Torpēdo [2]

[625] Torpēdo (hierzu Tafel »Torpedos« mit Text), früher jeder mit Explosivstoff gefüllte, zum Zerstören feindlicher Schiffe dienende Apparat (nach dem Zitterrochen benannt). Als Vorläufer der Torpedos können die Brander und Höllenmaschinen gelten. Schon 1620 ersann der Holländer Cornelius van Drebbel ein submarines Ruderboot, an dessen Bug sich eine Pulvermine befand, die unter den Boden des feindlichen Fahrzeuges gebracht und dort entzündet werden sollte. Zu Ende des 17. Jahrh. benutzte man bereits Zeitzünder mit Uhrwerk, das ein Feuerschloß auslöste, oder Dauerlunten, mit denen die Sprengmasse entzündet wurde. 1776 suchte der Amerikaner Bushnell mit Hilfe eines steuerbaren submarinen Bootes am Rumpfe des feindlichen Schiffes ein mit Pulver gefülltes Gefäß anzuschrauben, dessen Uhrwerk nach 12 Stunden die Explosion hervorbringen sollte, hatte damit aber ebenso geringen Erfolg wie mit seinen Faßminen und Schlepptorpedos. Damals wurde der spanische Name T. für diese Waffe allgemein. angenommen. Der Amerikaner Robert Fulton (s. d.) verbesserte Bushnells Ideen, stieß aber überall auf Mißtrauen, und als er im Alter mit einem Spierentorpedo und mit dem Plan einer regelrechten Seeminensperre hervortrat, verwarf die öffentliche Meinung letztere als »heimtückisch und unritterlich«.

Fulton befestigte einen T. mit Kontaktzündung an der Spitze einer langen Stange (Spierentorpedo), um ihn unter den Boden des feindlichen Schiffes zu schieben. Hierzu benutzte man Ruder-, dann kleine, zigarrenförmige Dampfboote (Davids), auch unterseeische Boote und versah später den T. mit elektrischer Zündung. Um den Gegner auf See aus größerer Entfernung mit einem T. angreifen zu können, konstruierten die Gebr. Harvey in den 1860er Jahren einen kastenförmigen Schlepptorpedo (Harvey-, Ottertorpedo), den man mit Schleppleinen ausscheren ließ, um ihn elektrisch oder mechanisch zur Explosion zu bringen. Diese und andre Torpedos wurden 1867 von dem von Lupis und Whitehead in Fiume erfundenen, von Schwartzkopf (Berl.) wesentlich verbesserten und in Bronze ausgeführten Fischtorpedo (Tafel, Fig. 1) übertroffen, der von einer Torpedobatterie, einem Schiff, besonders einem Torpedoboot (Fig. 6) aus mit Hilfe von Lancierrohren oder Torpedokanonen (Fig. 3 u. 4) oder Unterwasserrohren (Fig. 7 u. 8) in bestimmter Richtung ins Wasser getrieben wird, dann aber durch einen Motor eigne Bewegung erhält und dabei selbsttätig eine gewisse Tiefe einhält. Dieser automobile T. ist seitdem von allen Kriegsmarinen als Offensiv-, aber auch als Defensivwaffe eingeführt worden und wird in Deutschland kurzweg T. genannt.

