[532] Wenzel, 1) deutscher König, als König von Böhmen Wenceslaus IV., ältester Sohn Kaiser Karls IV. von seiner dritten Gemahlin, Anna von Schweidnitz, geb. 26. Febr. 1361, gest. 16. Aug. 1419 in Prag, wurde als dreijähriges Kind zum König von Böhmen gekrönt und im zehnten Jahre mit Johanna, Tochter Herzog Albrechts 1. von Bayern, vermählt. Seit 1373 Markgraf von Brandenburg, ward er 10. Juni 1376 zum römischen König erwählt, 6. Juli in Aachen gekrönt und folgte 1378 Karl IV. auf dem böhmischen und deutschen Königsthron. Obgleich unterrichtet, talentvoll und früh zur Teilnahme an den Staatsgeschäften zugezogen, entbehrte W. der Selbständigkeit und Festigkeit des Willens, wurde der Staatsgeschäfte überdrüssig und ergab sich dem Trunke. In Deutschland anfangs redlich bestrebt, den Fehden zwischen Fürsten, Rittern und Städten durch Verkündigung des Landfriedens zu steuern, hatte er 1383 bis 1387 keinen Erfolg und zog sich nach Böhmen zurück. Erst 1389 berief W. einen Fürstentag nach Eger, um den Landfrieden herzustellen, und gab die Städte, deren Widerstand gegen die Fürsten er früher gefördert hatte, preis. Überdies hatte er in Böhmen selbst mit Adel und Geistlichkeit zu kämpfen. Als er mit dem Erzbischof von Prag in Streit geriet, ließ er dessen Generalvikar Johann von Pomuk (Nepomuk), den er im Verdacht hatte, daß er den Erzbischof gegen ihn reize, 1393 in die Moldau stürzen, und diejenigen vom Adel, die den Kammergütern nicht freiwillig entsagten, wurden hingerichtet. Die unfähige und zugleich gewalttätige Regierung Wenzels veranlaßte die böhmischen Großen, sich mit Wenzels Bruder, dem König Siegmund von Ungarn, und seinem Vetter, dem Markgrafen Jobst von Mähren, zu verbinden, W. 1394 zu überfallen und auf dem Prager Schlosse mehrere Monate in geheimer Hast zu halten, bis auf seines Bruders, des Herzogs Johann von Görlitz, Betrieb die deutschen Fürsten durch Androhung von Gewaltmitteln seine Freilassung bewirkten. Doch mußte W. einen Vertrag eingehen, der seine königliche Macht in Böhmen fast aufhob. Als W. den Visconti das Herzogtum Mailand, ein Reichslehen, übertrug und Frankreich zuliebe in die Absetzung der beiden Gegenpäpste Bonifatius IX. und Benedikt XIII. willigte, benutzten dies die vier rheinischen Kurfürsten als Vorwand, um 20. Aug. 1400 an der Marienkapelle bei Oberlahnstein seine Absetzung auszusprechen. Unterdessen war W. mit seinen böhmischen Untertanen in neue Zwistigkeiten geraten, und Siegmund hielt ihn 19 Monate zu Wien in Haft. Da Papst Bonifatius IX. 1403 Wenzels Absetzung förmlich aussprach, begünstigte der König die Anhänger Hus'. Als nach Ruprechts Tod 1410 Siegmund zum römischen Kaiser gewählt worden war, verzichtete W. zu dessen Gunsten 1411 auf das Kaisertum und behielt sich bloß den Kaisertitel vor, überließ den Landständen die Regierung in Böhmen und ergötzte sich an der Jagd. Er starb infolge eines Blutschlags, der ihn bei der Kunde von dem Ausbruch der hussitischen Empörung befiel. Vgl. Pelzel, Lebensgeschichte des römischen und böhmischen Königs W. (Prag 178890, 2 Bde.); Lindner, Geschichte des Deutschen Reiches unter König W. (Braunschw. 187576, 2 Bde.); »Deutsche Reichstagsakten unter König W.« (hrsg. von Weizsäcker, Münch. 186877, 3 Bde.).
