Frankfurta. d. Oder

[488] Frankfurta. d. Oder, 1) Regierungsbezirk der preußischen Provinz Brandenburg, gebildet aus fast der ganzen Neumark, Theilen der Mittelmark, des Fürstenthums Glogau (Kr. Schwiebus), aus der Niederlausitz, Theilen des sonstigen Meißner Kreises Sachsens (die Ämter Finsterwalde u. Senftenberg) u. aus einer Parzelle Posens; grenzt an die Regierungsbezirke Stettin, Köslin, Marienwerder, Bromberg, Posen, Liegnitz, Merseburg u. Potsdam; 351,63 QM, 894,800 Ew. Flüsse: die Oder, welcher rechts die Wartha u. Miezel, links der Bober u. die Neiße zufließen, außerdem die Spree mit der Oder durch den Friedrich-Wilhelms-Kanal verbunden, u. die Dahne. Seen sind ziemlich zahlreich, der größte darunter der Schwielunger See. Das Land ist eben u. zum großen Theil leichter Sandboden, bes. in der Mark u. Niederlausitz, der aber Braunkohlenlager von großer Mächtigkeit, in verschiedenen Gegenden auch Thon, Mergel u. Gyps enthält; bewaldet ist bes. der Osten u. Süden, wo der 6 Meilen lange u. gegen 11/2 Meilen breite, von der Spree durchflossene Spreewald steht. Fruchtbar ist das Land nur längs der Flüsse. Der Landbau ist nicht unbedeutend, ebenso die Vieh-, bes. Schafzucht. Der Betrieb von Gewerben ist lebhaft, die Industrie schafft durch Maschinen in zahlreichen Fabriken Garne, Tuch, baumwollene, seidene, halbseidene Zeuge, Papier; außerdem gibt es Eisen- u. Kupferhämmer, Glashütten, Theeröfen, Pottaschsiedereien, chemische u. verschiedene andere Fabriken. Für die Volksbildung sorgen Volks- u. Bürgerschulen, 2 Schullehrerseminare, 7 Gymnasien. Der Handel wird schwunghaft betrieben u. unterstützt durch die Oder u. die große Eisenbahn von Berlin über Frankfurt nach Schlesien u. nach Posen, sowie Ost- u. Westpreußen. Eingetheilt ist der Regierungsbezirk in die 16 Kreise: Arnswalde, Friedeberg, Guben, Kalau, Königsberg, Kottbus, Krossen, Landsberg, Lebus, Luckau, Lübben, Soldin, Sorau, Spremberg, Sternberg, Züllichau. 2) Hauptstadt im Kreise Lebus, links an der Oder, von einer Mauer, durch welche 5 Thore einführen, u. 3 Vorstädten umgeben, deren eine auf dem rechten Oderufer liegt; ist regelmäßig gebaut, mit geraden Straßen u. schönen öffentlichen Plätzen, als dem Markt, Neumarkt, Roßmarkt, Anger etc. F. ist Sitz der Regierung, des Oberlandesgerichts, der neumärkischen Ritterschastsdirection u. des Landrath-Amtes für den Kreis Lebus. Unter den 6 Kirchen sind die Marien- (Ober-) kirche, welcke 1858 im Innern restaurirt worden ist, u. die Nicolaikirche die ansehnlichsten; auch besteht hier eine katholische Kirche u. eine Synagoge; Rathhaus, Packhof, Bankcommandite, Hospitäler, Waisenhaus, Zucht- u. Arbeitshaus, Landwirthschaftliche Gesellschaft, Hebammeninstitut, jüdische Buchdruckerei, Friedrichsgymnasium mit Bibliothek, die Oberschule, 2 Knaben-, 2 Mädchen-, 3 Vorstadtsschulen, Leopoldsfreischule, Armenschule, die 1506 hier gegründete Universität wurde 1811 nach Breslau verlegt. Fabriken in Fayence, Tabak, Zucker, Strümpfen, Seidenwaaren, gutem Senf, Handschuhen, Gerbereien, Branntweinbrennereien, Töpfereien, 5 Buchhandlungen, mehrere Buch- u. Steindruckereien. Die Hauptnahrungsquelle jedoch ist der Handel, der durch die Oderschifffahrt, durch