Jahn [2]

[713] Jahn, 1) Johann, geb. 1750 in Taswitz in Mähren; wurde Professor der Theologie an der Universität in Wien, legte 1807 dies Amt nieder u. wurde Canonicus; er st. 1816 u. schr.: Chaldäische u. syrische Sprachlehre, Wien 1793: Arabische Sprachlehre, ebd. 1796; Gramm. hebr., ebd. 1809; Biblische Archäologie, 2 Bde., ebd. 1797–1800, 2. Aufl., ebd. 1817 f.; Introductio in libros sacros veteris foederis, ebd. 1804, 3. Ausg. ebd. 1825; Archaeologia bibl., ebd. 1804, 2. Aufl., ebd. 1814; Commentarius crit. in libros prophet. Vet. T., ebd. 1815. 2) Friedrich Ludwig, der Turnvater genannt, geb. 11. Aug. 1778 in Lanz in der Priegnitz, Sohn eines Predigers; studirte in Halle u. Göttingen Theologie, war dann Hauslehrer in Greifswald, ging 1805 nach Jena, um preußischer Soldat zu werden, u. floh nach der Schlacht mit nach Lübeck; 1809 kam er nach Berlin, wurde 1810 Lehrer am Kölnschen Gymnasium u. gründete hier 1811 eine Turnanstalt, um die Jugend durch Entwickelung der physischen Kräfte u. Abhärtung von der weichlichen Erziehung abzuleiten; 1813 sprach er kräftig für die Erhebung des preußischen Volks, trat mit den meisten seiner Turner in das Lützowsche Korps, wurde hier Offizier u. führte temporär das dritte Bataillon. Nach dem Frieden nach Berlin zurückgekehrt, richtete er sogleich seine Turnanstalt wieder ein, wurde 1817 als Turnlehrer angestellt u. hatte großen Zulauf. Da aber über der Sorge für körperliche Gewandheit u. Stärke nicht nur der Sinn für gute Sitte u. Anstand vernachlässigt, sondern auch die Jugend in die Politik gezogen wurde, so entstand, nachdem schon Eltern u. Vormünder der Pfleglinge der Turnanstalt sich mißbilligend über die dortige Erziehung ausgesprochen hatten (vgl. Wadzeck), auch von Staatswegen Argwohn gegen die Jahnsche Art, u. 1819 wurden nicht nur die Turnanstalt in Berlin u. dem ganzen Preußischen Staate geschlossen, sondern auch J. selbst, der eben einen Ruf als Professor nach Greifswald annehmen wollte, demagogischer Umtriebe verdächtig, verhaftet, zur Untersuchung gezogen u. nach Spandau, dann nach Küstrin u. zuletzt 1820 auf ministeriellen Befehl nach Kolberg gebracht; er wurde zwar 1824 durch das Oberlandsgericht in Breslau zu zweijähriger Festungsstrafe verurtheilt, durch das zu Frankfurt a. d. O aber 1825 freigesprochen u. lebte, mit Beibehaltung seines Gehalts, zu Freiburg an der Unstrut, dann auf polizeilichen Befehl seit 1829 zu Kölleda; doch erhielt er hernach Erlaubniß wieder nach Freiburg zurückzukehren, wo 1838 seine Wohnung abbrannte. 1848 wurde er vom Freiburger Wahlbezirk in die Deutsche Nationalversammlung gewählt, wo er zur äußersten Rechten gehörte u. in den Septembertagen kaum thätlichen Mißhandlungen entging. Er st. 15. Oct. 1852 in Freiburg u. schr.: Deutsches Volksthum, Lübeck 1810, 2. Ausg. Berl. 1816; Runenblätter, ebd. 1816; Die deutsche Turnkunst, ebd. 1816; Neue Runenblätter, Naumburg 1828 u.a.m.; Lebensbeschreibung von Pröhle, Berl. 1855. 