Während die Fischtorpedos als selbständige Geschosse von Schiffen und Torpedobooten aus lanciert werden, hat man für die Küsten- und Hafenverteidigung neuerdings eine größere Zahl verschiedenartiger lenkbarer Torpedos (Lokomotivtorpedos), die meist ein 2–3 km langes elektrisches Kabel hinter sich herschleppen, durch dessen Vermittelung der T. von einer Landbeobachtungsstation gesteuert wird. Hierher gehört der Sims-Edison-Torpedo, der 9 m lang und mit einem Schwimmer verbunden ist, der zur Beobachtung des Kurses ein Fahnen- und ein Kugelsignal trägt. Der ganze T. wiegt 1360 kg, davon fallen 400 kg auf den Sprengstoff (Emmensit). Trifft der T. auf ein Hindernis, z. B. eine Hafensperre, so taucht er vermöge der schrägen Stellung und der scharfen Vorderkante des Stevens unter,[625] kommt aber hinter dem Hindernis wieder empor und setzt seinen Weg fort. Das auf eine Trommel gewickelte Kabel besitzt zwei Leitungen, eine für den Steuerapparat mit dem Steuer und eine für die Dynamomaschine, welche die Welle mit der Schraube treibt. Der Anstoß des Torpedos an das feindliche Schiff macht sich am Lande bemerkbar, und die Zündung erfolgt dann elektrisch durch Umkehrung des Stromes. Man hat bei Benutzung eines Kabels von 3500 m eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 20 Seemeilen erreicht. Der ähnliche Brennan-Torpedo ist 7,6 m lang, von 80–90 cm Durchmesser und wiegt 1270 kg. Er erreicht eine Entfernung von 3000 m und eine Geschwindigkeit von 20 Seemeilen. In seinem Innern befinden sich zwei Rollen mit Drähten, die durch eine Maschine am Land abgewickelt werden. Die Rotation der Rollen setzt die Schrauben in Bewegung. Solange beide Schrauben gleichmäßig gehen, hält der T. seine Richtung ein, während eine Steuerung durch Veränderung des Ganges der einen oder der andern Schraube herbeigeführt wird. Als Hilfsmittel zum Steuern dienen auch zwei Marken. Die Tiefensteuerung ist wie beim Whitehead-Torpedo. Die Sprengladung beträgt 100 kg. Der Patricktorpedo hat Ähnlichkeit. mit dem Sims-Edison-Torpedo; der eigentliche T. wird ebenfalls von einem Schwimmer getragen. Als Treibmittel dient flüssige Kohlensäure, die vor dem Schuß in zwei Anwärmer geleitet wird; die Anwärmer sind Schlangenrohre, die von verdünnter Schwefelsäure umspült werden, in die in regelmäßigen Zeitabschnitten Stücke gebrannten Kalks hineinfallen, wodurch die Schwefelsäure auf 70° erwärmt wird. Auf diese Weise wird die Eisbildung im T. beim Verdampfen der flüssigen Kohlensäure vermieden. Ähnlich ist der Lay-T. Der Viktoriatorpedo wird mit Preßluft getrieben und mit elektrischem Kabel gesteuert. Der schwedische Ingenieur Orling soll sogar Röntgenstrahlen zum Steuern von Torpedos mit Erfolg auf der Werft in Stockholm verwendet haben, und Carter in Victoria (Australien) soll einen neuen lenkbaren T. erfunden haben, der wie ein Fisch jede beliebige Bewegung im Wasser (auch Auf- und Untertauchen) machen kann. Man hat auch Wurftorpedos (eine Art Unterwassergeschoß) und Raketentorpedos versucht, doch mit ihnen bisher nur geringe Erfolge erzielt. Der Nordenfeldt-Torpedo ist ein durch Akkumulatoren betriebenes Fahrzeug mit starker Sprengladung (230 kg Dynamit), aber mit geringer Geschwindigkeit (16 Seemeilen). Besser hat sich der amerikanische Howell-Torpedo bewährt; er hat im Innern ein Schwungrad, das bis 10,000 Umdrehungen in der Minute macht und dem T. Bewegung und Stabilität gegen Abweichungen gibt. Der Tiefenapparat gleicht dem des Fischtorpedos. Die Geschwindigkeit eines 3,6 m langen Torpedos mit 45 kg Sprengladung soll 24 Seemeilen erreichen. Bei dem Buonaccorsi-Torpedo wirkt die komprimierte Luft nicht auf eine Maschine, sondern (unökonomisch) direkt auf die Schraubenflügel. Neuerdings ist in der nordamerikanischen Marine der Bliß Leavith-Turbinentorpedo eingeführt, ein 45 cm-Kaliber, mit 60 kg nasser Schießbaumwolle als Sprengladung; seine Schußweite beträgt 3200 m, seine Geschwindigkeit ist auf 1000 m Laufstrecke noch 36 Seemeilen; seine Schrauben sind vierflügelig. In den europäischen Marinen bildet der Fischtorpedo die Hauptwaffe, doch ist bei der günstigen Entwickelung der Turbinen die Einführung von Turbinentorpedos zu erwarten.

