[730] Handelskompanien, im engern Sinne diejenigen Handelsgesellschaften (s. d.), die, mit Privilegien, Monopolen und oft selbst mit Territorialhoheitsrechten ausgestattet, seit Ende des 16. Jahrh. für den Handel mit entfernten Ländern errichtet wurden. Ursprünglich waren sie Schöpfungen der Selbsthilfe. Da die Kauffahrtei des nötigen nationalen Schutzes, zumal in fremden Ländern, entbehrte, so vereinigten sich Kaufleute zu sogen. regulierten Kompanien (regulierten Gesellschaften). Die Mitglieder derselben betrieben zwar auf eigne Rechnung Handel, doch mußten sie sich den Polizeivorschriften der Gesellschaft, welche die Sicherheit des Handels und gemeinschaftliche [730] Ordnung bezweckten, unterwerfen und für die Erhaltung der gemeinsamen Einrichtungen Beiträge entrichten. Dafür nahmen sie an den Vorteilen der an fremden Plätzen erlangten gemeinsamen Handelsprivilegien, des Rechtsschutzes etc. teil. Diese H. verfolgten auch politische Zwecke. Der politische Grundzug beherrschte während des 13.16. Jahrh. die Hansa (s. d.), die süddeutschen, die italienischen Handelsgesellschaften und wohnte anfänglich auch noch den englischen Kompanien inne. Verschieden von diesen aus dem Mittelalter herüberreichenden waren die neuen H. des 17. und 18. Jahrh., die, auf dem Aktienprinzip beruhend, als Vereinigungen von Kaufleuten mit großem Kapital den Betrieb und die Leitung überseeischer, insbes. kolonialer Handelsunternehmungen auf monopolistischer Grundlage führten. Diese Unternehmungen waren mit einem großen Risiko verknüpft; sie bedurften zu ihrer Durchführung und Sicherung der Waffengewalt und waren deshalb für den einzelnen Kaufmann weniger geeignet. Die Regierungen statteten die Kompanien gern mit Handelsmonopolen und Privilegien aus, einmal, weil sie sich hierfür bezahlen lassen konnten (wobei den Regierungsorganen Gelegenheit geboten war, sich bestechen zu lassen), dann, weil auf diesem Wege Kolonien erworben und ausgebeutet werden konnten. Allerdings haben die meisten der H., deren im 17. und 18. Jahrh. mehr als 70 gegründet wurden, keine günstigen Erfolge erzielt. Manche derselben waren von Haus aus wegen fehlerhafter Organisation oder mangelhafter Grundlagen eines wirtschaftlichen Bestandes dem Untergange geweiht. Viele Kompanien verbrauchten ihre Kräfte in den aus Gewinnsucht begonnenen Kriegen mit den Fürsten der Länder, wo sie ihre Handelskreise zogen; anderseits litten sie unter den Kriegen der Seestaaten gegeneinander, weil in dem Streben, den zu bekriegenden Gegner zu schädigen, die feindlichen Angriffe vorzüglich gegen die Kolonien und den Kolonialhandel gerichtet wurden. Die H. wirtschafteten meistenteils sehr kostspielig. Eine wirksame Kontrolle durch die Aktionäre war, zumal der Geschäftsbetrieb sich auf örtlich weit entlegene Gebiete erstreckte, unmöglich und so dem Unterschleif sowie der Erpressung Tor und Tür geöffnet. Infolge aller dieser Umstände nahmen die privilegierten H. fast durchgängig ein trauriges Ende.
