Sanskrit

[869] Sanskrit (d.i. die schöne, seine Sprache). I. Sprache. Das S. war einst die Sprache der Bewohner von ganz Vorderindien bis zur südlichen Grenze des Mahrattenlandes, wo sie mit den nicht mit ihr stammverwandten Sprachen der Urbevölkerung Indiens, den sogenannten Dravidíschen Sprachen, zusammenstieß. Wann das S. als lebende Sprache erloschen sei, ist nicht mit Sicherheit zu best immen, doch finden sich bereits im 3. Jahrh. v. Chr. Inschriften in jüngeren, aus ihm hervorgegangenen [869] Sprachen. Während sich aber aus dem S. im Munde des Volks allmälig die entarteten Dialekte des Prakrit u. Pali (s. b.) bildeten, welche dann wieder die Grundlage der jetzt lebenden Indischen Sprachen wurden, erhielt es sich selbst als Sprache des Cultus u. der Wissenschaft, sowie der Administration u. als höhere Umgangssprache u. erlangte, weil in ihm die heiligen Schriften abgefaßt waren, das Ansehen einer heiligen Sprache. Der lange auf Indien lastende Druck der Fremdherrschaft hat zwar, wie auf das gesammte indische Culturleben, so auch auf das Studium der alten Sprache u. Literatur sehr störend eingewirkt, doch gilt das S. in Indien noch immer für die wichtigste Grundlage höherer Bildung, u. es gibt Viele, welche es verstehen u. schreiben können. Unter dem Namen S. begreift man übrigens gewöhnlich auch die Sprache der ältesten Werke der Indischen Literatur, der Veden, obgleich sich dieselbe von dem spätern S. theils durch ihren größeren Wort- u. Formenreichthum, theils durch den beschränktern Gebrauch der Composita sehr wesentlich unterscheidet. Wichtig ist das S., außer durch seine Literatur, bes. auch für die vergleichende Sprachforschung, da es als älteste Indogermanische Sprache auch die ursprüng-, liche Gestalt der Wörter u. grammatischen Formen im Allgemeinen am treuesten bewahrt hat. Das eigentliche sanskritische Alphabet, Devanagari, d.h. Schrift der Götterstadt, genannt, enthält 48 Buchstaben, 14 Vocale u. 34 Consonanten, deren auf die Natur der Laute gegründete Anordnung folgende ist:

Sanskrit

Hierzu kommen noch die Zeichen für m u. ḥ, ersteres ein Nasal, letzteres ein Hauchlaut. Die obigen Vocalformen werden jedoch nur gebraucht, wenn der Vocal eine Sylbe für sich bildet, sonst werden dafür folgende Zeichen gesetzt:

Sanskrit

au, welche über, unter, vor od. nach den Consonanten stehen. Jeder Consonant wird mit kurzem a gesprochen, wenn er nicht mit einem andern Vocalzeichen verbunden ist, od. das Zeichen Sanskrit (Virama, d.h. Pause) darunter steht, welches die Abwesenheit eines Vocals ausdrückt. Vocallose Consonanten werden jedoch mit dem folgenden Consonanten am gewöhnlichsten auf mannigfache Weise graphisch verbunden, wodurch eine Menge Ligaturen entstehen. Die Devanagarischrift wird von links nach rechts geschrieben, u. zwar meist ohne Worttrennung; erst europäische Gelehrte haben diese, bisweilen auch Interpunctionszeichen, in Druckwerken angewendet. Die Zahlzeichen, welche von den Indern zunächst auf die Araber u. von diesen auf die europäischen Völker übergingen, sind folgende:

