischen dem ionischen und dem dorischen, dem demokratischen und aristokratischen Element sowie der Neid der auf Athens Macht und Blüte eifersüchtigen Verbündeten Spartas, namentlich Korinths und Thebens, zu keiner dauernden Versöhnung kommen; im Peloponnesischen Krieg (431404) fand der schroffe Gegensatz seinen Ausdruck. S. ging aus ihm als Sieger und scheinbar mächtiger hervor, als es je zuvor gewesen war. Alle frühern Bundesgenossen Athens waren ihm zugefallen; aber es verstand nicht, den gewonnenen Besitz mit Mäßigung und Klugheit zu behaupten. Überall wurden unter Spartas bewaffnetem Schutz oligarchische Verfassungen eingerichtet, die feindlichen Parteien mit blutiger Gewalt unterdrückt. Nach langen, oft siegreichen Kämpfen (Lysandros, Agesilaos) mußte S., da sich die mächtigsten griechischen Staaten erhoben (s. Korinthischer Krieg), durch den Antalkidischen Frieden (387) die vielumstrittene kleinasiatische Küste und die sie bewohnenden Griechen den Persern preisgeben und erbitterten durch die Besetzung der Kadmeia (382) die Thebaner, seine beständigsten frühern Bundesgenossen, so sehr, daß sie sich mit Gewalt befreiten und durch die Schlacht bei Leuktra (371) die spartanische Macht für immer erschütterten, während die mit Theben verbündeten Athener wieder die Herrschaft zur See gewannen. Epameinondas verwüstete 369 Lakonien, vernichtete seine Hegemonie über den Peloponnes, machte Messenien selbständig und brachte so S. an den Rand des Verderbens, aus dem es auch der Tod des Epameinondas nicht erretten konnte.
Alexander d. Gr. versagte es zwar die Heeresfolge, aber der Versuch des Königs Agis II., die mazedonische Herrschaft zu stürzen (330), mißglückte, und nur mit Mühe schützte es sich gegen die Angriffe des Demetrios (296) und des Pyrrhos (272). Der Grund zu diesem Verfall von Spartas Größe lag im Verfall seiner Verfassung, deren alte Form durch seine auswärtige Politik, ihre zeitweiligen Erfolge und die durch sie nach S. geleiteten Reichtümer gesprengt wurde. Die Zahl der Spartiaten, einst 40,000, war auf 700 zusammengeschmolzen, im Besitz herrschte das größte Mißverhältnis, die Aristokratie hatte einer engherzigen Oligarchie Platz gemacht. Der Versuch des edlen Königs Agis III. (244240), die Lykurgische Verfassung wiederherzustellen, scheiterte. Günstiger gestalteten sich die Aussichten für Kleomenes III., der nach einem ruhmreichen Kriege gegen die Achäer 226 seine Reformen mit dem Sturz der Ephoren und der Verbannung der oligarchischen Gegner begann, ohne weiteres Hindernis die Schulden tilgte, die Bürgerschaft durch Aufnahme von Periöken auf 4000 brachte, die Ländereien unter sie nen verteilte und die Lykurgische Zucht wieder einführte. Er war schon im Begriff, die Hegemonie im Peloponnes und in Griechenland wieder zu erkämpfen und an die Spitze des Achäischen Bundes zu treten, als Antigonos Doson, von Aratos herbeigerufen, 221 in der Schlacht bei Sellasia die Macht des kaum verjüngten Staates brach,[695] worauf nach Aufhebung der Reformen S. dem Achäischen Bund beitrat, im übrigen aber seine Unabhängigkeit behielt. Die Tyrannen Machanidas (211207) und Nabis (206192) wurden von Philopoemen nach langen Kämpfen gestürzt und S. für den Achäischen Bund wiedergewonnen, aber der alte Haß der Spartaner gegen ihn blieb; als sie daher 188 wieder abfielen, zwang sie Philopoemen durch energisches Eingreifen, achäische Einrichtungen anzunehmen. Rom sah zu, wie sich die Achäer und Spartaner gegenseitig durch ihre Streitigkeiten entkräfteten, bis der geeignete Zeitpunkt zum Eingreifen gekommen war. Da trennte es S. vom Bund und beließ es nach Unterwerfung des übrigen Griechenlands für seine Rom freundliche Haltung während des Krieges in dem bisherigen Bundesverhältnis. Lykurgische Einrichtungen bestanden fort und sind in ihren letzten Resten erst durch das Christentum verdrängt worden. Die ihnen noch gewährte Freiheit wurde unter den römischen Kaisern zu einem bloßen Schattenbild. Vgl. Manso, Sparta (Leipz. 180005, 3 Tle.); O. Müller, Die Dorier (2. Aufl., Bresl. 1844, 2 Bde.); K. H. Lachmann, Die spartanische Staatsverfassung (das. 1836); Trieber, Forschungen zur spartanischen Verfassungsgeschichte (Berl. 1871); Gilbert, Studien zur altspartanischen Geschichte (Götting. 1872); Busolt, Die Lakedämonier und ihre Bundesgenossen, Bd. 1 (Leipz. 1878); E. v. Stern, Geschichte der spartanischen und thebanischen Hegemonie (Dorpat 1884); Fleischanderl, Die spartanische Verfassung bei Xenophon (Leipz. 1888).
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