Birmanische Sprache u. Literatur

[813] Birmanische Sprache u. Literatur. I. Die B. Sprache gehört zu den einsylbigen od. sogen. indochinesischen Sprachen, aber die Ansicht von der Verwandtschaft des Birmanischen mit dem Chinesischen, als sei es gewissermaßen ein Dialekt des letzteren, ist irrig; bei aller anscheinenden Ähnlichkeit steht es doch dem Chinesischen eben so fern als dem Sanskrit. Die kreisförmige Schrift ist dem Pali entlehnt u. damit zugleich die dort bestehende Klassisicirung der Laute. Die Aussprache weicht von der Schreibung sehr ab, indem man die Wörter durch Verschlucken verkürzt od. zusammentreffende harte Laute durch Vertauschung erweicht. Zur Angabe der verschiedenen Aussprachsweise der auf gleiche Weise geschriebenen Wörter, wonach auch die Bedeutung verschieden ist, haben die Birmanen 2 Zeichen (Accente), welche in Punkten bestehen, die unter od. hinter die Wörter gestellt werden; ein Punkt unter das Wort gesetzt, zeigt lange u. sanfte, 2 über einander gestellte Punkte hinter dem Wort zeigen kurze u. abgebrochene Aussprache an; während also z.B. po aufhalten, aufschütten, langer ovaler Korb heißt, heißt po tragen, lehren, Wunsch, Segen, u. po: heften, binden, Insect. Doch nehmen nicht alle Wurzeln beide Accente an, überhaupt aber stehen sie nur bei Wurzeln, die sich auf einen Vocal od. auf einen nasalen Consonanten endigen. Der Charakter der B. Sist Einsylbigkeit der Wurzeln u. Mangel an grammatischen Formen; indessen verschwindet jene Einsylbigkeit im Gebrauch fast gänzlich durch die Gewohnheit, jedes Ding mit zwei Wörtern zu bezeichnen, von denen das erste oft das Allgemeine, das zweite daß Besondere darstellt; oft drücken beide nur dasselbe od. mit einiger Modification aus, meist aber ist der Sinn der Zusammensetzung nicht mehr aufzufinden. Zwischen Nomen u. Verbum ist kein Unterschied; erst in der Rede tritt dieser Unterschied durch, an das Wort geknüpfte Partikeln hervor. Ebenso gibt es keine Flexionsbezeichnung. Substantiva u. Adjectiva werden gebildet durch die oben bezeichneten Zusammensetzungen u. mißbrauchsweise nennt man den letzten Theil der Zusammensetzung Affix. Jene Partikeln stehen allemal dem Nomen nach u. zwischen diesen u. ihnen steht die Bezeichnung des Genus u. des Plural (to). Die Pluralbezeichnung dient auch zur Bildung des Plurals der persönlichen Pronomina, welche übrigens immer nur in selbständiger Form erscheinen u. nie als Affixe dienen. Auch das Verbum ist ohne alle Flexion; die Personalbezeichnung geschieht durch das Pro nomen personale, welches allemal vor dem Verbum steht; Plural, Modus u. Tempus werden durch, der Wurzel folgende Partikeln angezeigt. Das Pluralzeichen ist kra (kya), oft mit (völlig, vollständig) verbunden; die Modi werden gebildet, indem Wurzeln von allgemeinerer Bedeutung sich an die Wurzel des concreten Berbums anreihen, ihre Zahl ist daher unbestimmt u. die Grammatiken ziehen hierher auch die Causativa u.a.; der Tempuspartikeln gibt Carey 5 für das Präsens, 3 für Präsens u. Präteritum, 2 ausschließlich für das Präteritum u. einige für das. Futurum an. Bei der Zusammensetzung dieser Partikeln mit der Wurzel zu einer Verbalform gilt als das Gewöhnliche, daß die Moduszeichen an die Wurzel treten u. jenen sich die Tempuszeichen anreihen: das Pluralzeichen richtet sich nach der Festigkeit, womit das Moduszeichen, als allgemeines Wort, an die Wurzel gebunden ist, in den meisten Fällen folgt es ihr nach, in wenigen nur tritt es zwischen beide. Um das Passivum auszudrücken, bedient man sich der Hülfsverba prit od. schi sein, werden. Die Anordnung der Wörter im Satz: zuerst das Subject, an der letzten Stelle immer das Verbum u. in der Mitte das Object; für die Nebenumstände aber gilt die Regel, daß das Regierte dem Regierenden stets voraus geht. Der Anfang des Vaterunsers heißt: mo kaun, ghen hnaik ne-do-mu so akiunoup-to apa, schen-ao nama-do miat-eo su kas-eim-do rose lemiat-kien schi-ghi-si, d.h.: Himmel hoch neit in wohnt, welcher der Sklaven (d.h. unser) Vater, des Herrn (d.h. deinen) Namen hohen lebende Alle Ehre Achtung haben,[813] Seramp. 1814; Schleiermacher in der Schrift: De l'influence de l'écriture sur le langage, Darmst. 1835; von Latter, Calc. 1845; Wörterbücher: von Hough, Seramp. 1825; von Judson, Calc. 1826; von Maulmain, 1852; von Lane, Calc. 1841; von Leyden in Asiat. Research. X.

II. Die Literatur der Birmanen ist sehr reich, aber außerhalb ihrer Heimath so gut wie völlig unbekannt. Sie ruht in der Hauptsache auf dem Fundamente der indischen, namentlich aber der buddhistischen Literatur. Die gelehrte Sprache ist das Pali (s.d.), welches jedoch nur selten mit dem Palialphabet, sondern meist mit dem birmanischen Alphabet geschrieben wird. Von den vielen buddhistische Werken in Pali gibt es jedoch birmanische Übersetzung od. wenigstens birmanische Glossen; so vor Dschataka, dem Nemi-Dschataka, dem Suvanna-Sama-Dschataka, dem Mahadschannaka Dschadaka; ferner vom Kudda-Sikkadipani etc. Eine birmanische Übersetzung der Patimokka ist das Patimokka Nissaya. Außer dieser Literatur der Übersetzungen u. Scholiasten hat sich auch noch eine selbständige buddhistische Literatur in der Landessprache entwickelt. Dahin gehört das Ma-la-len-ga-ra Wottoo od. Leben des Gaudama. Die weltliche Literatur der Birmanen ist noch völlig unbekannt. Nicht unwichtig scheinen die einheimischen Annalen zu sein. Im Munde des Volkes laufen zahlreiche Lieder, worunter auch Heldenlieder, um; Kunstgedichte, bes. didaktischer Art, sollen nicht wenige in den zahlreichen Büchersammlungen des Landes, die sich namentlich in den Tempeln u. Klöstern befinden, vorhanden sein. Die Bibel wurde vom amerikanischen Missionär Indson vollständig in das Birmanische übersetzt, 1835–1837, 5 Bde.; 2, Aufl. 1840.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 813-814.
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