Sanskrit

Dieselben sind eigentlich die Anfangsbuchstaben der betreffenden Zahlwörter. Das S. wird übrigens auch mit bengalischer, tamulischer u. anderen neueren indischen Schriften geschrieben. Die Vocale e u. o sind immer lang. Unter den Consonanten sind die Linguale dem indischen Organ eigenthümlich; sie werden ausgesprochen, indem man die Spitze der Zunge weit zurückbiegt u. an den Gaumen ansetzt. Die Aspiraten kh, gh etc. werden wie ihre Nichtaspirata mit hinzugefügtem, deutlich hörbarem h gesprochen. Die Nasale stehen immer nur vor Consonanten ihres Organs u. richten sich in der Aussprache nach diesen, so daß der gutturale Nasal wie n in Anker od. Enge, der dentale wie n in Ende etc. gesprochen wird. Sanskrit kommt nur in den Veden vor u. ist ein cerebrales l. Accentzeichen werden nur in den vedischen Schriften gebraucht. Eine wichtige Rolle spielen in der Wortbildung u. Flexion die Verstärkungen der Vocale durch Hinzufügung eines a od. â, Guna u. Vriddhi genannt; es werden dadurch aus i u. î ê u. ai, aus u u. û ô u. au, aus u. rî ar u. âr; a, ê u. ô werden durch Vriddhi zu â, ai u. au. Alle Nomina u. Verba lassen sich auf einsylbige Wurzeln zurückführen, doch erscheinen diese selten nackt, sondern gewöhnlich in einer durch Präfixe u. Affixe, sowie durch Veränderung des Vocals durch Guna od. Vriddhi modificirten Gestalt. Die Declination unterscheidet drei Geschlechter, welche zum Theil aus der Endung erkennbar sind; drei Zahlen (Singular, Dual u. Plur al) u. acht Casus, nämlich außer den sechs im Lateinischen gebräuchlichen noch einen Instrumentalis u. Locativus. Im Plural haben der Nominativ u. Vocativ, sowie der Dativ u. Ablativ gemeinschaftliche Formen; der Dual hat nur drei Endungen, eine für den Nominativ, Accusativ u. Vocativ, eine für den Instrumental, Dativ u. Ablativ u. eine für den Genitiv u. Locativ. Das Neutrum ist nur im Nominativ u. Accusativ vom Masculinum verschieden. Alle Nomina, sowohl Substantiva als Adjectiva, Zahlwörter u. Pronomina, werden nicht im Nominativ, sondern in einer von allen Casusendungen entblößten Grundform (Thema) aufgefaßt. Die Substantiva zerfallen der Declination nach in zwei Hauptklassen, je nachdem die Grundform auf einen Vocal od. einen Consonanten ausgeht; die mit vocalisch endigender Grundform zerfallen dann nach der Verschiedenheit des Vocals wieder in mehre Unterabtheilungen. Die Adjectiva stimmen in der Declination ganz mit den Substantiven überein. Die Zahlwörter, deren Ursprung dunkel ist, sind sämmtlich declinirbar, von den Grundzahlen unterscheiden die ersten vier drei Geschlechter. Die Grundzahlen von 1–10 lauten: ekas, dvi, tri, catur, pancan, shash, saptan, ashtan, navan, daçan. Die Pronomina weichen in der Declination vielfach von den Substantiven ab, bes. die der ersten u. zweiten Person; sie lassen sich ihrer Abstammung nach auf einsylbige Wurzeln zurückführen, welche jedoch nichts mit den gewöhnlichen Nominal- u. Verbalwurzeln gemein haben Das Verbum unterscheidet zwei Genera, Activum (Parasmaipadam) u. Medium (Atmanepadam),[870] letzteres eigentlich mit reflexiver, sehr häufig aber auch mit transitiver od. neutraler Beden tung. Das Passivum wird von den indischen Grammatikern als abgeleitetes Verbum betrachtet, es hat die Personalendungen des Medium u. unterscheidet sich von diesem durch Anhängung