[510] Göttingen, 1) Fürstenthum des Königreichs Hannover (sonst Oberwald genannt), grenzt an die preußische Provinz Sachsen u. Westfalen u. an Kurhessen, 32,2 QM.; ist bergig (Wesergebirge, Kleiner Solling [mit dem Bramwalde] u. Großer Solling [Sollinger Wald]), bewässert von der Werra, Fulda, Weser, Leine, Ruhme u.a., ist gut angebaut; Producte: Getreide, Tabak, Flachs, Holz, einige Mineralien; die Einwohner (117,937, meist Lutheraner, nur 2500 Katholiken, 1000 Reformirte u. 1200 Juden) treiben bes. Ackerbau u. Leinweberei; 2) Hauptstadt der Provinz, am Fuße des Hainbergs, 11,228 Ew., an der Hannoverschen Südbahn (Hannover-Kassel) u. an der, aus der alten, um Mühlen zu treiben, abgeleiteten neuen Leine, hat Wasserleitungen vom nahen Reinhartsbrunnen; theilt sich in die Alt-, Neustadt u. Masch, hat einen mit Linden besetzten, zur Promenadedienenden Wall, Anlagen vor den Thoren, bes. vor dem Alleethore, mit Denkmal Bürgers; Obergericht, Generalsuperintendentur u.m.a. Behörden, fünf lutherische Pfarrkirchen (Jacobikirche, Universitätskirche), eine reformirte u. eine katholische Kirche, ein israelitischer Tempel, Rathhaus. G. hat eine, 1734 von Georg II. gestiftete, 1737 eingeweihte Universität (Georgia Augusta). Sie erhob sich, bes. unter der Vorsorge ihres ersten Curators, des Ministers von Münchhausen, bald zu einer der ausgezeichnetsten Deutschlands; sie zählt jetzt über 105 Professoren, Doctoren u. Lehrer, 700 (sonst gegen 1500) Studenten u. ist für Hannovern. Braunschweig Landesuniversität. Mit der Universität verbunden sind folgende Wissenschaftliche Anstalten: Bibliothek, mit mehr als 400,000 Bänden u. gegen 5000 Handschriften, das akademische Museum nebst Münz- u. Gemäldesammlung, das 1842 mit großem[510] Kostenaufwande gestiftete Physiologische Institut mit physikalischem Cabinet u. physikalischem Instrumentenapparat, Sternwarte, Chemisches Laboratorium, Anatomie, Blumenbachsche Schädelsammlung, Entbindungshaus, ein akademisches Hospital u. damit verbundenes Medicinisches u. Chirurgisches Clinicum, Thierarzneischule, Botanischer u. ökonomischer Garten, Archäologisches Institut, Homiletisches u. Philologisches Seminar u. königliche Societät der Wissenschaften (s. Akademie). Andere Unterrichtsanstalten: Gymnasium, zwei höhere Töchterschulen, 7 Parochialschulen, eine Gewerbeschule, Werk- (Arbeits-) haus, gute Armenanstalten, Waisenhaus. G. hat Manufacturen in Tuch, Flanell- u. Wollenzeugen, Hüten, Seife, Tabak, Eisen-, Stahl-, Gold-, Silber-, Drechslerwaaren, Pfeifenköpfen, Leder, Zwieback, chirurgischen u. mathematischen Instrumenten, eine Buntpapierfabrik, eine Linnenlegge, 3 Buchhandlungen, 5 Buchdruckereien, berühmt sind die G-r Mettwürste. Vergnügungsorte: Civilclubb (seit 1798) in dem sogenannten Kaufhause, Literarisches Museum, während der Wintermonate musikalische Abendunterhaltungen, Theater, der v. Sehlensche (früher Ulrichsche) u. der v. Mengershausensche Garten; Freimaurerloge: Augusta zum goldenen Zirkel. In der Umgegend G-s werden besucht: Rohns Ankagen (Volksgarten), der Hainberg, Weende, Grohnde, Geismar, Diemarden, Reinhausen (vorzügliche Anlagen an Felsen [Reinhäuser Felsen]), Bovenden, Nörten, mit Schloßgarten (in dessen Nähe die Ruinen des Schlosses Hardenberg), Mariaspring (dabei die Ruinen der Plesse), Körstlingeröderseld. G., Anfangs ein Dorf, auf dessen Feldmark die kaiserliche Pfalz Grone lag, erhielt wahrscheinlich von Kaiser Otto IV. um 1210 Stadtrecht. Es war den Herzögen von Braunschweig u. Lüneburg erbunterthänig u. war im 14. Jahrh. Glied der Hansa. Zu verschiedenen Malen war G. Hauptort eines einzelnen Fürstenthums des Hauses Braunschweig u. Sitz der Linie Braunschweig-G., die mit Albrecht II dem Fetten begann u. mit Otto dem Einäugigen endete, s. Braunschweig (Gesch.) II. A) b), worauf G. an Wilhelm I. von Braunschweig-Wolsenbüttel u. in Folge der Landestheilung von Wilhelm II. an Erich fiel. G. widersetzte sich dieser Erbschaftsfolge u. verweigerte anfangs Erich I. die Huldigung, die erst 1513 erfolgte, s. ebd. Es entstand dadurch zwischen der Stadt G. u. Erich ein gespanntes Verhältniß, u. Letzter residirte deshalb in Münden, Neustadt u. auf dem Kalenberge; das Fürstenthum G. hieß deshalb später Kalenberg mit G. 1641 wurde G. von den Österreichern vergebens belagert u. von den Franzosen im Siebenjährigen Kriege 1760 provisorisch befestigt. 1734 wurde die Universität gegründet. Am 8. Jan. 1831 brach in Folge der Julirevolution in Frankreich u. wegen Unzufriedenheit mit manchen bestehenden Verhältnissen u. Abgaben in G. ein Aufruhr aus, welcher durch das Einschreiten der bewaffneten Macht gedämpft wurde. 1837 protestirten die sieben Professoren Albrecht, Dahlmann, Ewald, Gervinus, J. u. W. Grimm u. W. Weber gegen die Aufhebung der Verfassung von 1833 u. wurden deshalb entlassen. Vgl. M. Ritel, Versuch einer skizzirten Beschreibung von G., ebd. 1794; Billerbeck, Geschichte der Stadt G., ebd. 1797; C. Meiners, Kurze Geschichte der Stadt G., Berl. 1811; Marx, G. in medicinischer u. historischer Hinsicht geschildert, ebd. 1824; Der Aufstand im Königreich Hannover im Jahr 1831, Lpz. 1831; Hollmann, Die Universität zu G., Gött. 1787; E. Brandes, Über den gegenwärtigen Zustand der Universität G., ebd. 1802; Pütter, Versuch einer akademischen Gelehrtengeschichte der Universität G., 2 Bde:, Gött. 176588, fortgesetzt von Saalfeld, Hamb. 1820, u. von Osterley, Gött. 1838; Rößler, Die Gründung der Universität G., Gött. 1855.