Kautschuk [1]

[412] Kautschuk (Caoutchouc, Gummi elasticum), ein Bestandteil der Milchsäfte verschiedener Pflanzen, ist der wichtigste und technisch bedeutendste Vertreter der Kautschukkörper, zu denen noch Guttapercha und Balata gehören.

Den ersten Bericht über diesen merkwürdigen Naturkörper erstattete der Spanier Gonzalo Fernandes d'Oviedo y Valdas, der ihn 1736 bei den Indianern Südamerikas kennen lernte; von La Condamine wurde der Kautschuk 1736 aus Südamerika nach Paris gesandt und von demselben 1757 zuerst beschrieben; auch die überaus wichtige Eigenschaft, Bleistiftlinien auszuwischen (daher Radiergummi), ist schon 1770 (durch Magellan) bekannt geworden. Aber die universelle Verwendbarkeit, welche der Kautschuk in der Gegenwart erlangt und die ihn zum Träger einer hochentwickelten Industrie gemacht hat, datiert erst von dem Zeitpunkt an, als man dem Kautschuk die Fähigkeit erteilen konnte, innerhalb weiter Temperaturgrenzen seine Elastizität, Fertigkeit, Undurchdringlichkeit und Dichte nahezu unveränderlich zu erhalten, als man durch Inkorporierung des Schwefels die Vulkanisierung erfand.

Die große Verschiedenheit der Kautschuksorten ist sowohl durch die verschiedene Abstammung als auch durch die Gewinnungsweise bedingt. Die besten Sorten sind die südamerikanischen, die von Hevea-, Castilloa- und Hancorniaarten stammen. Hevea guianensis Aubl. (= Siphonia elastica Pers.), am Amazonas Seringueiras (nach Seringa, kleine von den Indianern verfertigte Spritze) genannt, liefert das Paragummi (die beste aller Sorten), Manihot Glaziovii Müll. das Cearagummi und die Negroheads, Castilloa elastica Cerv. und Castilloa alba Koschny das Carthagena-, Bolivia-, Nicaragua- und Guatemalagummi; Hancornia speciosa Gom. das Mangabeiro-, Rio-, Bahia-, Pernambucogummi. Die zweite Sortengruppe umfaßt die indischen Gummi von Willughbya-, Urceola- und Ficusarten, insbesondere von Urceola elastica Roxb. (Borneo, Sumatra, Singapore, Pulu Pinang, Handelsname »Borneogummi«) herrührend. Afrikanischer Kautschuk kommt von Ficus-, Vahea- und Landolphiaarten und wird als Madagaskar-, Mozambique-, Loanda-, Kongo-, Kamerun-, Angola-, Sierra-Leone- und Goldcoastgummi in den Handel gebracht. Der von Willughbya edulis Roxb., Willughbya javanica Blum. u.s.w. stammende Kautschuk bildet die Javasorte. Die neueste Quelle für Kautschuk sind die Früchte der Kautschukmisteln[412] in Venezuela, und zwar von Strutanthus syringifolius Mart. (großfrüchtige Mittel), Phthirusa theobromae (Willd.) Eichl. (mittelfrüchtige Mittel), Phthirusa pyrifolia Eichl., Phoradendronarten und Strutanthus Roversii Warb. (kleinfrüchtige Mittel); der Kautschuk findet sich in den Früchten nicht als Inhaltsbestandteil von Milchsaftschläuchen, sondern hüllt als ein kompakter, an der Spitze punktförmig durchbrochener Mantel den Samen ein und ist morphologisch dem Viscinmantel unsrer Mittelbeeren gleich. Ausführliches über Kautschukpflanzen u.s.w. [1]–[3], [19], [20], [24], [25], [27], [30].

