Bedienung

[475] Bedienung, 1) s. Bedienen; 2) Bedienung der Geschütze, das Abprotzen, Laden, Richten, Abfeuern u. Aufprotzen des Geschützes. Die Zahl der hierzu bestimmten Artilleristen u. Handlanger hängt von der Schwere des Geschützes u. von der Einrichtung seiner Laffete, also von seiner größeren od. geringeren Beweglichkeit ab. Sie ist daher bei den verschiedenen Artillerien auch verschieden u. steigt beim Feldgeschütz von 6 bis auf 14 M., beim Festungs- u. Belagerungsgeschütz, mit Ausnahme der Mörser, je nach der speciellen Construction desselben, von 4–8 M., bei den Mörsern von 3 od. 4–6 M., beim Schiffsgeschütz von 4 bis zu 6 M. Die Bedienungsmannschaft ist in Nummern vertheilt, von denen jede eigene Verrichtungen übertragen erhält. Die Vertheilung dieser Nummern ist bei jeder Armee sehr verschieden; wir beschreiben dieselbe u. die B. d. G. im Allgemeinen nach dem Reglement der preußischen Artillerie. a) Zu B. der 6pfündigen Feldkanone wird dasselbe von seinem Protz- od. Vorderwagen abgehoben (abgeprotzt), das Geschütz auf den Rädern herum gegen den Feind gewendet, während die Protze umkehrt u. hinter dasselbe fährt, der Munddeckel von Nr. 1, Zündloch- (Pfann-) deckel von Nr. 4 u. das Ladezeug von Nr. 1 losgeschnallt, u. die Mannschaften treten auf den, für sie bestimmten Posten dergestalt an, daß Nr. 1 an dem rechten Achsschenkel, mit der Front nach jedem Geschütz, jedoch so, daß es der Achsschenkel bei dem Rücklauf nicht berühren kann, Nr. 2 eben so, an dem linken Achsschenkel, die Front nach außen, wo der Schuß hingeht, Nr. 3 u. 4 links an das Geschütz, mit der Front gegen dasselbe, der Richtmaschine gegenüber, Nr. 5 u. 6 neben dem Protzsattel, mit der Front gegen das Geschütz, Nr.7 u. 8 2 Schritt hinter 5 u. 6 zu stehen kommt. Der Unteroffizier, der zu jedem Geschütz gehört, steht Anfangs rechts neben Nr. 4, mit der Front nach dem Geschütz, stellt sich aber beim wirklichen Feuern auf die Seite, wo der Wind herkommt, u. beobachtet die Kugelaufschläge. Nachdem nun das Rohr von Nr. 1 mit dem Wischer inwendig rein ausgewischt worden u. Nr. 2, der einen Kartuschtornister an einem Riemen über die Schultern hängen hat, in dem Kartuschtornister die Kartusche ergriffen hat, macht Nr. 3 den Richtbaum von der Laffetenwand los u. tritt an den Schwanz der Laffete, wo er den Baum durch den Protzring u. durch die im Schwanzriegel befindliche Öhse steckt, um das Geschütz zur Richtung wenden zu können. Nr. 4 hält während des Wischens mit dem Daumen der linken Hand, über welchen ein lederner Däumling gezogen ist, das Zündloch zu (damit, wenn ja noch Feuer im Geschütz ist, dieses von dem aufstoßenden Wischer u. wegen Mangels an Luftzutritt erstickt u. so das Losgehen des Geschützes während des späteren Aufsetzens der Kartusche vermieden werde) u. wischt mit einem Pelzlappen (den er mit den Schlagröhren u. der Puderdose in der Schlagröhrentasche vor dem Leib hat) den Pulverschmutz von dem Geschütz ab. Nun zieht Nr. 2 die Kartusche aus dem Kartuschtornister u. setzt dieselbe in die Mündung, Nr. 1 stößt sie mit dem Ansetzkolben zu Boden (setzt sie an). Soll mit Kartätschen gefeuert werden, so nimmt Nr. 2 schnell eine Kartätschenbüchse aus dem Laffetenkasten, wo stets von jeder der 2 Sorten eine Büchse vorräthig ist, Nr. 5 läßt sich Kartätschenschüsse aus dem Munitionskasten geben u. löst nun Nr. 2 ab, welcher die fernere Munition aus der Protze zuträgt. Nr. 4 stößt die Kartuschnadel (Durchschlag), eine. lange stählerne Nadel, die in einer Öhse an der Laffete steckt, mit der linken Hand durch