[284] Taubheit (Surditas), 1) Schwerhörigkeit (Baryecoca; 2) vollkommener Mangel des Gehörs (Cophosis). Die Grade der Schwerhörigkeit bis zur völligen T. sind sehr zahlreich u. durch den Akoëmeter (ein Instrument, um den Grad des Gehörs zu messen) nach Graden zu vermessen. Der Anfang der T. ist meist ganz unmerklich; in anderen Fällen ist die Entwickelung des Übels durch eine andere Krankheit ausgezeichnet, deren Folge die Schwerhörigkeit ist. Auch die weiteren Fortschritte verhalten sich verschieden, bald steigert sich die Krankheit bis zur vollkommenen T., bald verschlimmert sie sich plötzlich, nachdem sie Jahre lang sich nicht verändert hatte. Fast immer wird sie stärker im Alter, in den Stufenjahren, während der Annäherung der Katamenien, bei Gemüthsunruhe, nach reichlichen Mahlzeiten, heftigem Laufen, bes. während naßkalter Witterung. Die entgegengesetzten Umstände bedingen eine Verminderung od. wohl gar gänzliches Schwinden des Übels. Manche sind nur im Winter taub. Bald ist die T. eine isolirte Krankheit, bald ist sie mit anderen verbunden, vorzüglich des Gehirns u. seiner Anhänge, wobei sich hartnäckige Kopfschmerzen, Schwindel, apoplektische Anlage, Schwäche des Gedächtnisses zeigen, mit dem lymphatisch-scrophulösen Zustande, mit einer eigenthümlichen Anlage zu Katarrh u. mit Hautkrankheiten, bes. den Flechten, Masern u. Scharlach. Ursachen der T. sind: a) krankhafte Zustände in der aufnehmenden, fortleitenden u. empfindenden Partie des Ohres, als Schleim od. Eiterfluß aus dem Ohre, Geschwüre u. Caries des weichen u. knöchernen Gehörgangs, polypöse u.a. Auswüchse des äußeren Gehörganges, verhärtetes Ohrenschmalz u. fremde Körper in demselben, Verengerung u. vollständige Verschließung des äußeren Gehörganges, Erweiterung desselben, Verdickung des Trommelfells, Durchbohrung des letzteren, zumal wenn die Öffnung sehr groß ist, in der Mitte sich befindet u. die Gehörknöchelchen trifft, Verstopfung u. Verschließung der Eustachischen Trompete; die Schwerhörigkeit, von diesem Zustande abhängig, ist sehr veränderlich; die Veränderungen treten schnell u. plötzlich nach Niesen, Schneuzen, starkem Räuspern ein, nach u. nach werden diese Abwechselungen seltener u. hören endlich ganz auf; im äußeren Gehörgange findet man viel Ohrenschmalz, welches dünner als gewöhnlich ist, u. das Trommelfell nicht durchsichtig; diese T. ist weniger hartnäckig, als viele andere, u. weicht oft einer angemessenen Behandlung, wenn sie lange fortgesetzt wird. b) Blutextravasat in der Trommelhöhle; T. entsteht hier plötzlich u. verschwindet langsam wieder, wenn das ausgetretene Blut aufgesogen wird, od. von selbst aus dem Ohre herausfließt. c) Geschwülste, welche die Hörnerven drücken, veranlassen Ausschwitzungen im Gehirn; die T. ist dann nur Symptom jener Hirnkrankheiten. d) Empfindungslosigkeit der Hörnerven (nervöse T.); diese kann aber wiederum entstehen durch heftige Erschütterung der Hörnerven; war die Erschütterung nicht sehr bedeutend, so kehrt das Gehör in einiger Zeit von selbst wieder, geschieht dies nicht, so hat man die T. für unheilbar zu erachten; bei Kindern nach vorhergegangenen Convulsionen; mit Lähmung einer Seite, Schwäche des Verstandes, Gedächtnisses; auch dieser Zustand ist unheilbar; durch schlagflüssige