der Sylbe ya an die Wurzel. Jedes der beiden Genera bat fünf Modi: Indicativ, Potentialis, Imperativ, Precativ u. Conditionalis. Der Indicativ hat sechs Tempora: ein Präsens, drei Präterita: das einförmige Augmentpräteritum (Imperfectum), das vielförmige Augmentpräteritum (Aorist) u. das reduplleirte Präteritum, u. zwei Futura: das Participial- u. Auxiliarfuturum. In Bezug auf vier Tempus- u. Modusformen (Präsens, Potentialis, Imperativ u. Imperfectum) zerfallen die Verba in 10 Klassen nach Maßgabe der Veränderungen, welche die Wurzel in denselben bei der Conjugation erleidet. Auch das Verbum unterscheidet, wie das Nomen, drei Numeri. Infinitiv, Gerundium u. Participia stehen in der Mitte zwischen der Nominal- u. Verbalflexion; die letztern erscheinen in einer bedeutenden Anzahl Formen für die verschiedenen Genera u. Tempora. Zu den abgeleiteten Verben gehören außer den Passiven die Causativa, Desiderativa, Intensiva u. Denominativa. Die Adverbia werden meist von Nominalstämmen durch Anfügung von Suffixen gebildet; auch werden viele Substantiva, Adjectiva u. Pronomina in den Casibus obliquis adverbialisch gebraucht. Conjunctionen gibt es nur wenige. Von den Präpositionen kommen die meisten nur in Zusammensetzungen vor. Zur Bildung von Wörtern, sowohl aus den eigentlichen Wurzeln, als aus andern schon abgeleiteten Wortstämmen, dienen eine große Anzahl von Suffixen. Eine große Freiheit besitzt das S. in der Bildung zusammengesetzter Substantiva, Adjectiva u. Adverbia, wobei die Glieder des Compositum sowohl coordinirt sein, als in der verschiedensten Weise grammatisch von einander abhängen können. Der Satzbau ist einfach, die Wortstellung sehr frei; Nebensätze, bes. relative u. Zeitsätze, werden häufig durch Participia, Gerundia u. Composita ersetzt. Die in den poetischen Werken der Inder gebrauchten Metra sind sehr zahlreich u. mannigfach; die der alten vedischen Lieder wurden später größtentheils durch andere ersetzt. Die Verse werden theils nur durch die Zahl der Sylben, theils auch durch die Quantität derselben bestimmt; auch der Reim findet sich bisweilen gebraucht. Der Anfang des Vaterunsers lautet: he asmâkam svarga-stha pitas, tava nâma pûjyam bhavatu, d.h. o unser im-Himmel-wohnender Vater, dein Name ein zu ehrender soll sein. Grammatiken lieferten außer den nationalen Grammatikern (s. unten S. 874): Colebrooke, Calc. 1805, 1. Bd.; Carey, Seramp. 1806; Wilkins, Lond. 1808; Forster, Calc. 1810, 1. Thl.; Yates, ebd. 1820; Frank, Würzb. 1823; Bopp, Ausführliches Lehrgebäude der Sanskrita-Sprache, Berl. 1824; Gram matica critica linguae Sanscritae, ebd. 1832; Grammatik der Sanskrita-Sprache in kürzerer Fassung, 3. A. ebd. 1861; Wilson, 2. A. Lond. 1847; Desgranges, Par. 1845, 1. Bd.; Boller, Wien 1847; Benfey, Vollständige Grammatik der Sanskritsprache, Lpz. 1852; Kurze Sanskrit-Grammatik, ebd. 1855; Flecchia, Turin 1856; Oppert, Berl. 1859. Wörterbücher außer den nationalen Lexikographen (s. unt. S. 874): Wilson, 2. A. Calc. 1832, 3. A. von Goldstücker, Berl. 1858, 1. Bd.; Haughton, Lond. 1833; Bopp, Berl. 1847; Böhtlingk u. Roth, Petersb. 1853 ff.; Yates, Calc. 1846; Williams, Englisch u. S., Lond. 1851. Chrestomathien: Frank, München 1820; Lassen, Bonn 1838; Böhtlingk, Petersb. 1845; Westergaard, Kopenh. 1846; Höfer, Hamb. 1850; Benfey, Lpz. 1853.