das Zündloch in die Kartusche (räumt es auf); dieselbe Nummer setzt dann mit der rechten Hand die Schlagröhre, nachdem er mit den Zähnen das Papier auf derselben abgerissen hat, ein. Bei den Artillerien, welche Percussionszündung haben, wird das Zündhütchen aufgesetzt u. der Schuß durch den Schlag des Hammers auf das Zündhütchen entzündet; bei denjenigen, welche Frictionszündung führen wird eine dergleichen messingene Zündröhre in das Zündloch eingesetzt, u. durch Ziehen an der Abzugsleine der reibende Theil an der Zündmasse entlang gezogen u. auf diese Weise der Schuß entzündet. Das Einpudern der Schlagröhre bleibt in beiden Fällen weg. Dies geschieht bei einigen anderen Artillerien erst nach dem Richten. Nun erfolgt das Richten, indem von Nr. 4 (der wo möglich ein Bombardier sein muß) dem Geschütz mittelst des Aufsatzes u. der Richtmaschine nach Verhältniß des Schusses eine höhere od. niedere Elevation gegeben wird (vgl. Schießen u. Aufsatz). Nr. 4 biegt sich hierauf mit dem Oberleib über die Laffete, so daß das rechte Auge 1/2 Fuß von dem Aufsatz entfernt ist, u. visirt nun nach dem zu treffenden Gegenstand; die rechte Hand ist zwischen den Laffetenwänden u. klopft rechts od. links an dieselben, je nachdem das Geschütz von Nr. 3 mit dem Richtbaum rechts od. links gewendet werden soll. Hierauf pudert Nr. 4 aus einer blechernen, oben gleich einer Streubüchse mit Löchern versehenen Puderdose Mehlpulver auf die Schlagröhre u. die Stelle auf, wo die Zündung erfolgen soll, u. tritt an seinen [475] Platz zurück. Während dessen hat Nr. 3 den Richtbaum aus den Öhsen genommen, ist seitwärts links neben das Geschütz getreten, hat das Zündlicht od. die Lunte, die er bisher unter dem linken Arm hielt, vorgenommen u. hält sie so, die Kohle aus dem Luntenverberger hervorgenommen, vor sich, daß er das Feuer sehen kann. Auf das Commando: Feuer! entfernt Nr. 4 die Asche durch einen Schlag mit der linken Hand an den Luntenstock von der Kohle u. bringt die glimmende Lunte rasch etwas schräg vor der Schlagröhre auf das Pulver der Zündung (brächte er die Lunte auf die Schlagröhre selbst, so würde er beim Schuß einen empfindlichen Stoß im Arm fühlen, ja vielleicht selbst die Lunte weggeschleudert werden). Einige Artillerien führen statt der Lunte ein Zündlicht. Gleich nach geschehenem Schuß nimmt Nr. 4 die Lunte wieder unter den linken Arm, u. die B. d. G. beginnt vom Auswischen an in der bestimmten Reihenfolge bis zum Feuer. Wird ein Mann dienstunfähig, so wird er sogleich durch Nr. 7 od. 8 ersetzt, Nr. 1–4 müssen stets zur B. eines Geschützes da sein, im Nothfall ersetzt der Unteroffizier Nr. 4. Hat das Geschütz starken Rücklauf genommen, so bringt es die Bedienungsmannschaft wieder vor, indem Nr. 1 den linken Fuß in das Rad setzt u. mit der linken Hand in die Felgen greift, Nr. 2 dasselbe aber mit dem rechten Fuß u. der linken Hand macht, Nr. 3 den Richtbaum in den Protzring steckt u. das Geschütz ein wenig vorbringt; Nr. 4 schiebt nach. Damit Alles in gleichem Tempo geschieht, ruft Nr. 1 bei jeder Bewegung: Vor! Nr. 5 hilft die Munition aus dem Protzkasten nehmen u. regiert das Tau, Nr. 6 trägt in einem Vorrathstornister, wie Nr. 2, die Munition aus der Protze herbei, u. Nr. 7 u. 8 sind Reserve u. halten bei der reitenden Artillerie die Pferde. Nach Aufhören des Feuers wird das Geschütz wieder aufgeprotzt, d.h. wieder auf die Protze gehoben u. mit dem Protznagel befestigt, od. an die Longe (auch Prolonge, Ziehtau, genannt) genommen, d.h. ein Tau an den Schwanz der Kanone befestigt, wodurch dieselbe