[16] Schottische Literatur. Im Mittelalter, bis gegen Ende des 14. Jahrh., bildeten die südschottischen Denkmäler (Hochschottisch ist eine keltische Zunge) mit den nordenglischen zusammen einen schier untrennbaren Dialektkreis. Eigenartiges leisteten erst die Epiker Barber (»Bruce«, 1375) und Huchown. Im 15. und zu Anfang des 16. Jahrh. blühte am Edinburger Hof die Schule Chaucers, die hier besondern Nachdruck auf Realistik und volkstümlichen Humor legte; ihre Hauptdichter waren Dunbar und Lindsay. Als dann im Gefolge der Reformation die englische Schriftsprache in Edinburg einzog, wurde die schottische Muse für zwei Jahrhunderte schwach und karg. Aber zu Anfang des 18. Jahrh., gerade als mit dem Edinburger Parlament der letzte Rest schottischer Unabhängigkeit verschwand, wandte man dort der volkstümlichen Mundart und Dichtung ein neues Interesse zu; Balladen wurden ausgezeichnet; Allan Ramsay (s. d. 1) gab altheimische Lieder heraus und suchte sie zu modernisieren. Eine Neublüte des schottischen Sanges entstand dann durch Burns. Neben ihm ist eine Reihe Jakobitensänger zu nennen, ferner Balladendichterinnen (vgl. S. Taylor und J. L. Watson, Songstresses of Scotland, Lond. 1871, 2 Bde.), deren Schule bis auf den heutigen Tag gedeiht. Dagegen strebten Thomson, Smollet, Beattie im 18., Walter Scott, Campbell, Carlyle im 19. Jahrh. nach einem Platz auf dem englischen Parnaß, schrieben im wesentlichen die Londoner Schriftsprache und sind literarisch entschieden zu England zu zählen. Seit der Mitte des 18. Jahrh. traten die Schotten auch auf allen wissenschaftlichen Gebieten mit den Engländern in einen Wettkampf, dessen glücklichen Erfolg vor allem der stete Verkehr erklärt, der seit alten Zeiten zwischen Schottland und den Lehranstalten Frankreichs und Hollands bestanden hatte. Der den Schotten eigne Geist philosophischer Forschung zeigte sich in der Lehre der sogen. schottischen Philosophen, welche die in England herrschende empirische Philosophie tiefer zu begründen und zugleich den Skeptizismus Humes zu überwinden suchten. Den Weg, den der seit 1729 in Schottland angesiedelte Ire Hutcheson durch die systematische Darstellung der Moralphilosophie bahnte, verfolgten Adam Ferguson und die beiden Denker Gerard und Home, die durch ihre psychologischen Erörterungen über die Ästhetik viel Einfluß auf die britische Kunstkritik erlangten. Hume war ebenfalls Schotte und gelangte, von der Erfahrungsphilosophie Lockes ausgehend, zur Negation aller Metaphysik, Thomas Reid (s. d. 1) wollte Humes Ansichten durch Berufung auf die entscheidenden Aussprüche des gemeinen Menschenverstandes (common sense) widerlegen, Dugald Stewart u. a. suchten sie zu erläutern. Die Lehre Reids hat, allerdings verändert, später durch William Hamilton (s. d. 10, S. 696) viel Verbreitung gefunden. Trotz aller Gegner aber wirkte Hume bestimmend auf die philosophische Denkart in Großbritannien ein, sowie er auch über Staatswirtschaft (1752) zuerst richtigere Ansichten verbreitete, die dann sein Landsmann Adam Smith seit 1776 vollständiger entwickelte und zu höchst bedeutsamen Folgerungen benutzte. Die »schottische Philosophie« hat im 18. Jahrh. auch in Deutschland (z. B. auf die sogen. Popularphilosophen und auf Herder), im Anfang des 19. in Frankreich (z. B. auf Royer-Collard und durch diesen auf Cousin) bedeutenden Einfluß geübt. Neuausgaben der ältern schottischen Literaturdenkmäler besorgte die 1882 in Edinburg gegründete Scottish Tett Society. Vgl. David Irving, History of Scottish poetry (Edinb. 1861); J. Roß, Early Scottish literature (Lond. 1884); H. Walker, Three centuries of Scottish literature (das. 1893, 2 Bde.); Laing, Ancient Scottish poetry (hrsg. von Hazlitt, das. 1894, 2 Bde.); Henderson, Scottish vernacular literature (das. 1898); J. H. Millar, A literary history of Scotland (das. 1903); M'Cosh, The Scottish philosophy (das. 1875); Seth, Scottish philosophy (2. Aufl., das. 1890) und The Scottish contribution to moral philosophy (das. 1898); G. Dandolo, La dottrina della memoria presso la scuola scozzese (Mail. 1894), und Artikel »Englische Literatur«.
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