Die Schutzmittel gegen Torpedos bestehen hauptsächlich in reicher Bewaffnung mit gut aufgestellten Schnelladekanonen und guter Wachsamkeit bei Nacht; zur rechtzeitigen Beleuchtung angreifender Torpedoboote sind alle großen Schiffe mit 2–6 starken elektrischen Scheinwerfern ausgerüstet. Die bisher gebräuchlichen Torpedoschutznetze (Bullivantnetze) werden bei neuen Kriegsschiffen fast in allen Seestaaten nicht mehr angebracht, weil sie den mit Netzscheren ausgerüsteten Fischtorpedos doch nicht widerstehen können. Da man aber in England noch am meisten Zutrauen zu den Netzen hat (vielleicht weil dort noch keine sichere Netzschere erfunden ist), sind dort die Linienschiffe mit schwerern, verstärkten Torpedoschutznetzen (Grometnetzen) ausgerüstet. Jedes Netz ist 8 m breit und hat 16,000 sehr kleine Drahtmaschen, deren jede mit sechs schmalen Ringen gehalten wird. Infolge der kleinen Maschen soll die Netzschere nicht genügend Öffnung für den T. schaffen können. Diese neuen Netze sollen auch weiter nach vorn und hinten reichen und den Schiffskörper vollkommen schützen. Die besten Schutzmittel gegen die Torpedogefahr sind neben der Schnellfeuerartillerie und den Scheinwerfern die Vervollkommnung des Zellensystems der großen Schiffe; je mehr wasserdichte Zellen den Schiffskörper bilden, um so länger behält er die Schwimmfähigkeit, wenn auch einzelne Zellen verletzt werden und voll Wasser laufen.

Die Einführung der Torpedos in die Flotte ist nicht ohne Einfluß auf den Schiffbau, die Ausrüstung der Schiffe und die Seetaktik geblieben. Die Ausrüstung hat sich in bezug auf Personal, Torpedoboote, Torpedokanonen nebst Zubehör und auf Schutzmittel, wie Netze etc., vermehrt. In der Taktik ist die Bewegung, hauptsächlich die Annäherung der Schiffe im Begegnen und in der Verfolgung beschränkt worden, denn man wird es vermeiden, sich ohne dringende Veranlassung den Gefahren des Torpedoangriffs auszusetzen. Immerhin hat der T. zwar Einfluß auf den Seekampf gewonnen, den Vorrang aber noch immer den andern Waffen überlassen müssen.

Im letzten Seekriege zwischen Japan und Rußland spielte der T. nur eine Nebenrolle; indessen wurden schon in der Nacht vom 8. zum 9. Febr. 1904 bei dem den Krieg eröffnenden Angriff einer japanischen Torpedobootsflottille gegen das vor Port Arthur verankerte russische Geschwader 2 Linienschiffe und ein großer Kreuzer schwer durch Torpedotreffer beschädigt, und in dem Nachtkampfe gegen das schon im Geschützkampf der Tagschlacht von Tsuschima 27. Mai 1905 sehr geschwächte russische Geschwader wurden von japanischen Torpedobooten 3 russische Linienschiffe und 2 Panzerkreuzer sowie mehrere kleinere Schiffe vernichtet und damit der Sieg des Admirals Togo erst vervollständigt.

Der Name T. ist auch auf andre Sprengwaffen übertragen worden. und man spricht von Landtorpedos (s. d.), Lufttorpedos (s. d.), Torpedogranaten, Granaten mit großer und brisanter Sprengladung. Vgl. »Die Torpedos und Seeminen in ihrer historischen Entwickelung« (Berl. 1878); Ehrenkrook, Geschichte der Seeminen und Torpedos (das. 1878) und Die Fischtorpedos (das. 1878); Sarrepont, Les torpilles (Par. 1880, Suppl. 1883); Charmes, Les torpilleurs autonomes et l'avenir de la marine (das. 1884); Sleeman, Torpedoes and torpedo warfare (2. Aufl., New York 1889); Buchard, Torpilles et torpilleurs des nations étrangères (Par. 1889, mit Atlas); Romocki, Geschichte der Explosivstoffe (Berl.[626] 1895); Gercke, Die Torpedowaffe, ihre Geschichte, Eigenart, Verwendung und Abwehr (Berl. 1898); Brillié, Torpilles et torpilleurs (Par. 1898); Guierre, L'avenir de la torpille et la guerre future (das. 1898); Armstrong, Torpedoes and torpedo vessels (2. Aufl., Lond. 1901); Jane, T. in peace and war (2. Aufl., das. 1904); Plüddemann, Modernes Seekriegswesen (Berl. 1902); v. Bernstorff, Unsere Marine, 1. Abt.: Torpedos (Münch. 1906); Noalhat, Les torpilles et les mines sousmarines (Nancy 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 625-627.
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