[801] Salpeter. 1) Kalisalpeter (Nitrum), ist salpetersaures Kali = KONO5; findet sich natürlich auf lockerem Erdboden, auf Mauern, in Höhlen, auf Klüften lockerer Gesteine als Auswitterung. Die Bildung von salpetersauren Salzen in der Natur erfolgt überall, wo Ammoniak in Berührung mit alkalischen Erden tritt, daher namentlich da, wo stickstoffhaltige organische Substanzen bei Gegenwart von alkalischen Basen in Fäulniß u. Verwesung übergehen; die Salpetersäure entsteht dabei[801] durch Oxydation des Ammoniaks, u. da dieses einen wesentlichen Bestandtheil der atmosphärischen Luft ausmacht, so ist die Möglichkeit gegeben, daß sich unter sonst günstigen Bedingungen auch aus dem Ammoniak der Luft Salpetersäure erzeugen kann. Zur Entstehung des S-s sind außer den genannten Bedingungen noch Feuchtigkeit, eine nicht zu niedere Temperatur u. endlich eine poröse Beschaffenheit des Materials erforderlich, in welchem die Salpeterbildung erfolgen soll. Alle diese Bedingungen treffen häufig auf der Erdoberfläche zusammen, namentlich auf mit thierischem Dünger gedüngter Ackererde, welche in der That zuweilen außerordentlich reich an salpetersauren Salzen ist, u. aus welcher dieselben in die Brunnenwässer übergehen. Der größte Theil des in den europäischen Handel gelangenden S-s wird in Bengalen auf der Ostseite des Ganges gewonnen, wo er aus der Erde auswittert; man sammelt nach der Regenzeit die oberste Erdschicht, namentlich an Orten, wo die Hütten der Einwohner gestanden oder sich Vieh aufgehalten hat, langt sie aus u. verdampft die Lauge zur Krystallisation; man erhält kleine gefärbte Krystalle (S. vom ersten Sude), welche durch Umkrystallisiren gereinigt werden (S. vom zweiten Sude). Auf ähnliche Weise wird in Ägypten, Persien u. Spanien der S. gewonnen. In Ungarn, bes. in der Umgegend von Debreczin, erzeugt sich der S. auf den sogenannten Kehrplätzen u. wittert daselbst, zugleich mit andern Salzen, namentlich kohlensaurem Natron, an der Erdoberfläche aus. Mit Hülfe eines messerartigen Eisens, welches von einem Pferde gezogen wird, wird die oberste Erdschicht aufgekratzt u. zusammengekehrt (Kehrsalpeter). Dieser Kehrsalpeter wird ausgelaugt, die Lauge mit Aschenlauge versetzt, um die salpetersauren Erden zu zersetzen, u. dann zum Zweck der Reinigung weiter verarbeitet. Auch die Erde aus den ungedielten Wohnungen der ärmeren Klassen, die sogenannte Gayerde, wird in Ungarn ausgelaugt u. auf S. verarbeitet (Gaysalpeter). Künstlich erzeugt man den S. in den sogenannten Salpeterplantagen. Aus einem Gemisch von lockerer Ackererde mit ausgelaugter Asche, Kalkschutt u. anderen kalkigen Substanzen, mit Stroh, Dünger, thierischen Abfällen, vermoderten kalireichen Pflanzen, wie Erdrauch, Wermuth, Disteln etc., bildet man auf einem, aus festgestampftem Thon hergerichteten Boden Haufen od. Wände im Freien unter einem leichten Dach u. befeuchtet dieselben von Zeit zu Zeit mit Harn, Jauche u. anderen Flüssigkeiten, welche thierische Stoffe aufgelöst enthalten. Alle Monate od. 2 Monate schaufelt man die Haufen um u. erhält dadurch nach etwa 2 Jahren eine siedewürdige Masse. Die Wände läßt man stehen u. kratzt von Zeit zu Zeit die äußerste Schicht ab. Die Wände werden gewöhnlich auf der dem herrschenden Wind zugekehrten Seite senkrecht, auf der andern terrassenartig gebaut; wegen der stärkeren Verdunstung auf der dem Winde zugekehrten Seite sammelt sich der S. hauptsächlich auf dieser u. wird dann abgekratzt; der Rückstand vom Auslaugen kommt auf die terrassirte Seite, so daß die Wände ihre Form beibehalten, aber fortrücken. Beim Auslaugen der Salpetererde verfährt man so, daß man dieselbe wiederholt mit kleinen Mengen Wasser behandelt u. die gewonnenen Laugen so oft auf neue Erde schüttet, bis sie siedewürdig geworden sind, d.h. etwa 14 Proc. S. enthalten. Die ausgelaugte Erde wird wieder auf die Wände geschüttet; die Salpeterbildung soll in ihr nachher wieder erfolgen, wenn sie nicht völlig erschöpft wurde. Die erhaltene Rohlauge ist eine Auflösung aller in der Salpetererde befindlicher löslicher Salze, sie enthält außer S. noch salpetersaures Natron, salpetersauren