Die Gewinnungsweise der wichtigsten Sorte, des Parakautschuks, ist nach Robert Croß [4] folgende: An jedem Baume (Hevea guianensis) werden in der Höhe von etwa 2 m schiefe, nach oben laufende und ziemlich tiefgehende Einschnitte gemacht; jeder Einschnitt ist von dem nächsten 10–12 cm weit entfernt. Unter jedem wird sofort ein Becher mit Lehm befestigt. Die Einschnitte stehen alle in gleicher Höhe und bilden einen Kreis um den Stamm. Nach 24 Stunden werden die Becher abgenommen. Nun wird 15–20 cm unterhalb des ersten Kreises ein zweiter Kreis von Einschnitten gemacht, hierauf ein dritter u.s.w., bis man am Boden angelangt ist. Nun wird wieder oben angefangen, indem neue Schnitte zwischen den alten angebracht werden; im betten Falle enthält der Baum zwölf Reihen mit je sechs Einschnitten. Die trockene Jahreszeit liefert den dicksten und wasserärmsten Saft. Gegenwärtig versucht man auf Ceylon, wo auch Hevea kultiviert wird, eine neue rationellere Zapfmethode in parallelen Spiralen bis zum Boden, wo ein Aluminiumbecher zum Auffangen des Saftes angebracht wird [21]. Amazonas- und Cearagummi werden in andrer Weise gewonnen. Am Rio negro wird die Rinde außen sorgfältig gereinigt; hierauf befestigt man um den Stamm eine schiefe Rinne aus Lehm oder aus einer Liane, in welcher der aus darüber angebrachten Einschnitten hervorquellende Saft sich sammelt; aus der Rinne fließt der Saft in eine Kalebasse. Am Amazonas wird [25] mit einer langstieligen Axt (mit kleiner Schneide) die Rinde angehauen und letztere umgebogen. Eine solche Wunde wird stets genau über der letzten (wenn der Baum schon einmal angezapft war) einen Dezimeter höher angebracht, so daß eine ganze Geraçao genannte Reihe entsteht. Gibt der Baum in Mannshöhe keinen Saft mehr, so wird ein Gerüst (Mutá) errichtet, um ihn höher anzapfen zu können. Der aus der Wunde fließende Saft wird in kleinen Blechbechern aufgefangen; dies geschieht von einem »Seringueiro« an etwa 100 Bäumen vormittags; nachmittags werden die Bäume abermals besucht und die Milch aus den kleinen Bechern in eine größere Kanne entleert. Die Milch muß nun alsbald geräuchert werden. Die mit Lehm, Zweig- und Rindenstücken verunreinigte Sorte heißt Sernamby. Die Milch wird nun auf Holz- oder Tonformen (von der Gestalt eines Ruders oder einer Scheibe mit Stiel) becherweise aufgegossen und über einem Feuer getrocknet und geräuchert; damit genügender Rauch entwickelt werde, wird über dem Feuer ein Krug mit engem Hälse und ausgebrochenem Boden angebracht, der mit Holz und mit Palmnüssen (Früchte der Urucurypalme, Attalea speciosa Mart. der Maximiliana regia Mart. und Orbignya Martiana Barb. Rdrg.) gefüllt ist. Die Milch bildet dann nach dem Räuchern einen grauen, ziemlich festen Ueberzug. Das Auftragen der Milch geschieht so oft, bis eine 2–12 cm dicke Kautschukmasse gewonnen ist. Sind die Formen Tonklumpen in Gestalt von Flaschen, so erhält man Flaschenkautschuk; auch in Plattenform kann nach dieser Methode Kautschuk gewonnen werden. Die kugelrunden, aus Fäden, Tropfen und sonstigen Abfällen bestehenden sogenannten Cabezos de Negros (Niggers) sind ein minderwertiges Nebenprodukt dieser Gewinnungsmethode. Den Mangabeirokautschuk erhält man aus dem Milchsafte, indem man letzteren durch eine Alaunlösung gerinnen