vorwärts bewegt werden kann. b) Zwölfpfünder werden durch 1 Unteroffizier u. 12 M. bedient; Nr. 1–6 sind ganz wie beim Sechspfünder, Nr. 7 u. 8 stehen hinten zu beiden Seiten des Laffetenschwanzes, haben Hebebäume u. helfen das Geschütz bewegen u. richten; Nr. 9 ist bei dem Munitionswagen, Nr. 10 ist mit einem Vorrathstornister bei letzterem, Nr. 11 u. 12 sind Reserve u. helfen abprotzen u. Munition tragen. c) Die 7pfündige Haubitze bedienen 1 Feuerwerker u. 11 M.; Nr. 1–8 wie beim Sechspfünder, doch sind Nr. 2 u. 4 Bombardirer; Nr. 9 führt den Munitionswagen, Nr. 10 bringt Granaten, Nr. 11 ist Reserve beim Wagen. Nr. 10 tritt mit einer 7pfündigen Granate unterm Arm links neben Nr. 6 u. dann 1 Schritt hinter Nr. 2, dem er, nachdem Nr. 1 Flug u. Kammer der Haubitze ausgewischt u. Nr. 2 die Kartusche mit der Hand in die Kammer gelegt hat, die Granate übergibt, der sie, den Zünder nach außen, in die Haubitze legt u. die Züudschnur ausbreitet, worauf die B. wie gewöhnlich erfolgt. Die Richtung der Haubitze erfolgt bes. bei großen Distancen u. in bergigem Terrain mittelst des Richtloths u. des Quadranten, überall da, wo man die neueren Visireinrichtungen (s. Geschütz) noch nicht eingeführt hat. d) Die 10pfündige Haubitze wird mit 1 Feuerwerker u. 14 M. besetzt; ihre B. verhält sich zu der der 7pfündigen Haubitze, wie die des 12Pfünders zum 16Pfünder. e) Die B. des Festungsgeschützes ist nur wenig von der oben beschriebenen verschieden; so auch f) die B. der Schiffskanonen, wo jedoch vor dem Richten Zündkraut auf die Pfanne geschüttet u. nach genommener Richtung durch Anziehen der Schnur des Abdrückers das an ihnen befindliche Feuerschloß losgedrückt wird. Bei fast allen Armeen ist entweder ein solches Percussionsschloß bei den Feldgeschützen eingeführt, wo ein verhältnißmäßig großes Zündhütchen (wie schon oben erwähnt) auf einen eingeschraubten Zündstift gesetzt u. durch den Schlag eines stählernen Hammers entzündet wird, od. die Entzündung durch ein in das Zündloch gesetztes Zündhütchen (Schlagrohr, Durchschlagebrändchen) stattfindet, an dessen oberem Ende ein Frictionszündholz u. eine Reibevorrichtung angebracht sind. g) Leichte Mörser bedienen 4 M., worunter 1 Bombardier. Bei je 2–3 solcher Mörser sind noch 1 Feuerwerker als Commandirender u. 1 Bombardier, um die Ladungen in die Pulverkammer abzuwiegen. Der Mörser wird von Nr. 1 ausgewischt, der Block in die Linie gebracht, der Elevationswinkel mittelst eines Senkbleis u. Quadranten genommen, die Ladung mittelst Lademaß eingeschüttet, die Bombe von Nr. 4 (der, wie bei der 6pfündigen Kanone, eine Schlagröhrtasche um hat) mittelst Bombenhakens eingebracht, die Zündschnur zurecht gelegt, die Zündung eingesetzt u. Feuer gegeben, dessen Wirkung Nr. 1 u. 2 beobachten. Nach dem Wurf wird der Mörser durch Hebebäume wieder etwas vorgebracht. Schwere Mörser werden von 6 M. auf ähnliche Weise, wie die leichten, bedient, nur daß 2 M. die Bombe an Bombenhaken herbeitragen u. einsetzen. Sonst entzündete man den Zünder der Bombe u. dann rasch die Ladung des Mörsers, jeden besonders (mit 2 Feuern werfen), jetzt entzündet man die Ladung wie bei den Kanonen durch ein Durchschlagebrändchen, Schlagrohr od. durch einen Frictionszünder u. durch die Explosion der Pulverladung zugleich die Brandröhre der Bombe (aus dem Dunst werfen). Über das Manövriren mit mehreren Geschützen, s.u. Batterie, Bewegung der Geschütze u. Bespannung der Geschütze.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 475-476.
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