[Könige von Böhmen.] 2) W. I., geb. 1205, Sohn Přemysl Ottokars I., wurde schon 1216 entgegen dem in Böhmen bisher geltenden Senioratsrecht als Thronfolger anerkannt und von Kaiser Friedrich II. bestätigt. 1224 heiratete er König Philipps des Hohenstaufen Tochter Kunigunde. Nach dem Tode seines Vaters übernahm er 1230 die Regierung und setzte den vom Vater unternommenen Krieg gegen Österreich (mit Unterbrechungen) fast bis zum Tode des letzten Babenbergers (1246) fort. Seine Hoffnungen auf das babenbergische Erbe (sein ältester Sohn Markgraf Wladislaw von Mähren war mit Gertrud, der Nichte des Herzogs Friedrich, vermählt, starb aber schon Anfang 1247) wurden durch die Ansprüche des Kaisers und Ungarns gekreuzt; auch geriet er in schweren Kampf mit seinem Sohn Přemysl Ottokar und einem Teil des böhmischen Adels. Schließlich aber vereinigten sich Vater und Sohn 1250 zur Gewinnung des babenbergischen Erbes, und Přemysl erhielt mit der Hand Margaretas, der Schwester des letzten Babenbergers, Ober- und Niederösterreich, geriet aber wegen Steiermark in Krieg mit Ungarn, den dann der Tod Wenzels 22. Sept. 1253 und Přemysls Erhebung zum böhmischen König beendete. In Wenzels Regierung fiel auch der Mongolensturm des Jahres 1241, der besonders Mähren schwer traf. Im Innern gedieh unter W deutscher Einfluß und deutsches Wesen zu großer Geltung; er war ein besonderer Gönner des Minnesangs, behielt Reinmar von Zweler lange an seinem Hof und gilt als Verfasser des Minneliedes »Us hoher aventure«.
3) W. II., geb. 1271, Sohn Přemysl Ottokars II., folgte diesem nach seinem Tod auf dem Marchfeld 1278 in Böhmen und Mähren unter Vormundschaft des Markgrafen Otto von Brandenburg, der W. selbst in einer Art von Gefangenschaft hielt und das Land durch Habsucht bedrückte. Erst 1283 trat W., der seit 1278 mit Guta, einer Tochter Rudolfs von Habsburg vermählt war, die Regierung an, ohne jedoch dem wüsten Treiben der Adelsparteien ein Ende machen zu können; den größten Einfluß besaß damals in Böhmen Zawisch von Rosenberg, der Gemahl von Přemysl Ottokars Witwe Kunigunde, der aber schließlich, als sich auch der König auf Betreiben seiner Gemahlin Guta von ihm abgewandt hatte, 1290 hingerichtet wurde. Von dieser Zeit an führte W. die Regierung selbständig. Er erwarb Eger, Meißen und die Oberlehnsherrschaft über die schlesischen Herzogtümer, erhielt 1290 die siebente Kurwürde und das Schenkenamt zugesprochen, wurde 1291 zum König von Kleinpolen, d. h. Krakau und Sandomir, 1300[532] auch zum Herrscher Großpolens, dessen Erbtochter er als seine zweite Gemahlin geehelicht hatte, erwählt, brachte 1302 seinen Sohn (s. unten) vorübergehend auf den Thron Ungarns und starb 21. Juni 1305. W., der Stifter des berühmten Cistercienserklosters Königssaal, war auch Minnesinger und Förderer der deutschen Kultur, sorgte für die Verbesserung des böhmischen Rechts. für die Ordnung des Münzwesens und die materielle Hebung seiner Länder.
4) W. III., geb. 1289, Sohn des vorigen, wurde 1302 in Stuhlweißenburg als König von Ungarn gekrönt, konnte sich aber nicht behaupten, folgte seinem Vater 1305 in Böhmen, ward aber schon 4. Aug. 1306 in Olmütz, siebzehnjährig, mitten in der Rüstung zum Kriege, um seine Rechte auf Polen zu schützen, von einem sonst unbekannten Thüringer namens Konrad von Potenstein ermordet. Mit ihm erlosch der Mannesstamm der Přemysliden.
5) W. IV., s. Wenzel 1).