3) Johann Christian, geb. 1797 in Stolzenhain bei Elsterwerda in Sachsen, wurde 1819 Collaborator an der Thomasschule, 1823–25 Adjunct an der Landesschule in Grimma, habilitirte sich 1826 als Privatdocent in Leipzig u. wurde 1828 Collaborator u. 1835 Conrector an der Thomasschule, als welcher er den 19. Sept. 1847 starb. Er gab heraus die 3. Ausgabe der Metamorphosen Ovids von Gierig, Lpz. 1821; Horaz, Lpz. 1826, u. Aufl., ebd. 1827, Virgil, ebd. 1825, 2. Aufl. 1838, Ovid, ebd. 1828–32, 2 Bde.; einzeln die Tristia, ebd. 1829, u.a.m.: auch war er Mitredacteur der von ihm 1826 begründeten Jahrbücher für Philologie u. Pädagogik. 4) Gustav Adolf, geb. 1804 in Leipzig, studirte, nachdem er die Mechanik praktisch[713] erlernt hatte, in Leipzig u. Göttingen Mathematik u. Astronomie, besuchte seit 1831 längere Zeit die Sternwarten in Jena, Hamburg, Altona u. Berlin, lebte seit 1834 in Leipzig, wo er Director der astronomischen Gesellschaft war, u. st. 5. Jan. 1857. Er schr. u.a.: Praktische Astronomie, Berl. 1834 f., 2 Thle.; Tafeln sechsstelliger Logarithmen, Lpz. 1837; Populäre Sternkunde, ebd. 1843; Geschichte der Astronomie von 1801–42, ebd. 1844, 2 Bde.; Wörterbuch der angewandten Mathematik, ebd. 1845, 2 Thle.; Verzeichniß aller bis 1847 berechneten Kometenbahnen, ebd. 1847; Populäre Astrognosie, ebd. 1848; mit E. F. Vogel, Anleitung zum Studium der Erdkunde, ebd. 1847; Katechismus der Astronomie, 1851; Generalregister der Astronomischen Nachrichten Bd. 1–40, Hamb. 1851–56, 2 Bde.; er gab auch von 1849 an bis zu seinem Tode die Zeitschrift: Unterhaltungen für Dilettanten u. Freunde der Astronomie etc. heraus. 5) Otto, geb. 16. Juni 1813 in Kiel, studirte seit 1831 daselbst u. in Leipzig u. Berlin Philologie, lebte 1837–39 in Rom, habilitirte sich dann in Kiel, wurde 1842 Professor der Alterthumswissenschaften in Greifswald u. 1847 in Leipzig; wegen seiner Theilnahme an den liberalen Bestrebungen 1848 u. 1849 im Jahre 1851 seines Amtes entsetzt, privatisirte er erst in Leipzig, dann längere Zeit in München, bis er 1856 Professor der Philologie u. Archäologie in Bonn wurde. Er schr. u.a.: Über Mendelsohn's Paulus, Kiel 1842; Archäologische Aufsätze, Greifswald 1845; Archäologische Beiträge, ebd. 1847; Beschreibung der Vasensammlung König Ludwigs in der Pinakothek in München, Münch. 1854; Biographie Mozarts, Lpz. 1856–1858, 3 Bde.; gab heraus den Persius, ebd. 1843; Censorinus, Berl. 1845; Florus, Lpz. 1852; Juvenalis, ebd. 1852 f.; Cicero's Brutus (Lpz. 1849) u. Orator (1851); des Apulejus Psyche et Cupido, ebd. 1855; auch Goethes Briefe an Leipziger Fremde, Lpz. 1819. 6) Gustav (Pseudonym Gottlieb Schulze), geb. 23. Februar 1818 in Sandersleben im Herzogthum Anhalt-Dessau, erlernte das Handwerk seines Vaters, eines Weißgerbers, beschäftigte sich aber in seinen Freistunden mit seiner Fortbildung, u. gab 1847 ein Bändchen weltlicher Gedichte unter dem Namen Gustav Frisch heraus. Nach dem Tode seiner Eltern gab er sein Geschäft auf u. übernahm die von denselben betriebene kleine Landwirthschaft. Er schr.: Das Hohelied in Liedern, 2. A., Halle 1848; Erzählungen fürs Volk, ebd. 1850; Geschichte der Französischen Revolution; Geschichte der Befreiungskriege u.a. Gesammelte Schriften, Stett. 1847 ff., 3 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 713-714.
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