Dreissigfährige Krieg

[594] Dreissigfährige Krieg (der), welcher von 1618–48 Deutschland verheerte, hatte sich seit dem Tode Karl V. vorbereitet. Beeinträchtigungen der Protestanten von Seiten der Reichsgerichte, in welchen die Katholiken das Übergewicht hatten, die Bestrebungen der Jesuiten, dem Katholicismus wieder allgemeine Geltung zu verschaffen, das unglückliche Schicksal der Niederländer, das gewaltsame Verfahren gegen die protestant. Reichsstadt Donauwörth (1607) und andere Umstände brachten nach und nach eine solche Spannung zwischen den beiden Religionsparteien hervor, daß der Ausbruch von Feindseligkeiten unvermeidlich schien. Es schlossen daher 1608 mehre evangelische Fürsten, an deren Spitze Kurfürst Friedrich von der Pfalz stand, die sogenannte Union, um sich gegenseitig zu schützen. Die Katholiken setzten dieser Verbindung eine ähnliche in der Liga unter dem Kurfürsten Maximilian von Baiern entgegen und die noch mangelnde nächste Veranlassung zum offenen Kriege fand sich in Böhmen. Hier bauten die protestantischen Gemeinden zu Braunau und Klostergrab neue Kirchen. Der Abt von Braunau und der Erzbischof von Prag aber, dem das Städtchen Klostergrab gehörte, wollten dies verhindern, indem sie meinten, der Majestätsbrief, auf den die Gemeinden sich beriefen, gäbe das Recht der Errichtung neuer Kirchen und Schulen nicht allen böhmischen Protestanten, sondern nur den Städten und Gemeinden, welche unmittelbar unter dem Kaiser und nicht unter einem katholischen Geistlichen oder weltlichen Herrn ständen. An den darüber entstehenden Streitigkeiten nahmen bald die sämmtlichen protestantischen Stände Böhmens Antheil, da es die Aufrechthaltung der erlangten Freiheiten und Rechte galt. Als nun vollends. vom Kaiser Matthias eine den Protestanten ungünstige Entscheidung der Sache erfolgte und man gewaltsam gegen dieselben zu verfahren anfing, machte die lange gehegte Erbitterung gegen die Katholiken, deren gefährliche Absichten immer offener hervortraten, sich Luft. Abgeordnete der protestantischen Stände, unter ihnen Graf Thurn, eilten nach Prag und drangen am 23. Mai 1618 bewaffnet in das Schloß, wo die kais. Statthalter, denen man die Schuld an der Antwort des Kaisers beimaß, versammelt waren. Die Böhmen verlangten hier bestimmte Auskunft, von wem das kais. Schreiben verfaßt sei und gingen in ihrer Hitze so weit, daß sie die kais. Räthe Slawata und Martiniz, die sie besonders im Verdachte hatten, nebst dem Secretair Fabricius zum Fenster hinaus in den 80 F. tiefen Schloßgraben warfen, aus dem dieselben jedoch unbeschädigt entkamen, da sie auf weichen Boden trafen und die Gewalt des Falles durch ihre Mäntel gemildert wurde. Die Furcht vor den Folgen dieses Schrittes bewirkte einen allgemeinen Aufstand der Böhmen, denen sich bald die Nebenländer Schlesien und Mähren anschlossen. Man errichtete eine ungesetzliche Regierung von 30 Directoren, verjagte die Jesuiten, eroberte unter der Anführung des Grafen Thurn und des Grafen Ernst von Mansfeld, der den Böhmen insgeheim von der Union mit 4000 M. zu Hülfe gesandt worden war, die wenigen dem Kaiser ergebenen katholischen Städte und erklärte nach des Kaisers Matthias im Jan. 1619 erfolgtem Tode seinen schon 1617 zum König von Böhmen ernannten Vetter Ferdinand, noch ehe derselbe am 28. Aug. 1619 zum Kaiser erwählt wurde, der Krone Böhmens für verlustig, die man dem Haupte der Union, dem reformirten Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, verlieh. Ferdinand schien höchst gefährdet, da auch die Protestanten Ungarns ihn absetzten und Ostreich, wo die Katholiken die Minderzahl waren, ihm die Huldigung