läßt, die Kautschukmasse herausnimmt und in Stücken dann 10–12 Tage an der Luft trocknet. Der Alaun– oder Salzzusatz übt auf den Kautschuk einen erweichenden Einfluß aus, so daß auch dieses Produkt minderwertig sein muß. Im Kaukatale (Nebental des Magdalenenstromes) und auf Panama macht man in den Stamm der Siphonia schiefe, sich kreuzende Einschnitte, welche nach unten mit einem 0,5 m über dem Erdboden befindlichen Einschnitte in Verbindung stehen. Eine hölzerne Rinne leitet den Saft in Behälter; er wird sodann nach Art des Paragummis verarbeitet oder nach dem Eintrocknen in den Behältern in ganzen Stücken geräuchert. Auch von Castilloabäumen wird in Brasilien (von aus Peru kommenden Arbeitern) eine Sorte Kautschuk, genannt Caucho, und zwar durch Fällen der Bäume gewonnen; den in flache mit Blättern ausgelegten Erdlöchern zusammengegossenen Milchsaft läßt man durch den Saft einer Ipomoea (»Batata rana«) und etwas Seife rasch gerinnen; die so gewonnenen schwarzen flachen und breiten Masten heißen Planhas de caucho. Läßt man die Milch von den geschlagenen Bäumen abfließen und an der Luft gerinnen, erhält man etwas höher bewertete Kautschukstreifen, die Sernamby de caucho. In Zentralamerika wird der aus Castilloa und Lobelia gewonnene Rohstoff Ulé genannt. Die Uléros (Sammler) reinigen den Stamm des Baumes und den Boden ringsherum und machen dann einen mehrere Meter langen senkrechten Einschnitt, in welchen beiderseits schiefe kurze Einschnitte einmünden; der herausquellende Saft wird in ein großes Gefäß geleitet. Ein Baum kann über 100 kg Kautschuk liefern. Der von gröberen Unreinigkeiten befreite Saft wird durch ein Drahtsieb gedrückt und in Tonnen gebracht. Zweigbündel einer Schlingpflanze (Achuca, Acheté oder Caossa, wahrscheinlich Ipomoea bona nox) werden durch Schlagen mit Stöcken zerquetscht und dann mit Wasser ausgelaugt. Das Extrakt wird durch ein Tuch geschlagen und dann in einem flachen Zinngefäß mit der achtfachen Menge Milchsaft vermischt. Der Kautschuk scheidet sich als weiche Masse aus, welche in einer braunen Flüssigkeit schwimmt und einen Käsegeruch besitzen soll. Diese rohe Kautschukmasse wird nun stark mit den Händen geknetet und zu einem flachen Kuchen ausgewalzt. Das Produkt ist 3–4 kg schwer und verliert durch das Trocknen gegen 3 kg; die trockene Masse ist grau. Die am Stamme selbst getrockneten Massen werden zu Kugeln geformt und geben wieder Cabezos oder Bolas [4]. Um allen Kautschuk zu gewinnen, ist nach Koschny [24] die Anzapfung der Bäume nicht genügend, man muß auch die Rinde verarbeiten. »Nach möglichster Entziehung des Saftes durch dichte und volle[413] Ringschnitte, eine Operation, die noch am stehenden Baum erfolgen muß, weil er bei vorhergehender Fällung im Milchfluß kalt würde (der Saft würde gerinnen), wird der Baum gefällt und die Rinde samt den Aesten abgeschält und unmittelbar darauf zwischen Walzen zerquetscht und in Behälter mit Wasser geworfen. Die Prozedur vom Anfang des Abschälens, bis die zerquetschte Rinde ins Wasser geworfen wird, muß rasch hintereinander erfolgen, weil sonst der Latex an der Luft dicker wird und sich im Wasser nicht mehr löst (verteilt?)