[87] Summarischer Proceß (außerordentlicher Proceß), ein von dem regelmäßigen Verfahren in Civilstreitigkeiten od. Untersuchungssachen abweichender Proceß, dessen Zweck auf Beschleunigung der Sache durch Abkürzung u. Vereinfachung des Verfahrens gerichtet ist. A) Der Summarische Civilproceß findet jetzt bes. bei Bagatellsachen, bei präparatorischen, Präjudicial- u. Incidentpunkten, bei Grenz- u. Baustreitigkeiten, bei Alimenten-, Gesinde-, Pacht- u. Miethssachen, bei Besitz- u. Ehestreitigkeiten, bei Provocationen auf Klagerhebung, bei Rechnungssachen, so wie in den Fällen des Mandats-, Arrests- u. Executivprocesses statt, wird aber gemeinrechtlich, außer wo die Beschleunigung durch Rücksichten auf das gemeine Wohl od. auf öffentliche Ruhe u. Sicherheit geboten ist, nicht von Amtswegen, sondern nur auf Antrag des Klägers (Implorant, Impetrant), unter Umständen auch des Beklagten (Imploraten, Impetraten) eingeleitet. Die Eigenthümlichkeit des S-n Civilprocesses besteht im Allgemeinen darin, daß bloße Formen, bei manchen S-n Proceßarten selbst materielle Bestandtheile des ordentlichen Processes gänzlich weggelassen od. nothwendige civilprocessualische Handlungen näher, als dies im Ordinarproceß der Fall ist, zusammengerückt werden. Absolut wesentliche Erfordernisse des civilprocessualischen Verfahrens (wie Verhandlungs- u. Eventualmaxime, wechselseitiges Gehör der Parteien, Grundsatz des schriftlichen Verfahrens etc., s. Civilproceß) können aber auch im S-n P. nie ganz wegfallen, wie denn überhaupt das S-e Verfahren, so weit dies ohne Vernachlässigung der Eigenthümlichkeiten einzelner S-r Proceßarten geschehen kann, sich in allen Punkten dem ordentlichen möglichst anschließen soll. Der S-e Civilproceß theilt sich in den bestimmten od. unbestimmten S-n P., je nachdem bei demselben die Ordnung der wesentlichen Bestandtheile des Ordinarverfahrens abgeändert erscheint od. nicht. a) Zum bestimmten (Determinatum) od. irregulär-summarischen P. gehört: aa) der bedingte u. unbedingte Mandatsproceß, bei welchem gewissermaßen das Urtheil der Verteidigung des Beklagten vorausgeht; s. Mandatsproceß. Ein Analogen des Mandatsprocesses ist der bes. in den Ländern Sächsischen Rechts vorkommende Inhibitivproceß, im Allgemeinen in denjenigen Fällen anwendbar, wo das Vermögen od. der Besitz Jemandes einen eigenmächtigen Angriff durch einen Andern erlitten hat od. zu erleiden in Gefahr ist. Derartige Eingriffe werden auf Antrag des Verletzten dem Andern durch Inhibitionen (Mandate) des Gerichts untersagt (daher Inhibitionsproceß). bb) Der Arrestproceß, bei welchem ein Act der Execution der Vertheidigung des Beklagten m. sogar dem Urtheile vorausgeht, s. Arrestproceß; endlich cc) der Executivproceß, bei welchem der Beweis der Klage durch Urkunden vor der Vertheidigung des Beklagten angetreten werden muß, s. Executivproceß. b) Bei dem in Zweck u. Grundlage mit dem Ordinarproceß übereinstimmenden u. daher auch in dieselben Hauptabschnitte zerfallenden, (vgl. Proceß u. Civilproceß), im Falle des Einverständnisses beider Theile bei Rechtsstreitigkeiten jeder Art zulässigen, unbestimmten (Indeterminatum) od. regulär-summarischen P. ist bes. mündliche, protokollarische Verhandlung üblich u. der Richter verpflichtet nicht nur unnöthige Fristen einzuziehen, nothwendige aber thunlichst zu beschränken, sondern auch, soweit dies mit der Verhandlungsmaxime vereinbar ist, behufs gehöriger Entwickelung u. etwaiger Aufklärung der streitigen Punkte geeignete Fragen an die Parteien zu richten. Manche Particulargesetzgebungen sind in dieser Beziehung noch weiter gegangen u. verordnen, daß der Richter die Streitpunkte durch eigene Thätigkeit möglichst aufzuklären u. festzustellen habe, ohne dabei blos an den Vortrag der Parteien gebunden zu sein (Instructionsmaxime). Das erste Verfahren, in welchem auf die in der Regel mündlich zu Protokoll gegebene Klage Einlassung u. Antwort, [87] Replik, Duplik etc., ganz wie im Ordinarprocesse, folgen, wird oft in einem einzigen Termine abgesetzt. Das Beweisverfahren (Beweis heißt im S. P. Bescheinigung), meist mit dem ersten Verfahren verbunden, steht