[715] Flottenstützpunkte, befestigte Seehäfen außerhalb der heimischen Küsten, mit Kohlenlagern und Einrichtungen zum Ausbessern von Schi ssen (insbes. Trocken- oder Schwimmdocks) und womöglich mit telegraphischer Verbindung mit dem Mutterlande; zugleich sollen die F. Lager von Schießbedarf für Schiffsgeschütze, von Verbandstoffen und von Proviant führen und Lazarette haben. Als F. werden strategisch wichtige Punkte gewählt, die Kreuzungspunkte von Dampferwegen sind, z. B. Malta in der Mitte des Mittelmeeres, Honolulu in der Mitte des Stillen Ozeans, oder Punkte, die wichtige Meerengen beherrschen, wie Gibraltar, Ceuta, Aden, Singapur, oder auch die Haupthafenplätze wichtiger Kolonien, wie Saigon, Wladiwostok, Halifax etc. Alle F. müssen gegen Seegang geschützte Seehäfen sein; ihre Werften, Vorratslager und die Schiffe im Hafen müssen gegen feindliches Feuer gedeckt sein. Je nach der Stärke der Küstenbefestigungen und nach der Güte der Werft und Dockanlagen etc. unterscheidet man Hauptstützpunkte und Nebenstützpunkte; im folgenden sind Hauptstützpunkte mit * bezeichnet.
Infolge seiner zielbewußten und durch die Festlandkriege der andern Großmächte begünstigten Seepolitik hat England die meisten und besten F. Die wichtigsten europäischen F. Englands sind *Gibraltar und *Malta. Gibraltars Hafenanlagen sind durch großartige Wellenbrecherbauten bedeutend vervollkommt, auch große Trockendocks sind dort erbaut; die Marinewerft und der Hafen sind jedoch dem feindlichen Geschützfeuer stark ausgesetzt. Maltas natürlicher Hafen ist die Hauptflottenstation im Mittelmeer, hat vier große Trockendocks, eine große Marinewerft und alle nötigen Einrichtungen als Flottenstützpunkt, aber seine Festungswerke sind minderwertig. Im westlichen Nordatlantischen Ozean ist *Halifax der stärkste englische Flottenstützpunkt; der Hafen ähnelt dem Kieler Kriegshafen, hat ein großes Trockendock, Marinewerft und große Kohlenlager. Als befestigte Kohlen- und Dockstation ist ferner Quebec im Sommer wichtig. Außer Halifax kämen bei einem Kriege Englands mit den Vereinigten Staaten noch der sehr starke Kriegshafen auf den *Bermudas sowie die englischen Antillenhäfen in Betracht. Die Bermudas haben einen geräumigen, von Rissen gut geschützten Ankerplatz; die Marinewerft und das große Dock liegen gegen See und Schußwirkung geschützt. Von den englischen [715] Antillen hat Jamaika in Port Royal (Kings ton) den besten, durch eine Nehrung geschützten Hafen mit Werftanlagen, Kohlenlager und ältern Befestigungen. Als Kohlenhäfen sind die befestigten Reeden von Bridgetown (Barbados) und Port of Spain (Trinidad) zu erwähnen, an der afrikanischen Küste Bathurst in der Gambiamündung sowie Freetown. Im Südatlantischen Ozean besitzt England die Inseln Ascension und St. Helena, die nur als Kabelstationen wichtig sind, weil sie ungeschützte offene Reeden haben. Wichtiger sind die Falklandinseln mit dem Kohlenplatz und gut geschützten Hafen Port Stanley, der in einem Seekrieg als englischer Wachtposten vor der Magalãesstraße eine Rolle spielen kann. Nach Indien hat England sowohl für den Seeweg durch den Suezkanal als auch für den Weg ums Kap der Guten Hoffnung eine ganze Reihe von befestigten Flottenstützpunkten. In der Kapkolonie ist die *Kapstadt am besten ausgerüstet und befestigt; sie hat ein großes Trockendock, Kohlenlager und gute künstliche Hafenbecken. Simonstown mit geschütztem Ankerplatz soll noch zu einem Flottenstützpunkt ersten Ranges eingerichtet werden. Lediglich Kohlenstationen sind in der Kapkolonie noch die nur schwach befestigten Häfen Port Elizabeth, East London und Durban. Auf dem Wege vom Kap der Guten Hoffnung nach Ostindien ist *Port Louis auf der Insel Mauritius der wichtigste englische Flottenstützpunkt; er hat einen geschützten geräumigen Hafen mit drei Trockendocks, Kohlenlagern, Werftanlagen und ist stark befestigt. Die Reede des englischen Sansibar ist nur Kohlenstation. Auf dem Seeweg vom Mittelmeer nach Ostindien hat England durch Besetzung Ägyptens auch den Suezkanal in seiner Gewalt; obgleich Port Saïd und Suez nur schwache Küstenbatterien aufweisen, dürfte es einer englischen Flotte leicht sein, diese wichtige Meeresstraße so lange gegen andre Flotten zu verteidigen, bis Küstenbefestigungen angelegt wären. Port Saïd und Suez sind als Kohlen-, Trockendock- und Ausrüstungsstationen genügend vorbereitet. Im Roten Meer sind die Insel Perim und die geschützte innere Reede der Halbinsel *Aden englisch; Aden ist als Kohlenstation wichtig und befestigt. Der nächste indische Hafen Kurrachee, gut befestigt, auch mit Trockendock versehen, wird mit der Zeit als Flottenstützpunkt noch wichtig werden. Vorläufig ist an der Westküste Vorderindiens *Bombay mit vier großen und fünf kleinen Trockendocks, mit Werftanlagen und reichen Kohlenlagern der wichtigste Flottenstützpunkt; seine Hafenbecken sind künstlich angelegt und gut verteidigt. Auf Ceylon sind der von einem mächtigen Wellenbrecher geschützte Hafen von *Colombo sowie Trinkomali als befestigte Kohlen- und Ausrüstungsstationen wichtig. Im Golf von Bengalen sind Madras und Rangun Kohlenstationen; Madras ist auch befestigt. Auf dem Knotenpunkte der Seestraßen nach Ostasien und Australien, in der Malakkastraße, sind zwei englische F., Penang, eine Insel mit geschütztem Ankerplatz und einem großen Trockendock, sowie *Singapur, mit gut geschützter und stark verteidigter Reede sowie mit vier großen Trockendocks, Werftanlagen und Vorratslagern; beide Seeplätze sind wichtige Kohlenstationen. Hauptstützpunkt der englischen Seemacht in Ostasien ist *Hongkong, dessen innere Reede von der Insel Hongkong gegen Beschießung gedeckt wird; beide Einfahrten sind stark befestigt. Hongkong hat eine große Marinewerft, mehrere andre Schiffbauwerften, fünf große Trockendocks und ein kleines. Im äußersten Osten Chinas hat England noch den Kriegshafen Wei-hai-wei besetzt. Von den Häfen der australischen Kolonien besitzt Adelaïde ein großes Trockendock, Melbourne deren 3, ebenso Sydney 3 und Brisbane ein großes Trockendock; diese Häfen sind befestigt und mit Kohlen- und Schiffswerften versehen. Auf Neuseeland wird *Auckland mit zwei großen Trockendocks als Flottenstützpunkt eingerichtet. Auch die Häfen Lyttelton und Dunedin, mit je einem großen Dock, sind als Kohlenstationen wichtig. Der am weitesten vom Mutterland entfernte englische Flottenstützpunkt ist der Hafen von *Esquimalt auf der Insel Vancouver; er ähnelt der Kieler Föhrde, ist stark befestigt, mit Marinewerft mit großen Kohlenvorräten und einem großen Trockendock versehen.
Frankreichs bester Flottenstützpunkt für den Mittelmeerkrieg ist (abgesehen vom Kriegshafen Toulon) *Bizerta in der Nähe des alten Karthago, dessen Werftanlagen, Trockendocks und Küstenbefestigungen aber noch nicht vollendet sind. Als Dock- und Kohlenstation ist der befestigte Hafen von Algier weniger wichtig, weil er gegen feindliche Beschießung offen liegt. Im W. von Oran soll bei Rachgoun ein zweiter geschützter Kriegshafen angelegt werden. In den westindischen Gewässern ist der befestigte Hafen *Fort de France auf Martinique mit einem großen Trockendock, mit Marinewerft und Kohlenlagern ein wichtiger Flottenstützpunkt. An der westafrikanischen Küste soll Dakar-Gorée beim Kap Verde zum Flottenstützpunkt ausgebaut werden, vorläufig ist der sehr günstig gelegene Hafen nur als Kohlenstation brauchbar, aber nicht genügend befestigt. Im Indischen Ozean soll der sehr geräumige und schöne Hafen Diego Suarez am Nordende von Madagaskar ebenfalls Flottenstützpunkt werden; jetzt ist er eine schwach befestigte Kohlenstation. Auf Réunion hat der Hafen von St.-Pierre ein Trockendock und Kohlenlager, ist aber auch nur schwach befestigt. Die Reede von Obok im Roten Meer ist nur Kohlenstation. Im französischen Indochina ist der Flußhafen *Saigon mit Marinewerften, zwei großen Trockendocks und einem Schwimmdock sowie mit Kohlenlagern etc. der wichtigste Flottenstützpunkt; der Saigonfluß ist an seiner Mündung beim Kap St.-Jacques stark befestigt. In Tongking soll Port Courbet (Hongay) zum Flottenstützpunkt ausgebaut werden. In der Südsee sind die Häfen von Nouméa auf Neukaledonien und Port Phaéton auf Tahiti befestigte und geschützte Kohlen- und Ausrüstungshäfen; in Nouméa soll ein großes Trockendock gebaut werden.
Die Vereinigten Staaten von Nordamerika haben sich eine Menge sehr wichtiger überseeischer F. eingerichtet. Im Atlantischen Ozean sind ihnen die stark befestigten und gut ausgerüsteten Häfen von Guantanamo auf Cuba und *San Juan de Portorico als F. zugefallen sowie das Inselchen Culebra, das als Flottenstützpunkt eingerichtet wird. An der Küste von Costarica, mitten zwischen Greytown und Colon, haben sie die Chiriqui-Lagune zur Anlage einer befestigten Kohlenstation erworben. Am Panamakanal ist die Anlage starker Befestigungen geplant. Im Stillen Ozean ist *Honolulu der wichtigste, gut befestigte und gut ausgerüstete amerikanische Flottenstützpunkt; die Anlage von Trockendocks ist im Bau. Auch *Manila ist als Flottenstützpunkt befestigt und ausgerüstet. Andre amerikanische F. sind die Insel Guam auf den Marianen und der Hafen von Pago-Pago auf der Insel Tutuila (Samoa-Inseln). Von San Francisco aus wird ein [716] Telegraphenkabel über Honolulu und Guam nach Manila gelegt, wodurch die strategische Bedeutung dieser F. für die Vereinigten Staaten noch erhöht wird.
Rußland hat eine ganze Reihe wichtiger F. und ist bemüht, neue dazu zu erwerben. An der Murmanküste im Nördlichen Eismeer wird der Katharinenhafen zum Kriegshafen ausgebaut. Im Persischen Meerbusen sucht sich Rußland festzusetzen, weil ihm ein westasiatischer Hafen am Indischen Meere fehlt. In den ostasiatischen Gewässern hat Rußland als südlichste Häfen Dalny und *Port Arthur, letzterer ist gut geschützt, stark befestigt und mit großem Trockendock sowie mit Vorräten versehen; der Hafen liegt vor dem Eingang in den Golf von Petschili. An der Ostküste von Korea versucht Rußland sich im Port Lazaref festzusetzen. Von den sibirischen Häfen ist *Wladiwostok ein stark befestigter Kriegshafen, der mit seinem geräumigen Ankerplatz dem Kieler Reichskriegshafen sehr ähnlich ist und eben so geschützt wie dieser liegt. Wladiwostok besitzt ein großes Trockendock, ein großes Schwimmdock, eine große Marinewerft und Vorräte aller Art, so daß es der Hauptstützpunkt der russischen Flotte in Ostasien ist. Alexandrowsk im Amurgebiet gegenüber der Insel Sachalin wird auch befestigt und als Kohlenhafen ausgebaut; Nikolajewsk und Petropawlowsk haben nur im Sommer als Kohlenstationen einige Bedeutung. Deutschland hat zurzeit überhaupt noch keine befestigten F.; nur der Hafen von Tsingtau wird als befestigter Stützpunkt ausgebaut, mit Werftanlagen und Vorratslagern versehen. Als Kohlenstationen könnten in Betracht kommen: Kamerun, ein Hafen des ostafrikanischen Schutzgebietes, einer im Kaiser Wilhelms-Land, ferner etwa Yap, Jaluit und Apia, vorausgesetzt, daß diese Häfen befestigt würden. Solange die deutschen F. keine Kabelverbindung und keine Befestigung haben, werden sie in einem Seekriege sehr wenig Wert besitzen. Vgl. die Karte »Seestreitkräfte und F.« beim Artikel »Marine«.
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