Methodisten

[192] Methodisten, 1) polemische Schriftsteller der Katholischen Kirche im 17. Jahrh., bes. Franzosen, welche den Streit mit den protestantischen Theologen durch eine neue dialektische Methode u. allerlei Kunstgriffe abzukürzen suchten. 2) Eine aus der Englisch-bischöflichen Kirche hervorgegangene Religionsgesellschaft, welche streng an dem kirchlichen Lehrbegriff festhält u. dabei eine sehr thätige Frömmigkeit zeigt, zuerst nur spottweise so genannt wegen ihrer streng geregelten, methodischen Frömmigkeit. Ihr erster Gründer John Wesley. (s.d.) bildete mit seinem Bruder Karl, mit Morgan, Kirkham u.a. 1729 als Student in Oxford einen geistlichen Verein, welcher Gebet, Lesen der heiligen Schrift, häufige Abendmahlsfeier, Verkündigung des Evangeliums dem unwissenden Volke, Besuch u. Bekehrung der Kranken u. Gefangenen bezweckte. Ihr zweiter Begründer aber wurde Georg Whitefield (s.d.), welcher sich 1732 mit Wesley verband. Wesley wirkte seit 1735 als Missionär in Amerika, unter seiner Leitung bildete sich nach seiner Rückkehr in London eine ordentlich organisirte Gesellschaft (daher 1739 als eigentliches Stiftungsjahr gefeiert), welche sich ungeachtet der Verfolgung der Bischöflichen Kirche immer mehr ausbreitete, bes. seit sie 1742 durch einen königlichen Befehl Schutz erhielt. Die schnelle Verbreitung auch in Schottland, Irland u. Nordamerika, am meisten unter dem niedern Volke, bewirkten die Predigten Wesleys u. mehr noch Whitefields, gewöhnlich im Freien, später wegen der Störungen des Pöbels in eigenen Bethäusern (Tabernakeln). Die rohsten u. lasterhaftesten Menschen wurden häufig so ergriffen, daß sie sich plötzlich bekehrten. Diese Bekehrung war oft mit auffallenden Erscheinungen verbunden, Krämpfen, Sprüngen, Fluchen, unwiderstehlicher Lachwuth, die dann von Manchen als ein nothwendiges Kennzeichen der Wiedergeburt betrachtet wurden, so bei den Jumpers (d.i. Springern) in Nordwales u. Cornwallis. Durch die frühere Verbindung mit der Brüdergemeinde, welche Wesley in Deutschland näher kennen lernte, hat die Verfassung der M. manches aus der herrnhuthischen Verfassung aufgenommen. Um sich gegenseitig in der Heiligung zu fördern u. die Sünder zur Buße u. zum Glauben zu erwecken, theilt sich der ganze Verein in Klassen von 10–15 Gliedern von einerlei Geschlecht u. Lebensverhältnissen unter einem gemeinschaftlichen Leiter. An der Spitze des[192] Ganzen steht die jährliche Synode, an der der einzelnen Districte u. Gemeinden die Bischöfe u. Prediger, welche entweder Orts- od. Reiseprediger sind, letztere gewöhnlich Laien, ohne besondere Vorbildung, welche ihr Geschäft dabei fortbetreiben. Den Geistlichen stehen die Ältesten zur Seite, welche die ökonomischen Kirchenangelegenheiten besorgen. Die Kirchenzucht ist sehr streng; beharrliche Sünder trifft Verweis, Bann u. endlich Excommunication. Der Kirchenbesuch ist ganz regelmäßig, auch an den Wochentagen früh u. Abends um 6 Uhr. Das Abendmahl wird häufig gefeiert u. die Liturgie ist im Ganzen die der Bischöflichen Kirche, nur mit mehr Hervorhebung des Gesangs, bes. Wechselgesänge zwischen Männern u. Weibern. Monatlich wird in jeder Gemeinde eine Wachnacht mit Gesang, Gebet u. Predigt vom Abend bis zum Morgen gefeiert, außerdem jährlich mehremal Liebesfeste (Love feast), wie in der ersten christlichen Zeit. Im Dogma weichen sie nicht von der Bischöflichen Kirche ab, nur daß sie ganz besonderes Gewicht auf das Verdienst Christi, den rechtfertigenden Glauben u. die Wiedergeburt legen u. zum Theil schon hier mit Wesley eine gänzliche Befreiung von Sünden u. Heiligkeit behaupten u. fordern. Schon 1741 entstand eine große Spaltung zwischen den Gründern Wesley u. Whitefield über die Calvinische Lehre von der unbedingten Prädestination, die dieser streng behauptete, jener entschieden verwarf, u. sie zerfielen dadurch in die Arminianischen od. Wesley'schen M., welche mehr in England, wo ihr Hauptsitz London ist, verbreitet u. nach u. nach immer milder u. auch weniger schwärmerisch geworden sind, u. in die Calvinistischen od. Whitfieldschen M., welche sich mehr in Nordamerika befinden, wo ihr Hauptsitz Bristol ist. Von den Wesley'schen M. trennte sich, wegen Unzufriedenheit