versagte; allein Maximilian von Baiern und die Liga retteten ihn. Nachdem Ersterer die Union zu dem Versprechen vermocht hatte, sich ruhig zu verhalten und nur die Rheinpfalz zu schützen, wo sie gleichwol das Einrücken der Spanier unter Spinola nicht verhinderte, unterwarf er Östreich, rückte dann nach Böhmen vor und besiegte [594] die von dem Fürsten Christian von Anhalt commandirte Armee Friedrich's auf dem weißen Berge bei Prag am 8. Nov. 1620. Friedrich floh, die Böhmen wurden unterworfen und hart bestraft, der Majestätsbrief ward aufgehoben und der Protestantismus gewaltsam unterdrückt, was bald auch in Ostreich und Schlesien geschah. Die Union löste sich 1621 gänzlich auf; Kursachsen, welches nie zur Union gehört hatte, war durch Abtretung der Lausitz für den Kaiser gewonnen, die Protestanten und Friedrich waren ihrem Schicksal preisgegeben und der Krieg schien geendigt, nachdem auch Ernst von Mansfeld, Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel und Georg Friedrich von Baden, welche dem geächteten, nicht eben heldenmüthigen Friedrich seine rheinischen Besitzungen gegen die Spanier und die ligistischen Truppen unter Tilly wiedererobern wollten, nach tapferm Kampfe untergegangen waren. Als aber der Kaiser im J. 1623 eigenmächtig die Reichsacht über Friedrich aussprach und die Kurstimme mit der Pfalz an Baiern übertrug, wodurch die Stimmen der Katholischen im Kurfürstenrathe das Übergewicht erhielten; als die Gewaltschritte gegen die Protestanten im südl. Deutschland den ganzen Protestantismus bedroht erscheinen ließen, da rüstete sich der niedersächs Kreis, angeblich um nicht wehrlos zu sein vor Tilly, der noch immer seine Armee beisammen hatte, in der That aber, um den jetzt von seinem Schwiegervater Jakob von England mit Geld unterstützten Kurfürsten von der Pfalz in seine Erblande wieder zurückführen zu helfen. An der Spitze der aufgestellten Heere standen der zum Kreisobersten ernannte König Christian IV. von Dänemark, Ernst von Mansfeld und Christian von Braunschweig. Nach einigen Unterhandlungen mit der kais. Partei begannen die Feindseligkeiten mit Tilly und Wallenstein, der 1625 auch ein kais. Heer neben dem ligistischen ins Feld stellte; Mansfeld ward von Wallenstein 1626 an der dessauer Brücke geschlagen und starb noch in demselben Jahre, nachdem sein bis Ungarn hin verfolgtes Heer aufgerieben war, Christian von Braunschweig starb nach einigen glücklichen Gefechten an Gift und Christian von Dänemark erlitt durch Tilly bei Lutter am Barenberge den 27. August 1626 eine entscheidende Niederlage, in Folge deren ganz Niedersachsen in Tilly's Hände fiel, Stralsund ausgenommen, das jene ewig denkwürdige Belagerung durch 100,000 M. unter Wallenstein aushielt, der zur Belohnung seiner Dienste vom Kaiser das Herzogthum Mecklenburg 1628 erhalten hatte. Der König von Dänemark schloß zu Lübeck am 6. Jun. 1629 einen schimpflichen Frieden, in dem er auch versprechen mußte, sich nie mehr in Sachen des Reichs zu mengen. Der Kaiser war jetzt überall Sieger und Wallenstein verrieth vielleicht seine Absichten, wenn er sagte: »es müsse in Deutschland ein Herr sein, wie in Frankreich und Spanien, und dies sei der Kaiser«, in Religionssachen aber verkündeten diese das am 6. März 1629 erlassene Restitutionsedict, wonach alle seit dem passauer Vertrage (1552) eingezogene geistliche Güter herausgegeben und alle seitdem besetzten unmittelbaren Stifte den Katholiken zurückgegeben werden sollten, auch den katholischen Reichsständen freigestellt wurde, ihre Unterthanen zur katholischen Religion anzuhalten und in Weigerungsfällen aus dem Lande zu jagen.