die 1842 eröffnete Eisenbahn von Berlin nach Frankfurt, an welche sich später die Bahnen nach Breslau (mit Zweigbahnen nach Glogau u. Görlitz) u. nach Posen schlossen, u. durch 3 Messen, nach Reminiscere, Margarethe u. Martini benannt, gehoben wird; die Zufuhr zu denselben besteht bes. in Tuch-, Woll-, Baumwoll-, Seiden- u. Kurzwaaren, rohen Häuten, Fellen etc., im Werth von etwa 40 Mill. Thalern; doch ist der Verkehr in neuerer Zeit minder lebhaft als früher. Über die Oder führt eine hölzerne Brücke; jenseit derselben steht das Denkmal des in der Oder bei einem Rettungsversuche am 27. April 1785 ertrunkenen Herzogs Leopold von Braunschweig, eine dreiseitige Spitzsäule mit Brustbild u. Inschrift; zu seinem Gedächtniß ist auch die genannte Leopolds-Freischule gegründet; im Park, dem ehemaligen Kirchhof, das Denkmal des in der Schlacht bei Kunnersdorf verwundeten u. hier 1759 gestorbenen Dichters von Kleist, daneben noch Denkmäler des Professor Daries u. des Generals von Diringshofen. Das Schauspielhaus am Wilhelmsplatz ist 1842 erbaut; viel besuchte Vergnügungsorte sind der Karthausgarten, Zeitner's Gesellschaftshaus, die Berggärtnerei, Grattenauer's Mineralbad, in der Umgegend die Buschmühle, die Tzschetzschnow'sche Schweiz, Stanke's Kaffeegarten etc. Freimaurerloge: Zum aufrichtigen Herzen, mit Freimaurerclubb. F. hat ohne Militär 31,600 Einwohner. – F., wahrscheinlich schon zur wendischen Zeit eine nicht unbedeutende Stadt, wurde 1253 von Gedin von Herzberg um den Theil zwischen dem oberen u. Gubenschen Thore erweitert u. erhielt von den Markgrafen Johann I. u. Otto III. (IV.) von Brandenburg, denen es in Folge der Theilung des Landes Lebus mit dem Erzbischof von Magdeburg zufiel, die Stapelgerechtigkeit. Dadurch u. durch seinen Anschluß an die Hansa wurde F. bald einer der belebtesten Handelsplätze der Oder. 1290 wurde es vom Markgrafen Dietrich von Meißen belagert u. 1318 von dem Markgrafen Waldemar noch mehr befestigt; 1348 wurde die Stadt von Kaiser Karl IV. wegen ihrer Anhänglichkeit an den falschen Waldemar belagert; 1351 erhielt sie vom Kurfürst Ludwig dem Älteren Zollfreiheit durch die Mark u. auf der Oder; 1432 wurde sie von den Hussiten, 1450 von den Polen, 1477 von dem Herzoge von Sagan vergeblich belagert. Den 27. April 1506 stiftete Kurfürst Joachim I. die Universität, die 1516 wegen der Pest auf eine Zeitlang nach Kottbus verlegt u. 1538 nach reformirten Grundsätzen eingerichtet wurde. 1561 hatte F. Streitigkeiten mit Stettin, weil dies von der Stapelgerechtigkeit F-s ausgenommen sein wollte. Im Dreißigjährigen Kriege wurde F. von beiden Parteien mehrmals erobert, zuerst 3. April 1631 von den Schweden, u. kam erst 1644 von den Schweden wieder an Brandenburg. Im Siebenjährigen Kriege u. den Kriegen von 1806–1807 litt F. beträchtlich; 1810 wurde die Universität nach Breslau verlegt. Vgl. K. R. Hausen, Geschichte der Universität u. Stadt F. a. d. O., Frankf. a. d. O. 1806; Sachse, Geschichte der Stadt F. a. d. O.,[488] Frkf. 1830; Topographisch-statistische Übersicht des Regierungsbezirks F. a. d. O., Frkf. 1807.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 488-489.
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