[372] Alpenstraßen und Alpenbahnen. Verbindungswege zwischen den nördlich und südlich von den Alen gelegenen Ländern waren bereits im Altertum bekannt, doch galt der Übergang immer für ein gefahrvolles Werk. Im 3. Jahrh. v. Chr. führte Hannibal seinen berühmten Übergang über die Alpen aus; das kühne Unternehmen ward wie ein Wunder angestaunt. Später legten die Römer verschiedene Straßen über das Gebirge sowohl nach Gallien als nach Deutschland an. Unter den erstern wurde die über den Mont Genèvre als die kürzeste am meisten benutzt; andre führten über die Penninischen, Grajischen und die Seealpen. Unter denen nach Germanien waren die vom Lacus Larius (Comersee) über den Splügen und die von Tergeste (Triest) über die Karnischen Alpen die bedeutendsten. Nach dem Verfall der alten Römerstraßen bestanden die Alpenwege bis ins 17. Jahrh. fast ohne Ausnahme aus Saumpfaden, die oft für Menschen und Tiere gefahrbringend waren und erst seit dem 18. Jahrh. allmählich in Fahrstraßen umgewandelt wurden. Es gab nur zwei zur Not fahrbare Wege über die Hochalpen. Der eine, seit 1772 fahrbar, führte über den Brenner. der andre, erst 177982 von Viktor Amadeus III. angelegt, über den Col di Tenda. Die ganze Zentralkette auf 480 km Länge aber war noch ohne Fahrweg; die Wagen mußten auseinander genommen und so über das Gebirge geschafft werden. Napoleon I. baute und erweiterte sieben Heer- und Fahrstraßen über die Alpen, insbes. über den Simplon, Mont Cenis und Mont Genèvre; auch wandelte er die schon erwähnte Straße über den Col di Tenda fast gänzlich um und machte den über den Kleinen St. Bernhard führenden beschwerlichen Weg wenigstens für kleine Wagen fahrbar.
Seit her bauten auch die Schweiz und Österreich zahlreiche fahrbare Straßen über die Alpenpässe. So kamen in rascher Folge (181824) Splügen und Bernhardin, (182030) St. Gotthard, Stilfser Joch und Julier, dann (183539) Maloja zur Ausführung. Die für den Verkehr über die Alpen wichtigsten Pässe sind gegenwärtig folgende, und zwar in den Westalpen: Col di Tenda (1873 m) mit der Kunststraße von Nizza nach Cuneo; Mont Genèvre (1860 m) mit der Straße von Briançon nach Susa; Col du Lautaret (2075 m) mit der Straße von Briançon nach Grenoble; Mont Cenis (2084 m) mit der Kunststraße von Modane nach Susa; Kleiner St. Bernhard (2157 m) mit Fahrweg von Bourg St. Maurice nach Aosta; Großer St. Bernhard (2472 m) mit Saumweg von Martigny nach Aosta; Simplon (2009 m) mit Kunststraße von Brig nach Domodossola; Grimsel (2165 m) mit 1895 vollendeter Kunststraße von Meiringen nach Obergestelen; Furka (2436 m) mit Kunststraße von Gletsch nach Andermatt; St. Gotthard (2114 m) mit Kunststraße von Göschenen nach Airolo; Lukmanier (1917 m) mit Kunststraße von Disentis nach Biasca; in den Ostalpen: St. Bernhardin (2063 m) mit Kunststraße von Hinterrhein nach Misocco; Splügen (2117 m) mit Straße von Splügen nach Chiavenna; Maloja (1817 m) mit Kunststraße von Samaden nach Chiavenna; Julier (2287 m) mit Kunststraße von Tiefenkasten nach Silvaplana; Albula (2313 m) mit Kunststraße von Tiefenkasten nach Ponte; Bernina (2330 m) mit Kunststraße von Samaden nach Tirano; Stilfser Joch (2760 m) mit Kunststraße von Spondinig nach Bormio; Reschenscheideck (1510 m) mit Kunststraße von Nauders nach Mals; Arlberg (1802 m) mit Kunststraße von Landeck nach Bludenz; Fernpaß (1250 m) mit Kunststraße von Imst nach Reutte; Seefeld (1176 m) mit Kunststraße von Zirl nach Mittenwald; Brenner (1370 m) mit Kunststraße von Matrei nach Sterzing; Radstädler Tauern (1738 m) mit Kunststraße von Radstadt nach St. Michael und Katschberg (164 im), von da nach Gmünd; Rottenmanner Tauern (1265 m) mit Kunststraße von Rottenmann nach Jodenburg; Prebicht (1227 m) mit Kunststraße von Eisenerz nach Vordern berg; Pyhrn (945 m) mit Kunststraße von Windischgarsten nach Liezen; Predil (1162 m) mit Kunststraße von Tarvis nach Flitsch; Loibl (1370 m) mit Kunststraße von Klagenfurt nach Neumarktl; Semmering (980 m) mit Kunststraße von Gloggnitz nach Mürzzuschlag.