Jetzt nahm sich aber Gustav Adolf, König von Schweden, von dem Kaiser auf mancherlei Weise gekränkt, von Wallensteins Plänen auf die Ostseeländer beunruhigt und angespornt vom Eifer für seine Religion, der gefährdeten Protestanten an. Während die wachsende Macht des Kaisers und besonders die von Maximilian von Baiern verlangte Auflösung der ligistischen Armee Letztern für die Freiheit auch der katholischen Reichsstände besorgt machte und er daher im Einverständniß mit den ihm verbundenen Reichsständen nicht allein der verlangten Auflösung widersprach, sondern auch die Entlassung des gefürchteten Wallenstein und die Übertragung des Oberbefehls an Tilly durchsetzte, landete am 24. Jun. (a. St) 1630 Gustav Adolf mit 30,000 M. an der pommerschen Küste, nachdem er zuvor mit Frankreich ein Bündniß eingeleitet, die Übermacht des habsburg. Hauses zu brechen, die Freiheit des deutschen Reichs und die protestantische Lehre zu retten. Schnell reinigte er Pommern, dessen Herzog sich mit ihm verbündete, und Mecklenburg von den kais. Truppen, konnte jedoch die Eroberung und Zerstörung von Magdeburg (s.d.) durch Tilly nicht hindern, weil ihn die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen aufhielten, die nicht nur kein Bündniß mit ihm eingehen wollten, sondern auch der Erstere die Besetzung einiger wichtigen Plätze, der Letztere den Durchzug durch sein Land ihm verweigerten. Erst als Tilly mit seinen gefürchteten Scharen nach Sachsen vorrückte und aus Furcht, Gustav möchte dieses Land, wie Brandenburg, besetzen, ging der Kurfürst von Sachsen nach dem Vorgange Brandenburgs auf ein Bündniß mit den Schweden ein, von denen Tilly bei Leipzig am 7. Sept. 1631 völlig geschlagen wurde. Ermuthigt schlossen sich jetzt die protestantischen Stände bereitwilliger dem Könige an, welcher, von keinem Heere aufgehalten, an den Rhein vordrang, Mainz und die Pfalz eroberte, dann durch Schwaben nach Baiern zog und München einnahm, während sein Feldherr Baner und Herzog Wilhelm von Weimar auch aus Niedersachsen die kais. Besatzungen vertrieben.

In dieser Noth wandte der Kaiser sich wieder an Wallenstein und vermochte ihn, wiewol unter sehr harten Bedingungen, ein Heer aufzubringen, mit dem er dann in kurzer Zeit das von den Sachsen besetzte Böhmen wieder eroberte und nach Franken vorrückte. Im Aug. 1632 stand er bei Nürnberg in einer festen Stellung dem Könige von Schweden gegenüber, schlug einen kühnen Sturm desselben auf sein Lager glücklich zurück und zog dann nach Sachsen, wohin Gustav Adolf vorzüglich auf Bitten des Kurfürsten, der Wallenstein's Rache fürchtete, ihm nacheilte, aber am 6. Nov. bei Lützen den Sieg über seinen großen Gegner mit dem Leben erkaufte. Mit ihm fiel der Mann, der den Unternehmungen der Protestanten Einheit und Nachdruck gab, den Willen der Fürsten zu beherrschen und für seine Pläne zu bestimmen verstand. Schweden mußte indessen den Krieg fortsetzen, um einen Frieden zu erkämpfen, der ihm den Lohn seiner Anstrengungen sicherte, und sein großer Kanzler Axel Oxenstierna übernahm nun die Leitung der deutschen Angelegenheiten. Dieser brachte 1633 das heilbronner Bündniß unter den fränk., schwäb., ober-und niederrheinischen Kreisen, trotz der vom Kurfürsten von Sachsen ihm in den Weg gelegten Hindernisse, zu Stande und machte es dadurch möglich, daß die Kriegsoperationen gegen [595] den Kaiser, welche seit der Schlacht bei Lützen wegen Uneinigkeit ziemlich geruht hatten, und zwar in Norddeutschland von Baner, in Süddeutschland von Horn und Herzog Bernhard von Weimar wieder ernstlicher begonnen werden konnten. Während Wallenstein von Böhmen aus, wo ihn Krankheit zurückhielt, nur einen von Verheerungen aller Art begleiteten Zug nach Schlesien, in die Lausitz und die Marken unternahm, drangen die leider an Grausamkeit dem Feinde oft