[700] Westfalen (die königl. preuß. Provinz) enthält auf 3661/2 ! M. über 1,300,000 Einw. und grenzt an die Niederlande, Hanover, Braunschweig, Lippe, Kurhessen, Waldeck, Hessen-Darmstadt, Nassau und die preuß. Provinz Rheinland. Sie wurde 1815 aus den zurückerworbenen altpreuß. Landestheilen Minden, Ravensberg, Mark, Tecklenburg, Theilen von Lingen, von Münster und Paderborn und den neu dazugekommenen Herzogthum Westfalen und Engern oder Sauerland, den Fürstenthümern Korvei und Siegen, und mehren andern mediatisirten Fürstenthümern, Grafschaften und Herrschaften gebildet. Die Provinz zerfällt in die drei Regierungsbezirke Münster, Minden und Arensberg, und ist ungefähr zur Hälfte Gebirgs- und zur Hälfte Flachland. Das Letztere gilt vom nordwestl. Theile (Regierungsbezirk Münster), wo sich auch beträchtliche Haide- und Moraststrecken befinden, in den östl. und südl Theil dagegen verbreiten sich zahlreiche, auch mit dem Westerwalde zusammenhängende, meist mit schönen Laubwäldern bedeckte Bergreihen, wovon der Haarstrang zwischen Lippe und Ruhr, im O. der teutoburger Wald und ein Theil des Wesergebirgs mit der sogenannten westfälischen Pforte, im S. die Egge, das Rothhaar- oder Rothlagergebirge die vornehmsten sind. Dazwischen breiten sich fruchtbare Ebenen aus, wie die soester und warburger Börde, das Sintfeld und der Hellweg. Der letztere liegt in der Grafschaft Mark, nördl. von der Ruhr, gilt als die Kornkammer der Provinz und war einst die röm. Heerstraße nach der Weser. Die wichtigsten Flüsse sind die Weser, von welcher die Provinz aber nur im O. auf eine kurze Strecke berührt wird, die Ems, Lippe und Ruhr, sämmtlich schiffbar. Das Klima ist gemäßigt und nur in einigen Gebirgsgegenden rauh. Zwischen Ems und Lippe wird eine Kanalverbindung beabsichtigt, von Münster aber führt ein Kanal bis Maxhafen, welcher mittels der Vechte in die Südersee gehen könnte, wenn er vollendet wäre. Die Bewohner sind durchaus deutscher Abstammung, reden niederdeutsch und sind über die Hälfte und zum Theil eifrige Katholiken, gegen 12,000 Juden. In mehren Gegenden der Provinz findet man keine Dörfer, sondern nur einzelne Höfe, welche zu Bauerschaften vereinigt sind, deren mehre ein Kirchspiel ausmachen, und hier haben sich in Wohnung, Sitte und Lebensweise die ältesten deutschen Gebräuche erhalten. Tausende von Bewohnern der ärmern Landschaften wandern jährlich nach Holland, um dort bei der Heuernte und den Torfgräbereien den Sommer über ihren Unterhalt zu verdienen. Landeserzeugnisse sind die gewöhnlichen Hausthiere; die berühmte Schweinezucht liefert die bekannten westfäl. Schinken zur Ausfuhr; Getreide, viel Buchweizen, Flachs, Kartoffeln und Holz, ein Reichthum an Mineralien, besonders Eisen, Kupfer, Blei, Galmei, Steinkohlen und Salz. Der Gewerbfleiß beschäftigt sich mit Spinnen und Weben von Leinwand, mit Bergbau und Verarbeitung seiner Producte in zahlreichen Hammerwerken, Eisen-, Stahl-, Messingwaarenfabriken. Der Handel beschäftigt sich mit der Ausfuhr dieser mannichfachen Erzeugnisse, und Bielefeld und Warendorf sind für den