Unter denselben ist zunächst die aus der Vereinigung zahlreicher, seit 1595 entstandener und meist fehlgeschlagener Handelsgesellschaften 1602 begründete Holländisch-Ostindische Kompanie zu nennen, mit einem Gründungskapital von 6,600,000 Gulden und von den Generalstaaten mit dem Monopol des ausschließlichen Handels jenseit des Kaps der Guten Hoffnung und der Magalhãesstraße ausgestattet. Sie gewann den Portugiesen die Molukken, Malakka, Celebes, Sumatra, verschiedene Plätze der malabarischen Küste ab, besetzte und besiedelte Java sowie das Kapland und erlangte den Alleinhandel nach Japan. Gegen Ende des 17. Jahrh. auf der Höhe ihrer Macht stehend, sank sie bereits im 18. Jahrh., und nach dem Kriege mit England erfolgte ihre Auflösung. Ihre tief verschuldeten Besitzungen wurden 1795 zum Nationaleigentum erklärt und ihre Schulden mit den Staatsschulden vereinigt. Im Mai 1800 wurde sie gänzlich aufgelöst. Nicht so lange bestand die 1621 gegründete Holländisch-Westindische Kompanie, die das Monopol des Handels an der afrikanischen Westküste, an der amerikanischen Küste und für die Inseln des Stillen Ozeans erhielt, jedoch bald eine ungeheure Schuldenlast hatte, so daß sie 1674 von den Generalstaaten aufgehoben wurde. An ihre Stelle trat eine neue westindische Kompanie (1675), die bis 1734 fortbestand. Die 1823 unter Leitung und Garantie des Staates gegründete Nederlandsche Handels-Maatschappij sollte sich auf Handel und Frachtschiffahrt beschränken und niemals in die innere Verwaltung der überseeischen Besitzungen mischen; ihr wurde ein Monopol eingeräumt, wonach sie ausschließlich die auf den Krondomänen in den Kolonien gewonnenen Produkte transportieren und in den Niederlanden gegen eine bestimmte Provision für Rechnung der Regierung verkaufen sollte. Unter den frühern englischen H. war die 1554 gegründete Russische Handelskompanie, der unter Elisabeth die Privilegierung einer Ostländischen (1579), einer Türkisch-Levantischen (1581), einer Marokkanischen (1585) und Guineischen (1588) folgte, die hervorragendste. Von wirklicher Bedeutung ward aber erst die 1600 durch Freibrief begründete Londoner Ostindische Kompanie, die nach mannigfachen Kämpfen und wechselndem finanziellen Ertrag in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. glänzende Erfolge erzielte, seit der Mitte des 18. Jahrh. in Indien als politische Macht auftrat und so das britisch-indische Kolonialreich schuf. Die Regierung desselben wurde, nachdem schon 1814 das Handelsmonopol der Kompanie für Indien und 1833 das für China aufgehoben worden war, nach Niederwerfung des Sepoy-Aufstandes 1858 durch die India bill formell von der Königin übernommen und die Ostindische Kompanie aufgelöst (s. Ostindien). Die 1670 gegründete britische Hudsonbaikompanie (s. d.) gewann das Monopol des Pelzhandels in dem nach ihr benannten weiten nordamerikanischen Ländergebiet, das sie 1868 an Kanada verkaufte. Als Handelsgesellschaft besteht sie noch gegenwärtig. Hingegen stellte die 1710 erstandene und wesentlich auf Agiotage gerichtete Südseegesellschaft 1748 ihre Handelstätigkeit ein. Ebenso lösten sich nach kurzem Bestand auf: die Britisch-Venezianische Gesellschaft, die Britisch-Levantische Gesellschaft, die Britische Heringsfischerei-Gesellschaft u. a., dagegen blieb die 1663 auf 1000 Jahre für den ausschließlichen Handel mit der Westküste von Afrika gegründete Britisch-Afrikanische Kompanie bis 1752 bestehen. Im 16. und 17. Jahrh. wurden zahlreiche Gesellschaften und Einzelpersonen mit Hoheitsrechten und Handelsprivilegien ausgestattet, um die Besiedelung Nordamerikas zu befördern. Aus diesen Freibrief- oder Charterkolonien sind die englisch-amerikanischen Staaten hervorgegangen, die 1776 vom Mutterland abfielen und den Grundstock der Union bilden. Von den französischen H. entstanden einige schon unter Richelieu; es gab eine Französisch-Afrikanische, eine Compagnie du Cap Vert et du Guinée, eine Cap Blanc-, Senegal-, Französisch-Kanadische, -Chinesische, Französische Santo Domingo-, Französisch-Levantische, -Nordische, -Okzidentalische Gesellschaft etc. Die hervorragendste war eine Schöpfung Colberts: die Ostindisch-Französische Kompanie, 1664 gegründet, mit dem Privilegium des gesamten Handels nach Ostindien sowie auf dem Großen Ozean; wegen schlechter Verwaltung und der englischen Konkurrenz hatte sie nur vorübergehende Erfolge und schloß ihre Tätigkeit mit bedeutenden Verlusten. Auch die Französisch-Westindischen Kompanien (von 1623,1651, eine dritte 166474) hatten keine bessern Erfolge, und die Mississippi-Gesellschaft (Compagnie d'Occident, gegründet 1717 von Law,[731] 1719 