[317] Gewehrfabrik, die Werkstätte, in welcher die Handfeuerwaffen sammt ihrem Zubehör in größerer Menge verfertigt werden; fast für jeden einzelnen Theil des Gewehrs sind bestimmte Arbeiter vorhanden. I. Fabricirung der Handfeuerwaffen.) Das zu den Gewehrläufen nöthige Eisen muß durchaus dicht, weich, zäh u. rein sein; der Rohrschmied (Büchsenschmied) erhält dasselbe meist in länglich viereckigen, eisernen Platten (Laufspalten, Plattinen, Schienen) von den Eisenhämmern. Diese [317] Platten werden unter dem ziemlich großen Plattinenhammer von den Plattinen- od. Plattenmachern (Plattinenschmieden) geschmiedet. Die künftige Bestimmung des Gewehrs, d.h. Länge, Kaliber, Schwere od. Eisenstärke des Laufes, bestimmt auch die Länge, Breite u. Dicke derselben. Eine solche Schiene wird rothglühend gemacht u. unter einem langsam schlagenden Reckhammer auf einem mit runder Aushöhlung (Gesenke) versehenen Amboße über einen eisernen, cylinderförmigen Dorn (Rolldorn, Mandrill) sorgfältig zusammengelegt u. die beiden Seitenkanten (Ränder, Lippen) der Plattine genau zusammengeschweißt (Naht). Hierauf wird der Dorn herausgezogen u. dem Laufe durch den Schweißer von der Mitte aus die erste Schweißhitze gegeben, bis derselbe gar ist, worauf ein Gehülfe sogleich den Dorn zur Unterstützung wieder in den Lauf steckt. Durch das Glühen u. Hämmern, welches von Stelle zu Stelle fortgesetzt wird, reckt sich der Lauf u. wird nach jeder Hitze gegen eine Platte aufgestaucht, wodurch das Eisen im Innern mehr Dichtigkeit erhält u. im Ganzen fester verbunden wird; die Enden des Laufs erleiden ein doppeltes Weißglühen (Schweißen). Über das Damasciren der Läufe bei Jagdgewehren s. Damasciren. Den so erhaltenen rohen Lauf bohrt sodann der Bohrer auf der Bohrbank mittelst mehrerer Bohrer verschiedener Stärke auf das richtige Kaliber u. so, daß die Seele vollkommen gleichmäßig u. glatt wird, aus. Hierauf folgt zur Erlangung größerer Glätte der Seele mittelst einer halbrunden Feile das Auskolben des sich drehenden Laufs u. darnach das Poliren der Seelenwände. Nachdem endlich mittelst kleiner Stahlcylinder die Richtigkeit des Kalibers geprüft worden ist, kommt der Lauf in die Hände des Schleifers, welcher ihm nach einem Modell (Schablone) die vorgeschriebenen äußeren Dimensionen (Eisenstärke) gibt. Der Rohrverschrauber schneidet darauf die Schwanzschraubengewinde ein u. verschließt den Lauf vorläufig mit einer Nothschwanzschraube. Erst wenn der Lauf die nun folgende Schußprobe (das Beschießen) bestanden hat, wird er gestempelt u. von dem Rohrverschrauber mit einer wirklichen Schwanzschraube versehen, von dem Garniseur werden die Haften u. das Korn aufgelöthet u. das Visir angebracht. Wenn der Lauf gezogen werden (Züge erhalten) soll, so erfolgt das Einschneiden derselben vor dem Beschießen (s. oben) auf einer sogenannten Ziehbank, deren Einrichtung sehr verschieden sein kann, doch im Allgemeinen darin besteht, daß einem mit kleinen Feilen (Schneiden) versehenem Ziehkolben eine Vorwärtsbewegung nach dem zu ziehenden Laufe hin ertheilt wird u. zwar gleichzeitig mit einer, dein beabsichtigten Drall entsprechenden Umdrehung um seine Achse. In der Regel werden zwei bis drei Züge zu gleicher Zeit eingeschnitten. Sobald die Züge sämmtlich eingeschnitten sind, wird dem Innern des Laufs durch einen mit Schmirgel u. Öl bestrichenen Bleikolben die völlige Genauigkeit u. Politur ertheilt (er wird geschmirgelt) B) Das Gewehrschloß wird in seinen einzelnen Theilen entweder von den Schloßmachern aus freier Hand geschmiedet, wo die Theile durch Kalthämmern, Glühen u. Befeilen die nöthige Gestalt erhalten, od. im Groben durch Schmieden zugerichtet u. dann so lange in stählernen gutgehärteten Gesenken (Hohlmodellen) geschlagen, bis sie die gehörige Form, Größe u. Stärke