Die neueste Zeit hat sich mit diesen Alpenstraßen nicht begnügt. Sie hat den kühnen Gedanken einer Überschienung des Gebirges ausgeführt, und die Eisenbahnen, die über einige der wichtigsten Übergänge geführt worden sind, haben für Verkehr und Handel vorwiegende Bedeutung erlangt. Der Ruhm des Vorgangs gebührt Österreich, das 185053 über den Semmering von Gloggnitz bis Mürzzuschlag eine Eisenbahn erbaute. Hierauf folgte der Bau der 1867 vollendeten Brennerbahn, und 1872 die von St. Valentin über Villach nach Tarvis führende Bahn, an die sich später die Linie von Tarvis über Pontafel nach Udine schloß, als ein dritter Übergang über die Österreichischen Alpen.
Fast gleichzeitig mit der Brennerbahn wurde im westlichen Alpengebiet ein nicht min der großartiges Werk, der Bau einer Bahn über den Mont Cenis, begonnen und 1871 vollendet. 1882 wurde die Gotthardbahn und 1884 die Arlbergbahn eröffnet. Diesen großen Alpen bahnen ist noch die Brünigbahn in der Schweiz (von Brienz nach Luzern) und schließlich ein Schienenweg beizuzählen, der freilich die Alpen mehr umgeht, als überschreitet: die sogen. Cornichebahn, die von Nizza am Meeresufer entlang durch eine Reihe von Tunnels nach Genua führt. Weitere Alpen bahnen sind im Bau, und zwar. in den Westalpen von Cuneo über den Col di Tenda nach Ventimiglia, von Nizza über Puget-Theniers nach Digne, über den Simplon und über den Albulapaß. in den Ostalpen über die Julischen Alpen von St. Lucia in die Wochein, über die Karawanken aus dem Savein das Drantal, über die Hohen Tauern von Möllbrück nach Gastein und über den Pyhrnpaß von Selzthal nach Windischgarsten. Von Längsbahnlinien in den [372] Alpen, die durch Längentäler führen und daher im allgemeinen geringere Schwierigkeiten zu überwinden haben, sind insbes. zu nennen: in den Westalpen die Eisenbahn von Avignon nach Briançon und von letzterer abzweigend die Linien über Grenoble nach Albertville und Moutiers, die italienische Linie im Doratal bis Aosta, die Schweizer Eisenbahn im obern Rhônetal bis Brig zum Anschluß an die Simplonbahn; in den Ostalpen die Eisenbahnlinien Wörgl-Bischofshofen-Selzthal und Franzensfeste-Marburg. Seit 1870 ist auch eine Reihe von Bergbahnen auf einzelne Gipfel der Alpen erbaut worden (s. Bergbahnen). Ausführlicheres über die genannten Bahnen enthalten die betreffenden Artikel. S. Karte »Alpen«. Vgl. v. Duhn, Die Benutzung der Alpenpässe im Altertum (in den »Neuen Heidelberger Jahrbüchern«, Bd. 2, S. 55 ff.); Partsch, Artikel »Alpes« in Pauly-Wissowas »Realenzyklopädie der klassischen Altertumswissenschaft«; Öhlmann, Die Alpenpässe im Mittelalter (im »Jahrbuch für schweizerische Geschichte«, Bd. 3 und 4); Memminger, Die Alpenbahnen und deren Bedeutung (2. Aufl., Zür. 1878); B. Schwarz, Die Erschließung der Gebirge (Leipz. 1885).