Kalk, salpetersaure Magnesia, Chlorkalium, Chlornatrium, Chlormagnesium, schwefelsauren Kalk, Ammoniaksalze u. humusartige Substanzen, von welchen die braune Farbe der Lauge herrührt. Es handelt sich nun darum, den salpetersauren Kalk u. die salpetersaure Magnesia in S. umzuwandeln (das Brechen der Lauge). Dies erfolgt auf verschiedene Weise. Man setzt der Lauge Pottasche od. Holzasche zu, deren kohlensaures Kali die salpetersauren Salze des Kalks u. der Magnesia zersetzt, indem sich salpetersaures Kali bildet, während kohlensaurer Kalk u. kohlensaure Magnesia niedergeschlagen werden. Dieses Verfahren wurde bes. früher verfolgt. Wo schwefelsaures Kali billig zu haben ist, kann das Brechen der Lauge auch mit einer concentrirten Lösung dieses Salzes unter Zusatz von Kalkmilch erfolgen; letztere dient zur Zersetzung der löslichen schwefelsauren Magnesia. Hat sich der Niederschlag aus der Lauge abgesetzt, so wird sie klar abgehoben u. in die Vorwärmepfanne gebracht, aus welcher sie in den Siedekessel abläuft; sie erhält hauptsächlich noch S., salpetersaures Natron, Chlorkalium, Chlornatrium, färbende Substanzen u. in geringer Menge schwefelsauren Kalk, kohlensauren Kalk u. kohlensaure Magnesia. Beim Sieden der Lauge sammelt sich an der Oberfläche ein schmutziger Schaum, welchen man von Zeit zu Zeit abnimmt, u. der noch gelöst gebliebene kohlensaure Kalk, schwefelsaure Kalk u. kohlensaure Magnesia scheiden sich ab. Damit sich dieser Niederschlag nicht auf dem Boden des Kessels absetze, läßt man ein flaches, schalenförmiges Gefäß od. einen kleinen Kessel bis nahe auf den Boden des Siedekessels herab, in diesen sammelt sich der erdige Niederschlag u. wird von Zeit zu Zeit entfernt. Ist die Abscheidung dieser Salze beendigt, so beginnen dann bald Kochsalz u. Chlorkalium auszukrystallisiren u. werden mit Schaufeln od. Schaumlöffeln herausgezogen. Ist die Lauge so weit eingedampft, daß ein auf ein kaltes Blech gebrachter Tropfen sogleich erstarrt, so läßt man sie ruhig stehen, damit sie sich klärt, u. bringt sie dann in große Krystallisationsgefäße, in denen der mit Kochsalz u. Chlorkalium verunreinigte Rohsalpeter auskrystallisirt; die Mutterlauge wird zur Rohlauge gesetzt. Aus dem mit Salpeterlauge durchdrungenen Kochsalz u. Chlorkalium wird diese dadurch gewonnen, daß man einen kleinen Weidenkorb voll dieser Salze in siedendes Wasser hängt, nach einiger Zeit herausnimmt u. eine neue Portion Salze auf dieselbe Art in das Wasser bringt; aus der ersten Portion wird aller S. u. so viel von den Chloriden aufgelöst, als das Wasser aufzulösen vermag, aus den nächstfolgenden Portionen kann kein Kochsalz u. Chlorkalium mehr aufgenommen werden, der S. allein geht in die Lösung über. Die so gewonnene Lösung wird der Salpeterlauge beim Versieden zugesetzt. Wo schwefelsaures Natron u. Chlorkalium billig zu beschaffen sind, schlägt man ein anderes Verfahren zum Brechen der Rohlauge ein; dasselbe gründet sich darauf, daß einestheils salpetersaurer Kalk u. salpetersaure Magnesia durch schwefelsaures Natron zersetzt werden, indem sich schwefelsaurer Kalk, schwefelsaure Magnesia u. salpetersaures Natron[802] bilden u. daß anderntheils beim Sieben einer Lösung von salpetersaurem Natron mit Chlorkalium diese beiden Salze sich unter Bildung von Kochsalz u. salpetersaurem Kali zersetzen. Man versetzt die Rohlauge mit der erforderlichen Menge schwefelsauren Natron u. gleichzeitig mit Kalkmilch zur Zersetzung der Magnesiasalze u. bringt sie in den Siedekessel; ist wie bei dem vorigen Verfahren der Schaum abgenommen u. die Abscheidung des Niederschlags vollständig erfolgt, so wird bei einem gewissen Concentrationspunkt allmälig Chlorkalium zugesetzt, das sich darauf abscheidende Kochsalz herausgeharkt u. endlich die Flüssigkeit mehre Stunden lang der Ruhe überlassen; hat sie sich geklärt, so wird sie in die Krystallisationsgefäße geschöpft. Der so erhaltene Rohsalpeter, welcher noch 15 bis 30 Proc. fremde Bestandtheile, namentlich Kochsalz, enthält, wird nun raffinirt. Zu diesem Zweck löst man 2400 Pfund rohen S. in der Hälfte des Gewichts kochenden Wasser u. setzt hierauf