Compagnies des Indes genannt, nachdem mit ihr die Ostindische, die Senegal-, die Chinesische und die Santo Domingo-Gesellschaft verschmolzen worden war, bestand bis 1772) diente der Lawschen Agiotage als Hintergrund. Eine 1783 gegründete China-Kompanie ging schon 1790 zugrunde. Auch die nordischen Staaten Europas besaßen ihre H., so Dänemark die Dänisch-Afrikanische (Marokkanische) 1751 bis 1765, die Allgemeine (Grönländische) Handelskompanie 174780, die Dänisch-Guineasche 1658 bis 1785, die Isländische 173388, die Levantische, 1757 hervorgerufen, aber nur von sehr kurzer Dauer, die Ostindische, 1612 gegründet und bis über das 18. Jahrh. hinaus bestehend, die Westindische, 16711785, sodann die Vereinigte Dänisch-Norwegisch-Schleswig-Holsteinische Handlungs- und Kanalgesellschaft zur Ausbeutung des schleswig-holsteinischen Kanals. In Schweden bildeten sich die Guineasche Kompanie (164967), die kurzlebige Grönländische (1774), die Heringsfischerei-Gesellschaft (1745), die Ostindische (1731). In Portugal erstanden die Afrikanische Negerhandelsgesellschaft (1723), die Asiatische (1753), die Brasilische Marañongesellschaft (17591777), die Pernambuko- und Parahybagesellschaft (174980), die Weinhandelskompanie (von Oporto, 175690). Von spanischen Schöpfungen nennen wir: die Carácas-, Philippinische, Ostindische, Domingo-, Havannagesellschaft. Rußland schuf die Russisch-Amerikanische Pelzgesellschaft (1799) und die Heringsgesellschaft für das Weiße Meer (seit 1803). In Österreich entstand, als die spanischen Niederlande in den Besitz Karls VI. übergegangen waren, die Ostindische Kompanie zu Ostende 1722, die jedoch schon 1731 der Eifersucht Englands und Hollands aufgeopfert werden mußte. Für den türkisch-levantischen Handel wurde 1719 die Orientalische Kompanie gegründet, die 1740 Bankrott machte. Die unter Maria Theresia und Joseph II. gegründeten Kompanien waren private, aus Staatsmitteln unterstützte Unternehmungen. Für Deutschland sind außer den Emdener Kompanien (Asiatische Kompanie 1745 bis 1765, die Heringsfischerei-Kompanie 176598), der Brandenburgisch-Afrikanischen Kompanie (1682 bis 1720) und der 1763 gegründeten Levantinischen Kompanie erwähnenswert: die Sächsisch-Elb-Amerikanische Gesellschaft (182530), die Rheinisch-Westindische (182132) und vor allen die 1772 von Friedrich d. Gr. gestiftete und staatlich geleitete Seehandlungsgesellschaft, ihrer Zeit mit dem Seesalz- und Wachshandelsmonopol ausgestattet. Die Privilegien der »Seehandlung« (s. d.) sind bereits gefallen, wie sie sich auch immer mehr der industriellen Unternehmungen entledigt. Seit der Aufteilung Afrikas und Ozeaniens unter die europäischen Mächte ist in den letzten Jahrzehnten nach englischem Vorbild eine Reihe von Chartered Companies (Charter- oder Freibriefgesellschaften) gegründet worden. Die Regierungen haben sie mit Hoheitsrechten und wirtschaftlich nutzbaren Privilegien (doch nicht mit eigentlichen Handelsmonopolen) ausgestattet, wobei man sich auch der politischen Handelskompanien des 17. und 18. Jahrh. erinnerte. Die erste Gesellschaft dieses neuen Typs war die 1881 gegründete Britisch-Nordborneo-Kompanie, die bis heute besteht, gleichwie die Britisch-Südafrikanische Kompanie, von der Rhodesia verwaltet wird. Dagegen haben andre Chartered Companies, beispielsweise die Südostafrikanische und die Niger-Kompanie, ihre Hoheitsrechte wieder abgegeben. Desgleichen haben die in den deutschen Schutzgebieten errichteten Charterkompanien gern auf ihre staatlichen Vorrechte verzichtet, z. B. die Deutsch-Ostafrikanische und die Neuguinea-Gesellschaft. Vgl. Semler, Allgemeine Geschichte der ost- und westindischen H. in Europa (Halle 1764, 2 Bde.); M. Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter (Stuttg. 1889); Ring, Asiatische Handlungskompagnien Friedrichs d. Gr. (Berl. 1890); Bonnassieux, Les grandes compagnies de commerce (Par. 1892); Roscher und Jannasch, Kolonien, Kolonialpolitik (Leipz. 1885); Hasse, Artikel »Kolonien« in der 2. Auflage des »Handwörterbuchs der Staatswissenschaften«; Zimmermann, Weltpolitisches (Berl. 1901); Klerk de Reuß, Geschichtlicher Überblick der administrativen, rechtlichen und finanziellen Entwickelung der Niederländisch-Ostindischen Compagnie (Batavia 1894); »Letters recieved by the East India Company from its servants in the East« (hrsg. von Danvers u. a., bisher 6 Bde.; Lond. 1896 bis 1902); Rosedale, Queen Elizabeth and the Levant Company (das. 1904); H. Weber, La Compagnie française des Indes (Par. 1904); Ad. Beer, Allgemeine Geschichte des Welthandels (Wien 18601884, 5 Bde.).
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