ebenfalls unter den allgemeinen, im Ordinarprocesse geltenden Regeln. Namentlich ist auch hier eine etwaige Beweisfrist peremtorisch u. dem Gegner des Beweisführers vollständige Verteidigung gegen die übrigens hier nicht weiter, als im Ordinarprocesse, beschränkte Zulässigkeit u. Beweiskraft der Beweismittel gestattet. Nach abgesetztem Beweisverfahren wird in der Regel sofort zu Protokoll Bescheid ertheilt, da ein Haupt- u. Schlußverfahren, wenn gleich zulässig, sich selten nothwendig macht. Gegen den Bescheid können gemeinrechtlich alle gewöhnlichen Rechtsmittel gebraucht werden; die Gesetze der einzelnen Länder haben aber oft in dieser Hinsicht Beschränkungen eingeführt, namentlich die Zahl der Instanzen statt drei auf nur zwei herabgesetzt, das Rechtsmittel der Nullität ausgeschlossen etc. Übrigens wird das Verfahren in einzelnen, nach den Regeln des unbestimmten S-n P-es zu behandelnden Fällen mit besondern Namen bezeichnet, wie Provocationsproceß, Possessorischer Proceß, Rechnungsproceß (s.d. a.) etc., u. hat nicht selten durch Observanz u. Gesetzgebung wieder besondere Eigenthümlichkeiten erhalten. B) Ein Summarischer Criminalproceß fand im Römischen Rechte zwar bei geringeren Vergehen in der Form der Cognitio extraordinaria, wobei die römischen Magistrate selbst entschieden, im Gegensatz zu den Judicia publica statt; in der deutschen gemeinrechtlichen Praxis bildeten sich aber bestimmtere Grundsätze über ein solches summarisches Verfahren nicht aus. Nur particularrechtlich führten bald Gesetz, bald der Gerichtsgebrauch für geringere Vergehen eine solche abgekürzte Proceßart ein, indem z.B. die Erkenntnisse über solche Fälle den inquirirenden Gerichten selbst überlassen, auch die Vorschriften über Benutzung der Beweismittel, die Nothwendigkeit einer Verteidigung etc. vereinfacht wurden. In dem neueren Anklageverfahren kann ein S. P. insofern von dem gewöhnlichen Verfahren unterschieden werden, als bei bloßen sogen. Vergehen u. Übertretungen, im Gegensatz der eigentlichen Verbrechen, die Schlußverhandlung nicht vor einem Assisenhofe, sondern bei den Vergehen nur vor einem Collegium von drei rechtsgelehrten Richtern, bei den Übertretungen nur vor einem Einzelrichter statt findet. Diese Richtercollegien resp. Einzelrichter entscheiden dann über die That- u. Rechtsfrage zugleich; die Vorladung des Angeschuldigten geschieht unter Anwendung einfacherer Formen, die Inhaftirung des Inculpaten ist seltener u. kann leichter durch Stellung einer Caution beseitigt werden, die Verhandlung kann auch in Abwesenheit des Angeschuldigten statt finden, indem angenommen wird, daß derselbe auf seine Vertheidigung verzichte. Manche Gesetzgebungen gehen sogar soweit, daß sie, obschon sie im Übrigen das Anklageprincip als Regel festhalten, doch bei den Übertretungen dann ausnahmsweise die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft ganz wegfallen lassen, wie z.B. im Königreich Sachsen u. Herzogthum Sachsen-Altenburg. Auch bestimmte S-e P-e lassen sich, nach Analogie des bestimmten Summarischen Civilprocesses, im neueren Strafprocesse unterscheiden, in dem man hierher das sogenannte Mandatsverfahren u. das Verfahren bei Ehrenkränkungen rechnen kann, welche beide meist ganz abweichend von dem sonstigen Gange eines Criminalprocesses geordnet sind. Nach dem ersteren kann in solchen Fällen, in denen die Anschuldigung eines Vergehens auf der Anzeige einer verpflichteten Person beruht, der Richter sofort durch eine Strafverfolgung (Mandat) die verwirkte Strafe festsetzen u. dieselbe dem Angeschuldigten mit der Eröffnung zufertigen, daß derselbe, wenn er sich durch die Verfügung verletzt fühlen sollte, innerhalb einer bestimmten Frist wider die Verfügung Einspruch thun könne, wenn er aber dies unterlasse, die Verfügung Rechtskraft erlange u. vollstreckbar werde. Erfolgt ein Einspruch innerhalb der gesetzten Frist, so geht das Verfahren in die ordentliche Verhandlung über. Das Verfahren bei Ehrenkränkungen ist insofern in der Regel ein eigenthümliches, als es sich in vieler Beziehung dem civilprocessualischen nähert.
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