Köstlin

[535] Köstlin, 1) Christian Reinhold, Dichter und Kriminalist, geb. 29. Jan. 1813 in Tübingen, gest. daselbst 14. Sept. 1856, ließ sich 1836 in Stuttgart als Advokat nieder und habilitierte sich 1839 in Tübingen als Privatdozent. Daneben hatte er schon seit 1838 im »Morgenblatt« unter dem Namen C. Reinhold Gedichte sowie in der »Novellenzeitung« Erzählungen veröffentlicht, die später auch gesammelt erschienen (Brem. 1847–48, 3 Bde.), ebenso die »Gedichte« (Stuttg. 1853). Seinen juristischen Ruf begründete er durch »Die Lehre vom Mord und Totschlag« (Stuttg. 1838) und »Wilhelm I., König von Wirtemberg, und die Entwickelung der wirtembergischen Verfassung« (das. 1839). 1841 ward er zum außerordentlichen, 1851 zum ordentlichen Professor ernannt. Von seinen kriminalistischen Arbeiten sind noch hervorzuheben: »Die Perduellio unter den römischen Königen« (Tübing. 1841); »Neue Revision der Grundbegriffe des Kriminalrechts« (das. 1845, 2 Abtlgn.); »Der Wendepunkt des deutschen Strafverfahrens im 19. Jahrhundert« (das. 1849); »Das Geschwornengericht, für Nichtjuristen dargestellt« (1. u. 2. Aufl., das. 1849); »Die Geschwornengerichte« (Leipz. 1851); »System des deutschen Strafrechts« (Tübing. 1855, Bd. 1). Aus seinem Nachlaß veröffentlichte Geßler: »Abhandlungen aus dem Strafrecht« (Tübing. 1858) und »Geschichte des deutschen Strafrechts« (das. 1859). – Köstlins Gattin Josephine, geborne Lang, geb. 14. März 1815 in München, gest. 3. Dez. 1880 in Tübingen, hat sich als Liederkomponistin bekannt gemacht. Vgl. H. A. Köstlin, Josephine Lang (Leipz. 1881).

2) Karl Reinhold, Theolog und Ästhetiker, geb. 28. Sept. 1819 in Urach, gest. 12. April 1894 in Tübingen, studierte in Tübingen und Berlin, habilitierte sich 1849 in Tübingen für Philosophie und Theologie, zog sich aber von letzterer bald zurück, um sich ganz der Philosophie und auf Veranlassung Vischers, in dessen »Ästhetik« er dann den Band über die Musik bearbeitete, insbes. der Ästhetik zuzuwenden. 1857 wurde er zum außerordentlichen, 1863 zum ordentlichen Professor der Ästhetik und Kunstgeschichte ernannt. Er veröffentlichte: »Der Lehrbegriff des Evangeliums und der Briefe Johannis« (Berl. 1843); »Der Ursprung der synoptischen Evangelien« (Tübing. 1853); »Goethes Faust, seine Kritiker und Ausleger« (das. 1860); »Hegel in philosophischer, politischer und nationaler Beziehung« (das. 1870); »Ästhetik« (das. 1863–69, 2 Bde., sein Hauptwerk); »Richard Wagners Tondrama:, Der Ring des Nibelungen'« (das. 1877); »Über den Schönheitsbegriff« (das. 1879); »Geschichte der Ethik« (1. Bd., 1. Abtlg.: Die griechische Ethik bis Plato, das. 1887); »Prolegomena zur Ästhetik« (das. 1889).

3) Julius, prot. Theolog, geb. 17. Mai 1826 in Stuttgart, gest. 12. Mai 1902, bereiste 1849 England und Schottland, ward 1850 Vikar in Stuttgart, bald darauf Repetent am theologischen Seminar in Tübingen, 1855 ordentlicher Professor der Theologie in Göttingen, 1860 in Breslau und 1870 in Halle. 1896 trat er in den Ruhestand. Er schrieb unter anderm: »Die schottische Kirche, ihr inneres Leben und Verhältnis zum Staat« (Gotha 1852); »Luthers Lehre von der Kirche« (Stuttg. 1854, 2. Ausg. 1868); »Das Wesen der Kirche, beleuchtet nach Lehre und Geschichte des Neuen Testaments« (das. 1854; 2. Aufl., Gotha 1872); »Luthers Theologie« (Stuttg. 1863; 2. Aufl. 1901, 2 Bde.) und »Martin Luther, sein Leben und seine Schriften« (Elberf. 1875, 2 Bde.; 5. Aufl., hrsg. von Kawerau, Berl. 1903; engl. Übersetzung, 2. Aufl., Lond. 1889), dem ein populäres Werk: »Luthers Leben« (Leipz. 1882, 9. Aufl. 1891), und die kleine Festschrift »Martin Luther, der deutsche Reformator« (Halle 1883, 22. Aufl. 1884) folgten; ferner »Friedrich der Weise und die Schloßkirche in Wittenberg«[535] (Festschrift, Wittenberg 1892); »Religion und Reich Gottes« (Abhandlungen aus den »Theologischen Studien und Kritiken«, Gotha 1893); »Die Begründung unsrer sittlich-religiösen Überzeugung« (Berl. 1893); »Der Glaube und seine Bedeutung für Erkenntnis, Leben und Kirche« (das. 1895); »Christliche Ethik« (das. 1898). Seit 1873 redigierte er die »Theologischen Studien und Kritiken«. Vgl. »J. Köstlin, Autobiographie« (Danz. 1891).

4) Heinrich Adolf, Theolog und Musikschriftsteller, Sohn von K. 1), geb. 4. Sept. 1846 in Tübingen, erhielt früh eine tüchtige musikalische Ausbildung, studierte dann in seiner Vaterstadt Theologie, war 1871–73 Repetent am Seminar in Tübingen, 1873–75 Diakonus in Sulz a. N., begründete 1875 den Evangelischen Kirchengesangverein für Württemberg, bekleidete darauf Pfarrstellen in Maulbronn, seit 1878 in Friedrichshafen. 1883 wurde er Professor am Predigerseminar in Friedberg, 1891 Oberkonsistorialrat und Superintendent in Darmstadt und 1895 als Professor an die Universität Gießen berufen. Ende 1900 trat er in den Ruhestand. Außer der Lebensskizze seiner Mutter (s. Köstlin 1) und andern kleinern Schriften veröffentlichte er: »Die Tonkunst. Einführung in die Ästhetik der Musik« (Stuttg. 1879); »Geschichte der Musik im Umriß« (Tübing. 1875; 5. Aufl. 1898); »Geschichte des christlichen Gottesdienstes« (Freiburg 1887); »Die Lehre von der Seelsorge« (Berl. 1895) sowie »Predigten und Reden« (Gießen 1901). Mit Wurster gibt er die »Monatsschrift für Pastoraltheologie« heraus (Berl. 1904 ff.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 535-536.
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