bekommen, worauf sie ausgeglüht, zusammengepaßt u. befeilt werden; letzteres Verfahren, die Schloßtheile zu prägen, wird seiner Einfachheit halber bes. bei Militärgewehren angewendet. Zapfen u. Stifte werden auf einer Drehbank abgedreht; Federn werden entweder in Gesenken zugerichtet od. frei aus raffinirtem Stahl geschmiedet, aufgepaßt, gebogen, in Wasser gehärtet u. durch Bestreichen u. Abbrennen mit Talg elastisch gemacht. Um die andern Schloßtheile zu härten, werden dieselben verstählt (eingesetzt, cementirt), d.h. in Gefäßen mit Kohlenstaub, zerstoßenem Horn etc. über stillem Feuer mehrere Stunden geglüht u. dann plötzlich abgekühlt. Den Hahn fertigt der Percussioneur; der Schloßmacher bringt die Schraubenlöcher am Schloßblatt an u. setzt das Schloß zusammen. C) Beim Bayonnet wird die Klinge von dem Bayonnetschmied in einem Gesenke aus Stahl geschmiedet, sodann wird der Hals (aus Eisen) angeschweißt, darauf die Dille bearbeitet; während dieser letzteren Arbeit wird der Hals im rothwarmen Zustande über einen Dorn in seine spätere Gestalt gebogen, hierauf wird die Dille ausgebohrt, endlich wird die Klinge gehärtet u. auf kleinen Sandsteinen ausgeschliffen. D) Der Ladestock wird aus Stahl gefertigt, nur am oberen Ende häufig von Eisen; nach dem (oft in einem Gesenke) bewirkten Schmieden desselben, wird er geschliffen u. dann abgelängt (der Länge nach gemessen); zuletzt wird er gehärtet u. endlich mit einer Schmirgelscheibe polirt. E) Die Herstellung des Schaftes wird von dem Schafter bewirkt; zuerst werden die rohen Conturen an dem Holz (meist Nußbaum) gezeichnet u. abgerichtet, dann wird die Laufnuthe ausgearbeitet, hierauf Kolbenhals u. Backen, der Einschnitt für die Kappe, der Schloßkasten, die Ladestocksnuthe wird ausgeschnitten u. mittelst enes Löffelbohrers gebohrt, endlich werden die Einschnitte für die Ringe angebracht. F) Die Garnitur aus Messing wird in messingenen Formen, Patronen) gegossen. Die kleinen Equipagestücke bearbeitet der Equipeur u. Equipeurschäfter; der Letztere besorgt sodann die Befestigung der Ring- u. Ladestockefedern am Schaft u. bräunt den Schaft; der Equipeur polirt die Schloßtheile u. Schraubenköpfe, bewirkt das Blauanlassen dieser Theile u. macht das Schloß, nach der Einsetzung in den Schaft gangbar. Ist das Gewehr so in allen Theilen fertig, im Einzelnen u. in der Zusammensetzung genau geprüft, so wird es an die dazu bestimmte Prüfungs commission abgegeben. In der neuern Zeit, wo man, namentlich in England u. Belgien, vielfach die Arbeiten mit Maschinen hergestellt hat, ist die oben beschriebene Anfertigung der einzelnen Theile vielfach eine andere geworden. II. Für die Seitengewehre liefern die Klingenschmiede die Klingen u. die eisernen Scheiden, die Gürtler aber die einzelnen Theile des Beschläges u. andere Arbeiter die ledernen Scheiden, zuletzt setzen Schwertfeger die Theile zusammen. G-en sind jetzt in allen. Ländern angelegt: in Spanien in Plasencia, Silillos, Oviedo, Isqualada, Toledo (hier bes. Klingen) u. in Catalonien; in Frankreich (seit dem 15. Jahrh.) in Maubeuge, St. Etienne (schon um 1720), Charleville, Sedan, Abbeville, Klingenthal u. Versailles; in Italien zu Brescia; in Belgien zu Lüttich; in [318] England zu Birmingham, im Tower zu London u. Sheffield, in Rußland zu Tula; in Deutschland (seit dem 15. Jahrh.) an sehr vielen Orten, wie in Wienerisch-Neustadt, Ferlach in Kärnten, Suhla, Danzig, Potsdam u. Spandau (schon um 1722), Neiße, Schmalkalden, Remscheid, Solingen, ferner zu Herzberg in Hannover u.a. O. Vgl.: H. Anschütz, Die G. in Suhl etc., Dresd. 1811; W. Greener, Die Geheimnisse der englischen Gewehrfabrikation, übersetzt von C. H, Schmidt, Weim. 1835 etc.; Gillion, Cours élémentaire sur les armes portatives, Lüttich 1856; Rüstow, Die Handfeuerwaffen, 1857.