... Um den Eintritt der Gärung zu vermeiden, wird die Rinde bald nach der Quetschung im Wasser geschlagen und geknetet, dann noch ausgepreßt und weggeworfen. Hat sich der Latex als Rahmschicht abgeschieden, so wird das schmutzige Wasser abgeladen, frisches Wasser zugeführt.« Man erhält auf diese Weise eine der höchst bewerteten Marken von Kautschuk. In Indien läßt man den Milchsaft an der Luft gerinnen und nimmt die rahmartig an der Oberfläche sich ansammelnde Kautschukmasse ab, knetet und trocknet sie an der Sonne oder über Rauchfeuer. Speckgummi wird erhalten, wenn man Kautschuk in flachen Schalen eintrocknen läßt: gelbbraune oder schwärzliche, schwammig poröse und immer feuchte und klebrige Kuchen. Afrikanische Sorten sind klebriger und weniger elastisch als die vorgenannten; ostafrikanischer ist besser als westafrikanischer. Neuestens kommt aus Kamerun eine Kautschuksorte (von Kickxia elastica), die nach Weiß [26] 87,2% beste Qualität Kautschuk enthält und die Kultur der Kickxiapflanze sehr empfehlenswert macht. In Angola schneidet man aus dem Baum ein Stück Rinde aus, läßt den ausfließenden Saft in ein Erdloch fließen oder auf den nackten Arm tropfen; sobald der Arm überkrustet ist, wird der Kautschuk vom Oberarm nach der Hand zu in Gestalt eines Ringes abgerollt. Auch Baumzweige werden eingehüllt und kommen mit der Kautschukkruste in kurzen Stücken in den Handel (Mozambiquespindeln). Andre Handelsformen sind WürfelFingerhüte«), Zungen (lange, flache, feuchte Stücke) oder Ballen [5]. In den deutsch-afrikanischen Kolonien werden große Anstrengungen gemacht, um die Kultur der Kautschukbäume zu heben und die Gewinnung rationeller zu gestalten. Eine belgische Firma, W.F. Schmoele, verwendet zur Gewinnung des Saftes einen horizontal drehbaren Zylinder, der aus mehreren Abteilungen mit darin sich befindlichen Metallwalzen besteht, ferner einen faßartigen, ebenfalls horizontal drehbaren Behälter mit Metallkugeln. In jede Abteilung des ersten Apparates wird die Rinde eingelegt, der Apparat gedreht, und man erhält einen mit Rindenmasse u.s.w. verunreinigten Kautschuk; im zweiten Apparat wird unter Anwendung kalten und warmen Wassers der Kautschuk gereinigt [22]. Zur Gewinnung des sogenannten Kräuterkautschuks, d.i. Kautschuk aus Wurzeln, Blättern und Zweigen, die eine Erhaltung des kautschukliefernden Baumes ermöglicht, gibt es mehrere Methoden. Nach [23] sind diese folgende: a) System Rigole, nach welchem die Blätter und jungen Triebe mit Schwefelkohlenstoff behandelt werden, der dann durch Wasserdampf entfernt wird; hierauf wird der Kautschuk mit Salzsäure oder Zinkchlorür gereinigt, b) System Serullas: die Zellwände werden durch Laugen gelöst (?), der Kautschuk mit Toluin oder Benzin aufgenommen und das Lösungsmittel durch Verdunsten entfernt (vgl. Guttapercha, Bd. 4, S. 699). c) System Blanchard und Vivier beruht darauf, daß zuerst die alkohollöslichen Inhaltsstoffe (Chlorophyll und Harze) entfernt werden, worauf aus dem Rückstand durch Tetrachlorkohlenstoff der Kautschuk aufgenommen wird, d) System Bapst und Hunet: die Pflanzenkörper werden mit 10 prozentiger Sodalauge bei 135° und einem Drucke von 2,5 kg pro Quadratzentimeter behandelt, hierauf durch gezähnte Walzen zerquetscht und der Kautschuk ausgewaschen. e) System Deiß verwendet Schwefelsäure zur Zerstörung der Zellmembranen und geriffelte Walzen zum Zerkleinern.