II. Literatur. Die Bestimmung der Zeit, in welcher die verschiedenen Erzeugnisse der Sanskritliteratur entstanden sind, ist im Allgemeinen sehr schwierig, da die Inder bei ihrem gänzlichen Mangel an historischem Sinne ihren Werken häufig dadurch ein höheres Ansehen zu verleihen suchten, daß sie dieselben berühmten Weisen u. Dichtern älterer Zeit zuschrieben. Gleichwohl ist es unzweifelhaft, daß die Sanskritliteratur zu denen gehört, welche die ältesten schriftlichen Denkmäler aufzuweisen haben. In der frühesten Periode ihrer Geschichte finden wir die arischen Inder im Pendschab, Ackerbau u. Viehzucht treibend, in den einfachsten patriarchalischen Verhältnissen. In dieser Zeit (etwa 2000–1500 v. Chr.) entstanden die meisten der später in den Vedas gesammelten Lieder u. Sprüche. Beim weitern Vordringen der Inder in das Tiefland zwischen Indus u. Ganges entwickelte sich unter den steten Kämpfen der einzelnen Stämme mit den Urbewohnern u. unter einander (1500–1300 v. Chr.) die epische Poesie, u. nachdem sich im Gangeslande größere Staaten gebildet hatten, in denen die Priester (Brahmanen) allmälig das Übergewicht erlangten, die Literatur der Gelehrsamkeit, indem die Erklärung der religiösen Lieder u. die Sammlung der alten Überlieferungen zur Beschäftigung mit Lexikographie, Grammatik, Astronomie, Philosophie u.a. Wissenschaften führte, woneben an den Höfen der Fürsten die Schönen Künste, das Drama etc. Pflege fanden. Die Ausbreitung des Buddhismus (500 v. Chr.) war für die Entwickelung der Sanskritliteratur von großem Einfluß; denn obgleich die Buddhisten sich in ihren Schriften der Volksdialekte bedienten, so bewirkte doch ihre Polemik gegen das Kastenwesen etc., daß die Brahmanen ihre Lehren durch neue Schriften in der heiligen Sprache fester zu begründen suchten. Auch waren es die Buddhisten, welche die Werke der Sanskritliteratur durch Übersetzungen fast über ganz Asien verbreiteten. Die Berührung mit dem Griechenthum seit 327 v. Chr. war namentlich für die Fortschritte der Inder in der Astronomie von Wichtigkeit. Seit dem Eindringen der Muhammedaner in Indien gerieth die Indische Literatur mehr u. mehr in Verfall, u. es trat auch hier, wie in allen Gebieten des geistigen Lebens, allmälig ein Zustand der Indifferenz ein.