Verkehr mit Leinen, Iserlohn für den mit Metallwaaren am wichtigsten. Der Regierungsbezirk Münster hat seinen Namen von der Stadt Münster (s.d.) und enthält über 400,000 Einw. Bemerkenswerthe Orte sind unter andern der vielbesuchte Wallfahrtsort Telget an der Ems mit 3000 Einw. und einem angeblich wunderthätigen Marienbilde; das Handels- und gewerbfleißige Warendorf an der Ems mit 4200 Einw.; Bockum mit 3000 Einw.; Lüdinghausen mit 1600 Einw., wo, sowie in der Umgegend, viele Holzschuhe verfertigt werden; Coesfeld mit 3000 Einw.; Recklinghausen mit 2800; Dorsten an der Lippe mit 3000 Einw.; Borken an der Aa mit 2500 Einw.; Bocholt mit 4300 Einw., einer vorzüglichen Armenanstalt und Waisenhause; die Städte Aahaus, Vreden, Stadtlohn, Steinfurt, Rheina u.a.m. – Der Sitz der Regierung des Bezirks Minden ist die starke Festung Minden an der Weser mit 9000 Einw., [700] welche starken Handel und einzelne umfängliche Gewerbe treiben. Eine halbe Stunde davon liegt an der Weser die vom Jakobsberge und dem Wittekindsberge gebildete westfäl. Pforte, zwischen denen der Strom sich hindurchdrängt. Lübbecke hat 2000, Vlotho 1800 Einw., Mineral- und Vitriolschlammbäder; Rehme hat ein Salzwerk; Hervorden an der Werra hat 7000 Einw., und ein westfäl. Centralmuseum für Kunst und Alterthum, ist übrigens ein sehr gewerbreicher Ort; Engers mit 1400 Einw. gab dem Herzogthume Engern den Namen, und in der dortigen Pfarrkirche befindet sich ein 1377 vom Kaiser Karl IV. errichtetes Denkmal des Sachsenherzogs und Fürsten von Engern, Wittekind des Großen, gest. 807, dessen Gebeine am 15. Oct. 1822 von Herford hierher gebracht worden sind. Bielefeld mit 7000 Einw. am Lutterbache ist durch seinen Leinwandhandel und seine Bleichen berühmt; bei Borgholzhausen mit 1200 Einw. lag wahrscheinlich jenes von den röm. Feldzügen in Deutschland bekannte Templum Tanfanae und ein mit Häusern umstandener Ort heißt hier noch Tanfana. Wiedenbrück an der Ems hat 2100 Einw., Rietberg an der Ems 1500 Einw.; Paderborn mit 7000 Einw. ist der Sitz eines Oberlandesgerichts, eines katholischen Bischofs, hat mehre Klöster, ein Priesterseminar, Gymnasium und einen Verein für westfäl. Geschichte und Alterthumskunde; unter dem Dom entspringt der Fluß Pader in drei so wasserreichen Quellen, daß er schon einige 20 Schritte davon Mühlen treibt. In der Nähe zwischen Paderborn und Herford sacht man das Schlachtfeld, wo Varus mit seinen Römern von Hermann besiegt wurde, und bringt mehre Ortsnamen, wie Winnefeld, Römerfeld, kohlstädter Todtengrund damit in Beziehung; nur 11/2 M. davon zwischen Stuckenbrock und Wistingshausen, liegt das Schlachtfeld, wo Karl der Große über Wittekind siegte. Wiedenbrück an der Ems hat 2000 Einw.; Lippspring am Ursprung der Lippe hat 1500 Einw. und große Bleichen; bei Elfen mit 1000 Einw. sucht man die röm. Veste Aliso. Büren an der Alme hat 1500, Salzkotten 1600 Einw. und Salzquellen. Beträchtliche Glasfabriken und Glashandel betreiben Kleinenberg, Böddecken, Fürstenberg, Uhrenberg. Warburg an der Diemel zählt unter 2600 Einw. über 200 Juden und hat ein