mit der Verfassung, 1791 eine Partei als New connexion (neue Vereinigung), die das herkömmliche Patronatsrecht der Gemeinde nicht anerkannte. Eine andere Partei trennte sich als Church methodists (kirchliche M.), weil sie meinten, daß man nach Wesleys Tode zu sehr von der Staatskirche dessentire; sie löste sich aber bald wieder auf. Bedeutender ist die Partei, welche sich um 1820 unter dem Namen Primitive methodists (ursprüngliche M.) od. Ranters (d.h. Lärmer) trennte, sie unterscheiden sich von den Wesleyanern nicht in Lehre u. Zucht, behaupten aber, diese seien von der ursprünglichen Einfalt u. Frömmigkeit abgefallen, nahmen besondern Anstoß, daß die leitende Behörde den Frauen das Predigen verbot, was ihnen bei Wesley erlaubt gewesen sei, u. verstattete es wieder. Ihre Prediger predigen überall, auf Spaziergängen etc., u. in den Erweckungsversammlungen ist viel Lärm u. Toben. Seit 1835 bildete sich in London eine Gemeinschaft, welche von der obersten Behörde ein größeres Recht der ganzen Gemeinde, bes. bei Excommunication verlangte, u. da dies abgeschlagen wurde, sich als London Wesleyan Methodists Association trennte. Auch noch andere kleine Parteien gingen von den M. aus od. sind nahe mit ihnen verwandt, so die Shakers (s.d.).

In neuester Zeit haben die M. auf dem europäischen Festlande u. in Nordamerika eine große Anzahl von Anhängern u. eine kirchengeschichtliche Wichtigkeit erlangt. In Frankreich besonders seit der Julirevolution 1830 durch ihre Betheiligung an der Evangelischen Gesellschaft (s.d.), durch einen Lehrstuhl bei der Facultät in Montauban u. durch die Verbreitung von Bibeln u. Tractätchen. In der Schweiz war ihr Hauptsitz im Waadtland, der Volkswitz nannte sie Momiers (s.d.), u. sie hatten hier von der radikalen Partei viel zu leiden; in Deutschland war einer der Hauptsitze in Bremen unter dem Prediger Jakobi; in Schweden wirkte seit 1840 der Methodistenprediger Scott, mußte aber wegen seiner Schwärmereien das Land verlassen. Am meisten gewann aber der Methodismus neuerlich in Nordamerika an Ausdehnung, namentlich die deutsche bischöfliche Methodistenkirche in den Vereinigten Staaten. Der Gründer der deutschen Methodistenkirche daselbst war Wilhelm Nast aus Württemberg, welcher 1835 sich unter die Reiseprediger der M. aufnehmen ließ. Die Gemeinden zerfallen in Klassen von 12–30 Personen, jede Klasse hat ihre Directoren, welche die einzelnen Mitglieder besuchen, um ihr Seelenheil zu fördern. Die Generalconferenz bildet die Spitze des Organismus u. vermittelt die Einheit der verschiedenen Gemeinden. Die Priester der M. zerfallen in ansässige od. reisende (Circuit riders). Die Reiseprediger präsidiren zugleich den großen Versammlungen, die entweder in den Städten gehalten werden, Revivals heißen u. große kirchliche Feste sind, od. auf dem Lande unter dem Namen Camp meetings in gelichteten Wäldern veranstaltet werden, wobei man 8 Tage lang unter Gebet u. Gesang beisammen bleibt. Die in Amerika lebhaft verhandelte Sklavenfrage, für die unter ihnen besonders Wilberforce thätig war, hat Veranlassung zu einer Spaltung zwischen den M. gegeben, u. es bestehen gegenwärtig 2 Secten, die eine; die Afrikanisch-methodistisch-bischöfliche, verbietet ihren Mitgliedern Sklaven zu halten; die andere, die Methodistich-protestantische Partei, hat liberalere Grundsätze u. opponirt bes. der Einrichtung, wonach die Generalconferenz aus Reisepredigern zusammengesetzt ist. Vgl. J. Hampson, Leben des J. Wesley, nebst einer Geschichte der M., aus dem Englischen von Niemeyer, Halle 1793, 2 Bde.; Southey, The life of Wesley and the rise and progress of Methodism, Lond. 1820, 2 Bde., 2. (amerikanische) Aufl., New York 1847 (deutsch von Krummacher, Hamb. 1827, 2 Bde.); Burkhard, Geschichte der M., Nürnb. 1795, 2 Thle.; Bangs, A history of the Methodist Episcopal Church, New York 1838 ff., 4 Bde.; Crowther, Portraiture of M., 1815; Baum, Der Methodismus, 1838; Jackson, Geschichte der M., 1841; Decanver, Catalogue of works in refutation of Methodism, Philad. 1846; Wimmer, Die Kirche u. Schule in Nordamerika, Lpz. 1853.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 192-193.
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