Parakautschuk erscheint aus zahlreichen Schichten zusammengesetzt, die 1/6–1/2 dick oft zu hundert aneinander gelagert sind; sie sind durch scharfe dunkle Linien voneinander getrennt, welche von der Räucherung der einzelnen Schichten herrühren. Ausführliche Beschreibung einzelner Sorten s. in [4]. Kautschuk ist durch seinen eigentümlichen Geruch und durch seine hohe Elastizität ausgezeichnet charakterisiert. Spez. Gew. für Para bei 20° 0,945, für Speckgummi 0,963. Schon bei 10° verliert er die Elastizität teilweise, unter dem Eispunkt vollständig. Wird ein stark ausgedehnter Kautschukfäden rasch unter den Gefrierpunkt abgekühlt, so bleibt er in dem ausgedehnten Zustand; erst beim Erwärmen auf 30° C. wird die gewissermaßen schlummernde Elastizität wieder geweckt und der Faden zieht sich wieder zusammen. Er leitet die Elektrizität nicht, wird durch Reiben elektrisch und erweicht in der Hitze breiartig. Kautschuk verbrennt mit leuchtender rußender Flamme und schmilzt bei 175° zu einem schwarzen, zu Kitt vorzüglich geeigneten teerartigen Körper; an der Luft beginnt er zu verwittern, wird brüchig, spröde, trocken und hart, wie dies an (vulkanisierten) Kautschukröhren immer zu beobachten ist. Sonnenlicht, dauernde starke Wärme und fette Oele sind die gefährlichsten Feinde des Kautschuks. Nach C.O. Weber, C. Harries und R. Ditmar ist Kautschuk ein Polyterpen. Aus Rohpara wurde ein in Chloroform löslicher Körper C10H16, welcher der Polyterpenformel (C10H16)n entspricht, und ein unlöslicher sauerstoffhaltiger Teil C30H64O10 dargestellt. Leitet man trockenes Salpetersäuregas in eine benzolische Kautschuklösung, so erhält man einen eigentümlichen Körper, den Nitrosit (C10H16N2O3) n. – Nach neueren Untersuchungen von C. Harries (Berichte der Deutschen Chem. Gesellschaft, 38, 1195) besteht der Parakautschuk im reinen Zustande aus dem Kohlenwasserstoff Dimethylcyclooktadien, dessen Moleküle sich durch lose Aneinanderlagerung polymerisiert haben, was am einfachsten durch die Formel (C10H16) n ausgedrückt wird. Beim Behandeln seiner Lösung in Chloroform mit Ozon und darauffolgender Zersetzung des entstandenen Additionsprodukts mit heißem Wasser liefert der Parakautschuk ausschließlich Lävulinsäurealdehydsuperoxyd C5H8O4 bezw. Lävulinsäure C5H8O3 und Lävulinaldehyd C5H8O2. Da die beiden zuletzt genannten Substanzen als Spaltungsprodukte der Zuckerarten bekannt sind, so ergeben sich hieraus vom pflanzenphysiologischen Standpunkt aus nahe Beziehungen zwischen dem Kautschuk und den Kohlehydraten. Bei der trockenen Destillation des Kautschuks bilden sich neben andern Zersetzungsprodukten hauptsächlich die [414] Kohlenwasserstoffe Dipenten und Isopren.1 Ueber die Löslichkeit des Kautschuks sind zahlreiche Untersuchungen angestellt worden. Als Lösungsmittel sind Aceton (Bd. 1, S. 55), Schwefelkohlenstoff, Tetrachlorkohlenstoff, Terpentinöl, Benzin, Aether u.s.w. anzuführen. Beispiel für Lösungen zeigen folgende Tabellen [7]–[10]:


Kautschuk [1]

Von 100 Teilen Kautschuk werden gelöst in:


Kautschuk [1]

Nach [9] werden von 100 Teilen getrocknetem Kautschuk gelöst: durch Schwefelkohlenstoff 65–70 Teile, Benzol 48–52 Teile, Terpentinöl 50–52 Teile, Kautschuköl 53–55 Teile, Aether 60–68 Teile. Ein Gemisch von Aether und Alkohol löst nach Holde 5%. Ueber die Verarbeitung des Kautschuks s. Gummiwarenfabrikation. Die Vulkanisierung des Kautschuks kann auf verschiedene Weise geschehen. Nach Payen wird Kautschuk 30–40 Minuten in geschmolzenen Schwefel getaucht, nach Parks wird er einige Minuten einem kalten Gemische von 100 Teilen Schwefelkohlenstoff und 2,5 Teilen Chlorschwefel ausgesetzt; nach Hancock bringt man den zu vulkanisierenden Gegenstand in ein Bad von geschmolzenem Schwefel, erhitzt bis 150° und läßt ihn so lange darin, bis 15% Schwefel aufgenommen sind. Nach Gerard wird Kautschuk in einer leichten Lösung von drei- oder fünffachem Schwefelcalcium unter 3 Atmosphären Druck mehrere Stunden erhitzt; nach Goodyear endlich werden dem Kautschuk bereits in der Knetmaschine resp. im Walzwerk 10–12% Schwefel mechanisch zugesetzt und die Gegenstände in besonderen Metallgefäßen oder Pressen erhitzt [29]. Ausführliches über Vulkanisierung außerdem in [11]–[13], über Chemie des Kautschuks in [14], [28], [29].

Nur in seltenen Fällen wird Kautschuk oder vulkanisierter Kautschuk für sich allein verarbeitet. Bei der Mehrzahl der Kautschukartikel spielt die Billigkeit eine zu große Rolle, und man muß an der Masse des Rohstoffes sparen, außerdem ist auch die Färbung für viele Objekte notwendig. Es werden daher der Kautschukmasse kautschuksparende und das Gewicht vermehrende Stoffe inkorporiert, wie Kreide, Ton, Zinkweiß, Eisenoxyd, feinster Sand, Leim, Glyzerin, Farbstoffe, Asphalt, insbesondere aber gewisse Kautschuksurrogate, wie die sogenannten Faktis, die Additionsprodukte von Schwefel und Oel und Nitrokörpern darstellen. Man unterscheidet

1. weiße Faktis, Rüböl und Chlorschwefel; 2. schwarze oder braune Faktis, Leinöl oder Maisöl und Schwefel; 3. Nitroricinolein; 4. Nitrolinolein; 5. Nitrocellulose; 6. eine Mischung dieser Körper wird als Velvril (Welwril) bezeichnet und umfangreich verwendet. Ausführliches darüber s. in [15] und [16].

Bei der Untersuchung der Kautschukgegenstände ist die Bestimmung dieser Beimischungen und ihrer Quantität von hervorragender Bedeutung, und es sind darüber von Henriques, Lobry de Bruyn, E. Schulze, C.O. Weber zahlreiche Arbeiten (Chemiker-Zeitung 1893 bis 1895) erschienen. S.a. [17]. Die technische Wertbestimmung und auch die Verarbeitung gründet sich auf den sogenannten Vulkanisationskoeffizienten. Darunter versteht man den Prozentgehalt an Schwefel und Chlor auf Reinkautschuk berechnet. Unter regeneriertem Kautschuk versteht man alten, zu neuer Verwendung aufgearbeiteten Kautschuk, der aber noch die Zusammensetzung der alten Ware besitzt [18]. Kautschukleimemulsionen, die in neuester Zeit erzeugt werden, zeichnen sich durch große Weichheit und Leichtigkeit aus und scheinen insbesondere für wasserdichte Stoffe empfehlenswert zu sein. Eine neue kautschukartige Masse unbekannter Abdämmung, von Lissabon nach London in den Handel kommend, ist die Almadina oder Almedine, welche vulkanisiertem Kautschuk zugesetzt wird. Es sind faustgroße, außen hellbraune, innen weißbräunliche oder grünliche, mitunter um das Zentrum blätterig geschichtete Stücke, die sich in Chloroform und Aether leicht lösen (Pharmaceutische Zeitung, Berlin 1887).

