[778] Jeanne d'Arc (spr. Schanndark, die Jungfrau von Orleans), wurde 1412 am Tage der Heiligen drei Könige zu Domrémy an der Maas bei Bancouters geboren; sie war von hoher, edler Gestalt u. schwärmerischer Phantasie; in ihrer Jugend hütete sie die Schafe u. Pferde ihres Vaters, eines Landmanns (nach englischen Schriftstellern diente sie in einem Gasthause als Pferdemagd). Das damalige Unglück Frankreichs durch die Engländer (s. Frankreich, Gesch. V.) begeisterte J. für die Befreiung ihres Vaterlandes; zur Einsamkeit geneigt, verweilte sie seit ihrem 13. Jahre oft unter dem Druidenbaum (l'arbre des fées, od. le beau mai), einer Buche, von dem viele Sagen gingen, u. an der Heilquelle ihres Geburtsorts, u. hier erschien ihr mehrmals die Heilige Jungfrau u. Michael u. Gabriel. Die Erscheinungen befahlen ihr, Orleans zu entsetzen u. Karl VII. zur Krönung nach Rheims zu führen. Sie ging im Februar 1429 zum Gouverneur von Vaucouleurs, Robert von Baudricourt, u. offenbarte demselben ihre Erscheinungen; doch dieser entließ sie als irrsinnig u. erst das dritte Mal schickte er sie mit Empfehlungsschreiben nach Chinon zum König. Nachdem sie diesem gesagt hatte, was er in einem einsamen Gebet an die Jungfrau gewünscht habe, u. auf Befehl des Königs mehrfach von Geistlichen geprüft u. durch Frauen untersucht worden war, ob sie wirklich eine reine Jungfrau sei, wurde ihr Danlon, ein strenger Krieger, beigegebenn,[778] sie nach Orleans zum Entsatz entsendet. Sie begehrte ein Schwert, das, wie ihr ein Engel geoffenbart hatte, unter alten Waffen in der Katharinenkirche in Firbois liegen sollte, u. dort fand es sich auch. Der König gab ihr eine vollständige Ritterrüstung (wahrscheinlich dieselbe, die, aus Eisenblech mit goldenen Sternen verziert, sich sonst in Chantilly befand u. von da in den Waffensaal des Museums der Artillerie nach Paris kam u. jetzt in Berlin ist), u. ließ sie, eine Fahne in der Hand tragend, vor dem Heere herziehen. Ihre Gegenwart weckte Begeisterung in demselben, obgleich J. keinen Feind tödtete u. keine Wunden schlug. Wirklich siegten in ihrer Anwesenheit die französischen Heerführer über die Engländer. Zuerst zog J. mit 10,000 Mann am 29. April 1429 von Blois aus in das belagerte Orleans ein u. nöthigte die Engländer, die Belagerung am 8. Mai aufzuheben. Am 18. Juni siegte sie bei Patay, wo Talbot blieb u. Fastolf floh, u. führte den König nach Rheims, wo er den 17. Juli gekrönt wurde. Hier verrichtete sie bei der Krönung das Amt eines Connetable u. hielt das Schwert über den König. Obgleich sie nun in ihre Heimath zurückkehren wollte, da ihre Mission vollendet sei, so ließ sie sich doch vom König bewegen, noch ferner beim Heere zu bleiben; sie wurde vor Paris, das belagert ward, verwundet; in Bourges, wohin sich der König nun zog, wurde sie geadelt u. Dalys (Dulys od. Dylys) genannt (das Wappen zwei goldene Lilien, mit in die Höhe gerichtetem, eine Krone tragendem Schwert). Die Engländer sammelten indessen neue Kräfte. Burgund u. Bretagne erkannten den zu Paris gekrönten König Heinrich VI. an, die Verbündeten machten wieder Fortschritte u. ihre Herzöge belagerten Compiegne. I. warf sich in diesen Platz, wurde aber den 25. Mai 1430 bei einem Ausfall von den Burgundern gefangen. Anfangs saß sie zu Crotoy, dann zu Beaurevoir u. hier sprang sie, als sie hörte, daß sie den Engländern ausgeliefert werden solle, von einem Thurm herab, blieb jedoch, von dem Falle schwer verletzt, liegen u. wurde den Engländern in Rouen ausgeliefert. Der Bischof von Beauvais, Peter Cauchon, ein Freund der Engländer, leitete gegen sie den Proceß wegen Zauberei u. Ketzerei ein. Nur ein Engländer (der Bischof von Winchester) war bei dem Gericht gegenwärtig, alle andern waren Franzosen; sie wurde im Januar 1431 zum Feuertod verurtheilt. Zum Scheiterhaufen geführt, bekannte sie aus Todesfurcht, daß sie ihre Thaten aus der Macht böser Geister gethan habe; sie wurde darauf begnadigt u. zu ewigem Gefängniß verurtheilt, jedoch schon nach sechs Tagen als Rückfällige abermals zum Tode verurtheilt u. am 30. Mai 1431 zu Rouen verbrannt. Karl VII. that nichts, sie zu retten. Als sie die Flamme ergriff, soll eine weiße Taube von ihrem Scheiterhaufen aufgeflogen sein. Manche behaupten, daß sie nicht verbrannt worden, sondern entkommen sei, einen französischen Ritter geheirathet u. mehrere Kinder mit ihm gezeugt habe; diese Meinung ist wahrscheinlich durch die Heirath einer von I-s Schwestern veranlaßt. 1455 wurde die Revision ihres Processes auf Instanz des Papstes Calixtus III., vom Erzbischof von Rheims, den Bischöfen von Paris u. Coutances vorgenommen u. J. 1456 völlig freigesprochen. Ihr wurde auf einem Platze zu Rouen ein Denkmal errichtet; ebenso 1855 zu Orleans. An der Stelle ihres Geburtshauses in Domrémy, über welcher eine alte, unscheinbare Büste von ihr stand, wurde ihr unter Ludwig XVIII. eine Kapelle errichtet u. 1843 ein Denkmal aufgestellt, zu welchem König Ludwig Philipp eine Broncestatue (nach der von seiner Tochter Marie, Prinzessin von Frankreich, gefertigten) schenkte. Vgl. de l'Averdy, Notices et extraits de manuscrits de la bibliothèque du Roi, Par. 1790; Langlet Dufresnoy, Hist. de Jeanne d'Arc, ebd. 1753, Amsterd. 1759, 3 Bde.; Fr. Schlegel, Geschichte der Jungfrau von Orleans, Berl. 1802; Lebrun de Charmettes, Histoire de J. d'A., Par. 1817, 3 Bde. (deutsch von Fouqué, Berl. 1826, 2 Bde.); Berriat de St. Prix, I. d' A., Par. 1817; Jollois, Hist. abrégée de la vie et exploits de I. d'A., ebd. 1821; G. Görres, I. d'A., Regensb. 1834; Raumer, Über I. d'A., im Historischen Taschenbuch von 1845; I. Guicherat, Aperçus nouv. sur l'hist. de J. d'A., Par. 1850; auch wählten viele Dichter ihre Thaten zum Sujet von Gedichten, so Chapelain (Pucelle, 1656, worauf Voltaire La Pucelle als Parodie schrieb), Southey (Joan of Arc) u. Lebrun de Charmettes (Orleanide, Par. 1820), Dumenil u. Wetzel 1818, Ivrigny 1819, u. Alexander Soumeth 1825; als Stoff zu einer Tragödie, Die Jungfrau von Orleans, wählte sie Schiller 1802.