unter Umrühren noch 3600 Pfund S. hinzu; dadurch wird der sämmtliche S. aufgelöst, nicht aber alles in demselben enthaltene Kochsalz; dieses wird aus dem Kessel gekrückt, die Flüssigkeit mit Wasser verdünnt u., wenn sie wieder zum Sieden erhitzt ist, 2 Pfund Leim zugesetzt, welcher mit den färbenden Substanzen eine unlösliche Verbindung bildet, welche als Schaum auf der Oberfläche erscheint u. sorgfältig abgenommen wird. Man läßt die Lösung sich klären u. bringt sie in die Krystallisationsgefäße, in denen der S. mit noch wenig Kochsalz verunreinigt in großen Krystallen anschießt. Durch Umkrystallisiren kann er noch weiter gereinigt werden, doch ist es äußerst schwierig, ihn auf diese Weise ganz frei von Kochsalz zu erhalten, da sich im Innern der Krystalle Höhlungen bilden, in denen Mutterlauge eingeschlossen ist. Daher ist zum Zweck der Darstellung von reinem S. eine besondere Reinigung erforderlich. Man bringt die im Siedekessel abgeklärte noch heiße Lauge in flache Krystallisationsbecken, deren Boden aus 2 geneigten Flächen besteht, u. rührt die Flüssigkeit unausgesetzt um, sobald die Krystallisation beginnt. Dadurch krystallisirt der S. in kleinen weißen Nadeln, als sogenanntes Salpetermehl, welches in dem Maße als es sich bildet, auf die höheren Seiten des Bodens gezogen u. dann in die Waschkästen gebracht wird. Die Waschkästen haben einen durchlöcherten Boden mit verschließbaren Abflußöffnungen. Wenn die Mutterlauge von dem Salpetermehl vollständig abgetropft ist, verschließt man die Abflußöffnungen u. übergießt den S. mit Wasser; nach einigen Stunden läßt man die Lösung vollständig abtropfen u. verfährt auf gleiche Weise mit einem zweiten u. dritten Waschwasser. Die abfließenden Laugen werden wieder verwendet, die von dem ersten Waschen werden in die Krystallisationsbecken zurückgegossen, die reineren vom zweiten u. dritten Waschen aber dienen statt des Wassers zum Waschen der nächsten Portionen Salpetermehls; sie stellen eine gesättigte Salpeterlösung dar, lösen also keinen S. mehr auf, wohl aber Kochsalz. Seitdem der Natronsalpeter zu einem bedeutend billigeren Preis als der Kalisalpeter in den Handel kommt, hat man angefangen, diesen auf Kalisalpeter zu verarbeiten, indem man ihn entweder mit Chlorkalium, welches aus der Varecsoda in großer Menge gewonnen wird, od. mit kohlensaurem Kali zersetzt. Im ersteren Falle erhält man neben salpetersaurem Kali Kochsalz, welches, wie oben beschrieben, von dem S. entfernt wird; im letzteren Falle gewinnt man kohlensaures Natron als werthvolles Nebenproduct. Der S. krystallisirt in farblosen längsgestreiften Säulen, ohne Krystallwasser; er ist im Wasser leicht löslich, 1 Theil Wasser löst bei 18° 29 Theile, bei 97° 236 Theile S.; er schmeckt salzig kühlend, etwas bitter, beim Auflösen im Wasser bewirkt er Kälte. An der Luft verändert er sich nicht, schmilzt unter der Glühhitze zu einer farblosen Flüssigkeit, welche beim Erkalten strahlig krystallinisch erstarrt; stärker erhitzt entwickelt er unter Aufschäumen Sauerstoffgas, dann auch Stickstoff, u. es bleibt salpetrigsaures Kali od. reines Kali zurück; das Prunellensalz (Sal prunellae, Nitrum tabulatum) der Officinen ist geschmolzener S. In der Hitze wirkt der S. stark oxydirend, auf glühende Kohlen geworfen verpufft er heftig, mit Metallen geglüht oxydirt er dieselben. Der S. dient zur Darstellung der Salpetersäure, zu Kältemischungen, zu kalten Umschlägen, zur Conservirung des Fleisches, zur Glasfabrikation, bei der Fabrikation des Schießpulvers u. schießpulverähnlicher Mischungen. Den Alten war der S. nicht bekannt, was sie Nitrum nannten, war kohlensaures Natron. In den Schriften des Arabers Geber (8. Jahrh.) findet sich der S. als Sal petrae erwähnt; später wurde er Sal nitri, zum Unterschied vom Nitrum der Alten, genannt, 2) Natronsalpeter (Kubischer Salpeter, Chilisalpeter), s. Chilisalpeter; 3) so v.w. Salpetersaures Salz überhaupt, so: Kalksalpeter, so v.w. Salpetersaurer Kalk, Magnesiasalpeter (Talksalpeter), so v.w. Salpetersaure Magnesia etc. 4) flüchtiger, ist salpetersaures Ammoniak.
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