Als wertvoll gilt auch der sogenannte entschwefelte Kautschuk, der seines Schwefelgehaltes in schwefellösenden Flüssigkeiten (z.B. Natronlauge) wohl nur zum Teil beraubt ist, aber das Aussehen und die Eigenschaften (?) des vulkanisierten behalten hat.

Besondere Kautschukprodukte (vgl. Gummiwarenfabrikation) seien in folgendem aufgeführt: 1. Hartkautschuk (hornisierter Vulkanit, Cornit, Keratit), in Härte und Zähigkeit ähnlich dem Horne, wird durch Einarbeitung der halben Gewichtsmenge Schwefel erhalten. 2. Ebonit (Eburit, ivoire artificiel, künstliches Elfenbein), aus mit Chlor gebleichtem und dann vulkanisiertem Kautschuk hergestellt, mit Kreide, Zinkoxyd, blanc fixe u.s.w. vermischt. 3. Kamptulikon (Kautschukleder, S. 328), ein inniges Gemisch von Kautschuk und Korkpulver zur Erzeugung eines Teppich- und Ueberzugsmaterials. 4. Kautschukleder, mit Flachs, Hanf oder Jute erzeugt, fester und zäher als Nr. 3, aber weniger elastisch. 5. Balenit (künstliches Fischbein) besteht aus einem Gemisch von Kautschuk (100 Teile), Rubinschellak (20 Teile), gebrannter Magnesia (20 Teile), Schwefel (25 Teile), Goldschwefel (20 Teile) und vermag echtes[415] schwarzes Fischbein sowie Holz z.B. bei Anfertigung von Spindeln, Gewehrkolben, elastischen Platten, Schienen für chirurgische Zwecke zu ersetzen. 6. Plastit, dem Hartkautschuk ähnlich, wie dieser hart, polierbar, aber nicht elastisch, ist ein Balenit, bei dem der Schellack durch Steinkohlenteerpech (50–60 Teile) ersetzt ist, zu gepreßten Verzierungen, Rahmen, Büchsen, Schuhabsätzen, Hakengriffen, Türdrückern u.s.w. 7. Schleif- und Polierkompositionen (mit Schmirgel), Kautschukemail (Ueberzug für Metallgegenstände aus Hartkautschuk) und Kautschuklacke.

Die universelle Bedeutung des Kautschuks kennzeichnet sich am deutlichsten in der ungeheuern Ausdehnung der einzelnen Kautschukindustrien. Die großen Industriezentren liefern vorzugsweise spezifische Artikel. Nordamerika vor allem erzeugt in unübertroffener Weise Hartgummiwaren und technische Objekte, England die wasserdichten Stoffe, Frankreich Gummipuppen, Bälle und Ballons, Deutschland und Oesterreich produzieren ausgezeichnete Velozipedreifen und Kautschukpuffer, Rußland die besten Gummischuhe [18]. Die Fahrrad- und Automobilindustrie verbraucht gegenwärtig wohl die gewaltigsten Mengen von Kautschuk. Umfangreich ist auch die Produktion von Pfropfen, Röhren, Luftkissen, elastischen Bändern und Trägern, des Hartkautschuks zu Kämmen, Trauerschmuck, Tassen, chirurgischen Spritzen u.s.w. In der Pharmacie dient Kautschuk zu Pflastern.