als Wallfahrtsort vielbesuchtes Kloster und Kapelle des h. Erasmus; die ausgezeichnet fruchtbare Umgegend heißt warburger Börde. Das befestigte Höxter an der Weser zählt 3200, Beverungen an der Mündung der Bever in die Weser 1900 Einw., welche Schiffahrt, Handel mit Getreide, Holz, Colonialwaaren, Eisen und wichtige Branntweinbrennerei betreiben. Brakel hat gegen 3000 Einw.; Driburg mit 1800 Einw. am Fuße der Egge hat einen bekannten Mineralquell, von dem an 70,000 Flaschen des Jahres versandt werden. Von mehren in W. häufig anzutreffenden geschichtlich wichtigen Orten sind hier Trümmer der von Karl dem Großen zerstörten Veste Iburg, bei Lüde an der großen Emmer die Arminiusburg (ein guterhaltener altdeutscher Ring) und das Dorf Herstall zu bemerken, das Heristall Karl des Großen. – Im Regierungsbezirke Arnsberg, der auf 141 ! M. über 470,000 Einw. zählt, sind anzumerken das wegen seines Leinwandhandels und seiner Leinwandbleichen wichtige Hamm mit 5500 Einw. an der Lippe; im benachbarten ehemaligen Nonnenkloster Kentrop ist eine Taubstummenanstalt. Unna mit 4500 Einw. und Königsborn haben Salzwerke, letzteres auch ein Soolbad. Soest mit 8000 Einw. ist der Sitz eines katholischen Collegiatstiftes, hat. einen Dom, in der höchst fruchtbaren Umgegend (Soester Börde genannt) viel Obst-, Gemüse- und vorzüglich Getreidebau, daher auch ansehnlichen Getreidehandel, Lein- und Wollwaarenfabriken und einen Wollmarkt. Sassendorf mit 700 Einw. hat Salzwerke; Dortmund mit 6000 Einw. an der Emscher ist der Sitz eines Oberbergamtes und eine durch Handel und mancherlei Fabriken, z.B. in Metallwaren, Leinen, Baumwolle und Taback, blühende Stadt. Bei Aplerbeck, Opherdicke, Hörde an der Ruhr, Altendorf, Witten und Dahlhausen sind Kohlenwerke; Bockum oder Bochum hat 2600 Einw.; Lippholthausen hat einen Gesundbrunnen. Die Trümmer des Schlosses Rauendahl an der Ruhr sollen die Stätte einnehmen, wo die alte Priesterin Veleda wohnte und der Götze Krodo verehrt wurde; in dem Gehölze Horkenstein wird ein angeblicher Altar des Gurcho gezeigt, des deutschen Bacchus. Zu den Hauptsitzen der wichtigen Metallfabrikation W. s gehören Iserlohn mit 7500 Einw. (in der Nähe ist eine Tropfsteinhöhle mit Knochen und Thierresten der Vorwelt), Altena mit 4000 Einw. und die sogenannte Enneper-oder Emperstraße zwischen der Stadt Hagen mit 4000 Einw. und dem Örtchen Gevelsberg. Sie hat ihren Namen von einem kleinen Flusse, welcher an beiden Seiten mit Eisen- und Wasserwerken dicht besetzt ist, welche vorzüglich rohes Eisen, das aus dem westfäl. Kreise Siegen, aber auch aus Schweden bezogen wird, in den Roh-, Reckstahl-, Breit-, Amboß-und Sensenhammern zurichten und in zahlreichen Kleinschmieden besonders zu gröbern Waaren, wie Sensen, Strohmesser, Spaten, Pfannen, Amboße, Sägen, Kaffeemühlen, Schlösser, Messer, Schrauben u.s.w. verarbeiten. In Wetter an der Ruhr befindet sich eine Dampfmaschinenfabrik; bei Vörde am Bach Milzpe liegt ein Berg mit der merkwürdigen Kalksteinhöhle Klutert. Eppenhausen mit 400 Einw. hat einen Gesundbrunnen; Plettenberg mit 1500, Lüdenscheid