Anfälle; bei nervösen, bösartigen Fiebern; verschwindet meist während der Reconvalescenz. Endlich wird oft auch ohne vorhergegangene Ursache u. bemerkbare Veränderung der Nerv unempfindlich (rein nervöse T.), am häufigsten nach dem 40. Lebensjahre. Die Schwerhörigkeit fängt hier ganz unmerklich an u. nimmt nach u. nach zu, bis mit dem Eintritte des Greisenalters das Gehör gänzlich verloren geht. Wenn das Gehör in frühster Jugend verloren geht, od. die T. angeboren ist, so hat dieser Mangel auf das ganze psychische Leben einen störenden Einfluß. Eine natürliche u. nothwendige Folge der angebornen u. in früherer Jugend entstandenen T. ist daher Stummheit u. es werden dann solche Individuen taubstumm (s.d.) genannt. Die angeborene T. ist schwer zu beseitigen, u. in den seltensten Fällen gelingt dies durch dieselben Heilmittel, welche den verschiedenen Arten der später entstandenen T. nach Maßgabe ihrer Ursachen entgegengesetzt werden. Bei Leichenöffnungen Tauber findet man häufig keine Abnormitäten im Ohre; in manchen Fällen kommen aber Verwachsungen im äußeren Gehörgange, der Trommelhöhle, der Eustachischen Röhre, den Zellen des Zitzenfortsatzes, Zerstörungen od. Ankylose, Caries der Gehörknöchelchen, Zerstörung u. Verdickung des Trommelfells vor; in anderen Fällen zeigen sich Geschwülste, welche die Eustachische Trompete an der Mundöffnung verschließen, mancherlei Fehler der Nerven od. des Labyrinths, organische Veränderungen. des Gehirns, welche auf die Gehörvenen einwirken. Die Prognose der T. richtet sich nach den angeführten Ursachen. Im[284] Allgemeinen ist Schwerhörigkeit u. T. sehr schwer heilbar; als unheilbar erscheinen sie, wenn Symptome von Hirnleiden sich zeigen, wenn sie im höheren Lebensalter ohne Leiden des äußeren Gehörganges u. ohne eine andere Störung der Gesundheit sich nach u. nach steigern u. durch keine momentane Verbesserung unterbrochen werden; wenn sie als Folgen des Schlagflusses, acuter, bes. nervöser Krankheiten, eines starken Schalles, von Kopfverletzungen eintreten. Selten verliert sich die T. wieder, wenn sie einige Monate gedauert hat. Was die Heilung anlangt, so ist dieselbe bereits bei Angabe der Ursachen, nach denen sie sich richten muß, angeführt worden. Ableitende Mittel auf die Schleimhäute, auf die äußere Haut, wirken noch am meisten. Als Palliativmittel bedient man sich der Hörröhre (s.d.). 3) T. der Glieder (Stupor artuum), ein lästiges, vorübergehendes od. auch anhaltendes Gefühl von Schwere u. Vermehrung des Umfangs in den Gliedern, wobei der leidende Theil wenig od. gar keine Empfindlichkeit hat, mit erschwerter Beweglichkeit. Das Gefühl, welches vorzüglich die Haut trifft, ist nicht eigentlich schmerzhaft, sondern prickelnd u. gelind stechend, od. wie Ameisenkriechen, od. gelind nagend, gleichsam schwärend, od. juckend, od. kältend wie das von einem auf die Haut fallenden Tropfens eiskalten Wassers, od. anwehend, od. pelzig, als liege etwas Weiches fest auf der Haut, od. drückend, als werde man gepackt. Die T. der Glieder rührt entweder von gehindertem Zu- u. Rückfluß des Blutes in dem leidenden Theile, od. von gehemmter Nervenwirkung durch Druck, Quetschung auf einzelne Nerven etc. her, od. beruht auf einem niederen Grade der Lähmung (s.d.); vgl. Einschlafen.