Literatur: [1] Wiesner, Rohstoffe des Pflanzenreiches, 2. Aufl., Leipzig 1900, Bd. 1, S. 370. – [2] Hanausek, T.F., Realencyklopädie d. ges. Pharm., Wien 1888, Bd. 5, S. 647. – [3] Herbst, Edgar, Die Technik des Weichkautschuks, Vortrag u.s.w., Wien, ohne Jahreszahl. – [4] Höhnel, R. v., Ueber die Gewinnung und die Sorten des Kautschuks, Kollers Neueste Erfindungen und Erfahrungen, Wien 1887, Heft Nr. 6, 7 und 8. – [5] Semler, Die tropische Agrikultur, Wismar 1887, Bd. 2, S. 599. – [6] Bouchardt, Bull. soc. chim. 24, S. 108 (Ber. der Deutschen Chem. Gesellsch. 8, S. 904). – [7] Hanausek, T.F., Ueber die Löslichkeitsverhältnisse des Kautschuks, Zeitschr. d. Allg. Oesterr. Apoth.-Ver. 1885, Nr. 31. – [8] Heinzerling, Die Fabrikation der Kautschuk- und Guttaperchawaren, Berlin 1883. – [9] Hoffer, Raimund, Kautschuk und Guttapercha, 2. Aufl., Wien 1892. – [10] Heeren, Ueber Kautschuklösungen, in »Mitteilungen des Gewerbevereins in Hannover« 1876. – [11] Henriques, Vulkanisation des Kautschuks, Chem.-Ztg. 1894, Bd. 18, S. 701, 1155. – [12] Weber, C.O., ebend. 1894, Bd. 18, S. 837. – [13] Ders., Zeitschr. f. angew. Chemie 1894, S. 112. – [14] Stohmann, in Muspratts Chemie, 4, S. 1053. – [15] Chapel, E., Le Caoutchuc et la Guttapercha, Paris 1892, S. 363. – [16] Lobry de Bruyn und van Leent, Chem.-Ztg. 1894, Bd. 18, S. 309. – [17] Heinzerling, in Dammers »Lexikon der Verfälschungen«, Leipzig 1887, S. 459. – [18] Henriques, Chem.-Ztg. 1895, 19, S. 484. – [19] Warburg, Die Kautschukmisteln, Tropenpflanzer 1903, Nr. 11, S. 633. – [20] Reintgen, Peter, Die Kautschukpflanzen, Beihefte zum Tropenpflanzer 1905, Nr. 2/3. – [21] Tropenpflanzer, Berlin 1905, S. 539. – [22] Ebend. 1905, S. 99. – [23] Ebend. 1905, S. 150. – [24] Koschny, Zur Castilloakultur, ebend. 1905, S. 690. – [25] Ule, Kautschukgewinnung und Kautschukhandel am Amazonenstrom. Beihefte zum Tropenpflanzer 1905, Nr. 1. – [26] Tropenpflanzer 1905, S. 590. – [27] Henriques, Der Kautschuk und seine Quellen, Dresden 1899. – [28] Ditmar, R., Ueber die Chemie des Kautschuks u.s.w., Oesterr. Chem.-Ztg 1904, S. 570. – [29] Dieterich, Karl, Der Kautschuk, seine Herkunft, Gewinnung, Eigenschaften u.s.w., Pharm. Post 1904, Nr. 19 (Auszug). – [30] Preuß, Ueber Kautschuk und Guttaperchakultur in deutschen Kolonien, Tropenpflanzer 1905, S. 297. – Die Marktberichte über Kautschuk in folgenden Fachzeitschriften: Gummi-Zeitung, Dresden-Blasewitz; The India Rubber and Gutta Percha and Electrical Trade Journal, London E C. 19/21 Wilson Street; India Rubber World, New York U.S.A., Times Building; Le Moniteur du Caoutchouc et des autres gommes lactifères, Revue mensuelle illustrée publiée sous la direction de A. Van den Kerkhove, Bruxelles.

T.F. Hanausek.

1Mitteilung von Professor Dr. Häußermann.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 412-416.
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