mit mehr als 3000 Einw., Elverlingse, Holver sind alles gewerbfleißige Orte; Pungelscheid ist als Geburtsort des Baron Theodor von Neuhof (s.d.), Königs von Corsica, merkwürdig. Zu Limburg mit 1600 Einw. ist der Sitz eines literarischen Vereins der Grafschaft Mark; bei Sundwig führt eine mit Felsblöcken und Steintrümmern bedeckte, dessenungeachtet aber mit Bäumen, Gebüsch und Kräutern üppig bewachsene Gegend den Namen Felsenmeer und enthält mehre ansehnliche Tropfsteinhöhlen. Schwelm hat 3400 Einw., ansehnlichen Handel, vielen Leinen-, Baumwollen-, Band- und Siamoisenfabriken, und in dem eine Viertelstunde entfernten Dorfe Möllenkotten an den rohen Bergen einen Gesundbrunnen. Arnsberg mit 4200 Einw. ist der Sitz einer Regierung und eines Oberlandesgerichts; bei der Stadt liegen Trümmer einer Burg, wo vordem bei Nacht und unter der Erde die heimlichen Feme ihre Sitzungen hielt. Bei Eversberg und Fredeburg sind Schieferbrüche; in Meschede mit 1400 Einw. ist ein Landwehrzeughaus. In einer Kalkfelsenhöhle bei Velmede mit 400 Einw. soll die deutsche Velleda verehrt worden sein; in der Tiefe derselben fließt ein Bach, welcher hinter dem Berge zum Vorschein kommt, und sie hat gleichsam zwei übereinander hinlaufende Gänge. In der Gegend von Siegen mit 4300 Einw. an der Sieg, sind wichtige Eisengruben und [701] Hüttenwerke; Hilchenbach mit 1000 Einw. hat eine Pulverfabrik; bei Ginsberg liegen Ruinen einer Burg, wo ein Fehmgericht seinen Sitz gehabt haben soll; Eisen- und Stahlwaaren werden in Lohe, Burbach, Freudenberg verfertigt; bei Müsen erhebt sich der berühmte Stahlberg, welcher nach Steiermark und Illyrien den besten Stahlstein liefert und in zehnfach übereinander liegenden, domgewölbähnlichen Etagen ausgebaut ist, durch die man auf einer 360 Stufen tiefen und mit einem eisernen Geländer versehenen Treppe hinabsteigt und dann mittels eines 600 F. langen Stollens in das Thal gelangen kann. Berleburg hat 1500, Olpe 2000 Einw.; Untermarsberg mit 1500, und das hochgelegene Obermarsberg (oder Stadtberg) mit 1200 Einw., wo die alte, von Karl dem Großen 777 zum dritten Male eingenommene Festung Eresburg oder Hersburg gestanden; bei Bruchhausen mit 700 Einw. ragen auf einem hinter dem Dorfe gelegenen Berge vier mächtige Felsen mehr als 2200 F. über das Meer empor, welche der Feld-, Drachen-, Gold- und Bornstein heißen und von denen der letzte ein Wasserbecken enthält, das auch in der trockensten Jahreszeit nicht versiegen soll. Medebach hat 2400 Einw., in Bönninghausen ist ein Landarmen- und Arbeitshaus; in der Festung Lippstadt an der Lippe mit 3700 Einw., sind den Fürsten von Lippe-Detmold noch einige Rechte und Einkünfte vorbehalten und es besteht daselbst ein preuß. und fürstl. lipp. Gesammtgericht.
Buchempfehlung
Der junge Vagabund Florin kann dem Grafen Schwarzenberg während einer Jagd das Leben retten und begleitet ihn als Gast auf sein Schloß. Dort lernt er Juliane, die Tochter des Grafen, kennen, die aber ist mit Eduard von Usingen verlobt. Ob das gut geht?
134 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro