Costarīca

[308] Costarīca (span., »reiche Küste«), der südlichste der mittelamerikan. Freistaaten (s. Karte »Westindien und Mittelamerika«), zwischen 8°–11°16' nördl. Br. und 82°40'–84°50' westl. L., 54,070 qkm groß, nimmt den nordwestlichen Teil der Landenge von Panama (s.d.) ein und wird von dem kolumbischen Depart. Panama durch die von der Punta Carreta nach der Punta Barrica laufende Kordillere, von Nicaragua durch den Rio San Juan und Nicaraguasee abgegrenzt (nach den Schiedssprüchen des Unionspräsidenten 1888 und des französischen Präsidenten 1900). Das Innere wird in südöstlicher Richtung von zwei gewaltigen Gebirgsketten durchzogen, von denen die eine sich von Kap Helena und dem Nicaraguasee gegen die Punta Carreta richtet und jungvulkanisch ist, die andre alteruptive und kristallinische aber von der Ostseite der Nicoyabucht gegen die Chiriquilagune verläuft, um sich an den Chiriquivulkan von Panama und die Kordillere von Veragua anzulehnen. Der erstern gehören die Vulkane Orosi (1585 m), Rincon de la Vieja, Miravalles (1432 m), Tenorio, Poas (2644 m), Irazu (3414 m) und Turialba (3325 m) an, von denen die drei letztgenannten noch eine ziemlich lebhafte Tätigkeit entfalten; zur letztern gehören der Chirripo Grande (3900 m), Usum (2650 m), Pico Blanco (2940 m). Gegen NO. fallen diese Gebirge verhältnismäßig sanft ab, und an der Küste des Karibischen Meeres und am Nicaraguasee begleiten sie die breitesten Niederungen aus jüngerm und jüngstem Schwemmlande. Der Südwestabfall ist steil; hier laufen den Hauptketten auch Nebenketten parallel, darunter besonders die Cerros de Havana (gegen 1000 w), welche die Halbinsel vor der Nicoyabucht, und die Cerros de Saispuedes (über 600 w), welche die Halbinsel vor dem Golfo Dulce erfüllen. Die Küstengliederung ist demgemäß auch durch die genannten weiten Golfe sowie durch die Elenabai und Culebrabai die weitaus reichere. Von den Flüssen sind auf größere Strecken schiffbar der San Juan und seine Nebenflüsse San Carlos und Sarapiqui (Sucio) sowie der in den Nicaraguasee mündende Rio Frio. Das Klima ist heiß und in den größenteils mit Mangrovesumpf bedeckten Küstenniederungen ungesund (mittlere Temperatur 26°), dagegen schön, gemäßigt und gesund auf der Höhe des Tafellandes. Die atlantische Seite von C. hat keine eigentliche Trockenzeit, während die pazifische Seite vom Januar bis April sehr regenarm ist, so daß die Vegetation teilweise ganz vertrocknet. San José (1135 m hoch) hat 19,6° mittlere Jahrestemperatur, 18,7° mittlere Temperatur des kältesten Monats (Dezember) und 20,4° des wärmsten (Mai). Die Regenmenge beträgt 175 cm, das Maximum im Juli 40, das Minimum im Februar 0,2 cm. Gewittertage 42. Sonnenscheindauer 1911 Stunden. Puerto Limon dagegen erhält 375 cm Regen im Jahr. Hinsichtlich der Pflanzenwelt lehnt sich C. viel enger an Südamerika an als an das übrige Mittelamerika (und Mexiko), von dem es noch in später geologischer Zeit eine breite Meeresstraße trennte. An der östlichen Abdachung der Kordillere, die von den Niederschlägen des Passats befeuchtet wird, erhebt sich ein aus Palmen und andern tropischen Baumformen gemischter Wald fast bis zum Kamm der Berge. Koniferen fehlen ganz, Eichen und alpine Sträucher rücken in ein höheres Niveau; dagegen findet man jenseit des Kammes an der pazifischen Küste in der offenen Landschaft fast nur Savannengehölze und erreicht den Tropenwald erst in der Nähe der Küste. Eichen und Nadelhölzer treten hier schon in der tropischen Region auf und in geringer Meereshöhe bereits alpine Kräuter. Auf den Alpenmatten des höchsten Berggipfels, des Irazu, ersetzen Erikazeen (Vaccinium, Pernettya) den Steviengürtel der mexikanischen Anden. In den palmenreichen Wäldern des Ostabhanges finden sich von südamerikanischen Charaktergewächsen die Gattungen Bactris, Geonoma und Iriartea, ferner Baumfarne, Scitamineen und die Rubiazee Warszewiczia pulcherrima. Das Zentralplateau bei 1600 m Höhe nehmen lichte Waldungen aus Cedrelen, Bombax-, Cupania-, Inga- und Bursera-Arten mit dornigen Mimosen ein. Die Tierwelt, zu der mexikanischen Subregion der neotropischen Region gehörend, ist besonders an Säugetieren und Vögeln sehr reich. Es gibt mehrere Arten Affen, den Jaguar und Puma und andre Raubtiere, von Paarzehern das Nabelschwein und kleine Hirscharten, von Unpaarzehern den amerikanischen Tapir; zahlreiche Papageien, Tukane, Hokkohühner, Löffelreiher, Aasgeier, Spechte, Falken; von Reptilien besonders Schlangen und Leguane; die Insektenwelt ist sehr reich und z. T. von tropischer Pracht.

Die Bevölkerung betrug 1892: 243,205 (122,480 männlich, 120,725 weiblich), nach einer Berechnung von 1899: 309,683. Vorherrschend ist die unvermischt spanische Rasse, der Rest besteht aus 6840 Ausländern (342 Deutschen), 1200 Negern, 600 Chinesen, 5000 zivilisierten und 2800 unzivilisierten Indianern. Die Hauptmasse der Bevölkerung bewohnt die Hochebene von San José und das Tal des Rio Grande. Staatsreligion ist die römisch-katholische, aber alle andern Konfessionen sind geduldet. Ein 1850 gegründetes Bistum ist dem Erzbischof von Guatemala unterstellt. Für Volksbildung sorgen (1897) die Universität von San José, 4 andre höhere Schulen und 327 Elementarschulen mit 21,913 Schülern. Haupterwerbszweige sind Landbau und Viehzucht, vor allem der seit 1832 schwunghaft betriebene Kaffeebau (bis zu Höhen über 1200 m), die Südfruchtkultur (in den Küstenniederungen), der Anbau von Kautschukbäumen und der Mais- und Bohnenbau. Viehzucht wird besonders auf den Savannen und Catingas (mit vereinzelten Bäumen und Büschen besetzten Wiesenflächen) in den Departements Guanacaste und Alajuela betrieben. Bergbau (in den Minen von Monte Aguacate) und Industrie sind bedeutend. Branntweinbrennerei und Tabakbau sind Monopol der Regierung, die 1892: 1,641,046, bez. 616,605 Pesos daraus gewann.

Die Einfuhr betrug 1901: 4,410,422, die Ausfuhr 5,585,198 Doll. Die Einfuhr (16,8 Proz. aus der [308] Union, 21,8 Proz. aus England, 13,5 Proz. aus Deutschland, 5,4 Proz. aus Frankreich, 3,1 Proz. aus Spanien) besteht in Geweben, Maschinen, Eisen-, Glas-, Porzellan- und Steingutwaren, Wein, Bier, Spirituosen u. a., die Ausfuhr in Kaffee (1901: 16,5 Mill. kg für 2,8 Mill. Doll.) und Bananen (3,9 Mill. Bushel für 1,5 Mill. Doll.); ferner Gold, Silber, Zedern- und Mahagoniholz, Häuten, Kautschuk u. a. Die Regierungsbank, Banco de Costarica, ist zur Ausgabe von Banknoten berechtigt. In beiden Häfen, Punta Arenas und Limon, liefen 1901: 171 Schiffe mit 255,126 Ton., bez. 415 Schiffe mit 423,759 T. ein. Eine schon seit langem bestehende, 135 km lange Landstraße führt von San José nach Punta Arenas. Eisenbahnen gab es 1901: 282 km, darunter besonders eine bis auf die 35 km lange Gebirgsstrecke bei Alajuela fertige interozeanische Bahn; Telegraphenlinien 1417 km, mit 52 Ämtern, Telephonlinien 320 km. Die Post hatte 1901: 85 Ämter und im innern Verkehr 1,772,914, im äußern 637,163 Sendungen. Neben dem für Maße und Gewichte gesetzlichen metrischen System sind die altkastilischen allgemein im Gebrauch. 1 Libra hier = 430,142 g, 1 Tercio = 150 Libras, 1 Cajuela = 0,687 Lit. Grundlage des Münzwesens wurde 1896 der Colon von 700 mg Gold = 1,953 Mk. bei 9/10 Feinheit im Verhältnis zum Silber = 263/4: 1; fremde Goldmünzen sind zugelassen, fremde Silbermünzen verboten. Die 3/4 seinen Silberstücke von 50,25,10 und 5 Centavos müssen bis 10, Kupfermünzen bis 1 Colon angenommen werden.

Verfassung und Verwaltung. Nach der Verfassung von 1859, geändert 22. Dez. 1871 und 26. April 1882, wird der Präsident und ein Kongreß von 21 Deputierten indirekt auf 4 Jahre gewählt. Zur Wahlberechtigung wie zur Wählbarkeit sind 21 Lebensjahre erforderlich. Das Ministerium besteht aus vier vom Präsidenten ernannten Mitgliedern. C. wird eingeteilt in sieben Provinzen: Alajuela, Cartago, Guanacaste, Heredia, Limon, Punta Arenas und San José. Sitz der Regierung, des höchsten Gerichtshofs und des Landesbischofs ist die Hauptstadt San José (s.d.). Außerdem sorgen für die Rechtspflege ein Kassationshof, zwei Appellhöfe und in jeder Provinz ein Obergericht. Die Staatseinnahmen (vornehmlich Zölle, Branntwein- und Tabakmonopol) betrugen 1898: 8,413,199, die Ausgaben 8,069,948, die äußere Staatsschuld 2,095,000 Pfd. Sterl., die innere 1,381,591 Pesos. Das stehende Heer zählt 600 Mann, eine Miliz, die alle Männer von 18–55 Jahren umfaßt, 12,000 Mann. Das Wappen (Abbildung s. auf Tafel »Wappen III«) zeigt drei spitze Berge im Meer, hinter und vor ihnen ein Schiff, hinter dem Berge rechts die aufgehende Sonne, oben am Himmel fünf goldene Sterne. Die Flagge (s. Tafel »Flaggen I«) besteht aus fünf Horizontalstreifen, blau, weiß, rot, weiß, blau, der mittlere (rote) Streifen von doppelter Breite. In der Mitte der Kriegsflagge ist das Wappen, das die Handelsflagge nicht hat. Orden bestehen nicht.

Geschichte. Das Land wurde von Kolumbus 5. Okt. 1502 entdeckt und von ihm Costa Rica y Castilla de Oro genannt, weil er an verschiedenen Stellen von den Eingebornen mit Goldstückchen beschenkt worden war. Die ersten spanischen Niederlassungen waren Fonseca in Chiriqui (1523) und Brusellas am Golf von Nicoya, die aber beide bald wieder verlassen wurden. Der erste wahre Eroberer des Landes, der es zum größten Teil durchzog, war Juan Vasquez de Coronado (1561–65). Er gründete 1563 Cartago in der Nähe der heutigen Stadt; 1578 wurde Esparza gegründet. 1821 erfolgte die Unabhängigkeitserklärung, der Sitz der Regierung ward nach San José verlegt, und C. war fortan einer der Vereinigten Staaten von Mittelamerika, bis es sich 1840 von der Union lossagte und durch ein Staatsgrundgesetz vom April 1843 als unabhängiger Staat konstituierte. Länger dauernde innere Unruhen entstanden, als 1859 eine Vereinigung der Liberalen und der Fremden, besonders der Engländer und Deutschen, den Präsidenten Juan Rafael Mora stürzte, weil er ihrem stets wachsenden Einfluß entgegengetreten war. Der Arzt José Maria Montalegre wurde darauf zum Präsidenten ernannt, eine neue Verfassung eingeführt, und Mora, der mit Hilfe des Präsidenten von San Salvador sich der Gewalt wieder zu bemächtigen suchte, wurde überwältigt und erschossen (28. Sept. 1860). Von 1863–66 war Jesus Jimenes Präsident, der auch, als sein Nachfolger José Maria Castro 1868 durch eine Revolution gestürzt wurde, wieder die Regierung in die Hand nahm. Doch mußte er im April 1870 zurücktreten, worauf im Oktober Tomas Guardia Präsident wurde, der mit wenigen Unterbrechungen bis zu seinem im Juli 1883 erfolgten Tod an der Spitze der Republik blieb, die er meist als Diktator regierte. Er führte den obligatorischen und unentgeltlichen Unterricht sowie die allgemeine Wehrpflicht ein, brachte aber durch mangelnde Sparsamkeit die Finanzen des Staates in eine üble Lage. Nach seinem Tode trat Prospero Fernandez, 1890 der liberale Jurist Rodriguez an die Spitzedes Staates. Unterihm wurde der Grenzstreit zwischen C. und Kolumbien vom Präsidenten der französischen Republik 15. Sept. 1900 dahin entschieden, daß die Grenzlinie von Kap Mona am Atlantischen Ozean zum Kap Burica am Stillen Ozean laufen soll. Vgl. M. Wagner, Die Republik C. (Leipz. 1856); M. de Peralta, C., its climate, constitution, etc. (Lond. 1873); B. A. Thiel, Lenguas y dialectos de los Indios de C. (San José 1882); Calvo, The republic of C. (Übersetzung, Chicago 1890); Biolley, C. et son avenir (Par. 1890); Montero Barrantes, Geografia de C. (Barcelona 1893); Derselbe, Elementos de historia de C. (das. 1893); C. Fern and ez, Documentos para la historia de C. (San José, 3 Bde.); L. Fern and ez, Historia de C. durante la dominación española 1502–1821 (Madr. 1890); Peralta, C., Nicaragua y Panamàen el siglo XVI. (Madr. u. Par. 1883); Derselbe, El canal interoceanico de Nicaragua y C. en 1620 y en 1887 (Brüss. 1887); Derselbe, C. y Colombia de 1573 à 1881 (Madr. 1886); Karte von Friederichsen (Hamb. 1876).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 308-309.
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