nicht nachstehenden schwedisch-deutschen Heere fast überall siegreich vor. Nachdem aber der unthätige, darum in den Verdacht der Verrätherei gekommene Wallenstein am 25. Febr. 1634 zu Eger ermordet worden, gewannen die Dinge bald ein anderes Ansehen. An seiner Stelle übernahm König Ferdinand, der nachmalige Kaiser, den Oberbefehl; die Kaiserlichen ermannten sich wieder, eroberten Regensburg und belagerten Nördlingen, das Bernhard von Weimar zu entsetzen suchte, aber dabei am 6. Sept. 1634 so entscheidend geschlagen ward, daß nur die große Härte und Strenge, mit der nach dieser Niederlage die süddeutschen Protestanten vom Kaiser behandelt wurden, es verhinderte, daß der Friede, welchen am 30. Mai 1635 Sachsen und bald darauf Brandenburg nebst mehren kleinern Ländern mit dem Kaiser abschlossen, nicht von allen protestantischen Ständen Deutschlands angenommen ward. Die Schweden, welche in vielen ihrer frühern Verbündeten nun ihre Feinde sahen, wurden bis nach Pommern zurückgetrieben und ihre Macht schien gänzlich gebrochen, da erklärte Frankreich den Krieg an Östreich und Spanien, unterstützte jedoch anfänglich blos den Herzog Bernhard von Weimar mit Subsidien, womit dieser ein Heer warb und 1636 die Eroberung des Elsasses begann. Zu gleicher Zeit siegte Baner über eine östr. sächs. Armee bei Wittstock und in Kurzem war der Ruhm der schwed. Waffen wiederhergestellt. Die Kaiserlichen wurden aus Thüringen und Hessen, wo sie unter dem General Görz arg gehaust hatten, verjagt (1636) und fast alle protestantischen Länder von den Heeren der katholischen Partei befreit. Auch die Franzosen nahmen nach dem 1639 erfolgten Tode Bernhard's von Weimar lebhaften Antheil am Kriege, gingen über den Rhein und siegten unter Turenne und Condé in Schwaben und Franken. Bei den Schweden erhielt nach Baner's Tode 1641 Torstenson den Oberbefehl und erfocht neue Siege bei Breitenfeld (2. Nov. 1641) und bei Jankow (1645); ebenso sein Nachfolger Wrangel, der auch den 1643 ausgebrochenen, von Torstenson glücklich geführten Dänenkrieg beendigte, bevor die schon seit 1641 zu Münster und Osnabrück begonnenen Friedensunterhandlungen Früchte trugen. Die Einnahme der kleinen Seite von Prag durch den schwed. General Königsmark beschleunigte endlich den Abschluß der Unterhandlung und am 24. Oct. 1648 wurde der sogenannte Westfälische Friede (s.d.) von den in beiden Städten verhandelnden Gesandten unterzeichnet. Die Folgen des dreißigjährigen Kriegs waren für Deutschland die unheilvollsten, die je ein Krieg gehabt; seine ganze nationale Eigenthümlichkeit war zerrüttet, Roheit der Sitten, Niedrigkeit und Gemeinheit des Charakters war durch den dem Kriege nachziehenden Auswurf aller Länder verbreitet worden; die Bildung machte unerhörte Rückschritte, Verwüstung und Verarmung waren allgemein und noch bezeichnet der Name mancher wüsten Mark die Stätte, wo damals die Wohnungen betriebsamer Menschen in Rauch aufgingen und von der Bevölkerung ganzer Ortschaften keiner übrig blieb, der die Hütte seiner Väter hätte wieder aufrichten können. Überhaupt sind die Folgen dieses Kampfes zu sehr in die ganze folgende Geschichte Deutschlands (s.d.) verflochten, um eine Aufzählung in der Kürze zu gestatten. Jedenfalls erlangten indessen die Protestanten durch den westfäl. Frieden eine festere Grundlage religiöser Freiheit, wozu indessen die damalige gänzliche Erschöpfung Deutschlands nicht wenig beigetragen haben mag, daher die Behauptung derselben mehr als die Frucht ihrer spätern Anstrengungen zu betrachten ist. Die Kriegskunst allein hat durch den dreißigjährigen Krieg gewonnen, dessen Geschichte in besonders anziehender Form Schiller (2 Bde., Lpz. 1802) bearbeitet hat.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 594-596.
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