In der Geschichte der Sanskritliteratur lassen sich zwei Perioden unterscheiden: die vedische u. die eigentliche Sanskritperiode. A) Vedische Literatur. Unter dem Namen Veda, d.h. Kenntniß, Wissenschaft, werden eine Anzahl Schriften begriffen, welche, obwohl sehr verschiedenen Inhalts, doch sämmtlich in näherer od. entfernterer Beziehung zu Religion u. Cultus stehen u. als höchste Autorität für alles damit Zusammenhängende gelten. Da die meisten von ihnen schon vor Einführung der Schreibkunst entstanden, so wurden sie in den Familien u. Schulen der Brahmanen Anfangs mündlich fortgepflanzt, wodurch sich häufig mehre Çakhas (Recensionen) eines Werkes bildeten. Alle hierher gehörige Schriften zerfallen in drei Klassen: Sanhitas, [871] Brahmanas u. Sutras; als Quelle der beiden ersten wird die Çruti (Offenbarung), als die der dritten theils diese, theils die Smriti (Überlieferung) betrachtet. Die Verfasser der meisten dieser Schriften sind unbekannt. Die Sanhitas od. Sammlungen, auch speciell Vedas genannt, sind: a) die Riksanhita, eine Sammlung der Lieder, mit welchen die Inder in ihren alten Wohnsitzen im Pendschab die Götter um Gedeihen für sich u. ihre Heerden angefleht, sie für ihre Hülfe gepriesen u. ihre Thaten gefeiert hatten. Die Lieder, 1017 an Zahl, sind nach den Sängerfamilien geordnet, denen man sie zuschrieb u. stammen aus sehr verschiedener Zeit; herausgeg. von M. Müller (mit dem aus dem 14. Jahrh. stammenden Commentar des Sayana, Lond. 1849 f., ohne denselben Lpz. 1857); übersetzt von Langlois (Paris 1848 f.) u. Wilson (Lond. 1849 f.). Vgl. Nève, Etudes sur le Rigveda, Löwen 1842 b) Die Samasanhita, welche die von einer Klasse Priester, den Udgatar, bei den Opfern zu singenden Verse der Riksanhita enthält; herausgeg. u. übersetzt von Stevenson (Lond. 1843 u. 1842) u. Benfey (Lpz. 1848). c) Die beiden Yajuhsanhitas, Sammlungen der von dem Adhvaryu, dem eigentlichen Opferpriester, zu recitirenden Verse u. Opfersprüche. Die erste dieser Sammlungen, der Schwarze Yajurveda (herausgeg. von Röer, Calc. 1854 f.), enthält außer den Versen u. Sprüchen zugleich die Darstellung des betreffenden Rituals, welche eigentlich Gegenstand der Brahmanas ist; die andere dagegen, Weißer Yajurveda od. Vajasaneysanhita genannt (herausgeg. von Weber, Berl. 1849 f.), nur die ersteren. d) Die Atharvasanhita (herausgeg. von Roth u. Whitney, Berl. 1855 f.), nach ihrem angeblichen Verfasser genannt, welche jüngeren Ursprungs ist als die andern u. erst später als Veda anerkannt wurde. Die 760 Lieder derselben enthalten vorzugsweise Sprüche gegen Krankheiten u. schädliche Thiere, Verwünschungen der Feinde, Anrufungen heilsamer Kräuter etc. Die Brahmanas, d.h. brahmanische Schriften, haben die Darstellung alles zur gehörigen Ausführung der Opfer Erforderlichen zum Gegenstande, weshalb sie die dabei vorkommenden Verse u. Opfersprüche erklären, ihre Verbindung mit der Opferhandlung speculativ u. traditionell begründen, das Ritual in seinen Einzelnheiten darlegen etc. Jedes Brahmana schließt sich an eine Sanhita an u. zwar behandeln die Brahmanas, je nachdem sie zur Rik-Saman-, od. Yajuhsanhita gehören, entweder die Obliegenheiten des Hotar, des Recitirers der Opfersprüche od. des Udgatar, od. des Adhvaryu. Daß die Entstehung dieser Schriften viel später fällt, als die der Lieder der Sanhitas, erhellt schon daraus, daß das richtige Verständniß der letzteren in ihnen fast gänzlich erloschen ist. Herausgegeben sind bis jetzt nur das Taittirivabrahmana des Schwarzen Yajurveda von Rajendralalmittra (Calc. 1855 f.) u. das Adbhutabrahmana des Samaveda von Weber (Berl. 1859). Eine den Brahmanas verwandte, aber jüngere Schriftgattung sind die Aranyakas, d.h. Waldschriften. Sie sind als spätere Nachträge zu den Brahmanas zu betrachten u. bilden meist einen Theil derselben. Von besonderer Wichtigkeit sind die in den Brahmanas u. Aranyakas enthaltenen philosophischen Abhandlungen, welche den Namen Upanishad (d.h. Sitzung, Vortrag) führen. Sie behandeln die wichtigsten philosophischen Probleme, wie die Schöpfung der Welt, das Wesen Gottes, sein Verhältniß zu den Menschen etc., u. alle späteren philosophischen Systeme u. religiösen Secten gehen auf sie zurück. Noch jetzt werden sie unter allen vedischen Schriften am meisten studirt. Es gibt über 100 solcher Upanishads; einzelne sind von Rammohun Roy, Poley, Röer u. And. herausgegeben u. übersetzt worden. Die Sutras sind die jüngsten unter den vedischen Schriften. Das Anwachsen des in den Brahmanas u. sonst überlieferten Lehrstoffs führte darauf diesen zum Zwecke des Unterrichts in Sutras, d.h. kurze Regeln, zusammenzudrängen. Dieselbe Darstellungsform wurde auch noch in späterer Zeit für die Grammatik u. Philosophie angewendet, u. zwar ging man in dem Streben nach möglichster Kürze immer weiter, so daß die spätern dergl. Sutras ohne Commentar meist ganz unverständlich sind. Die Inder bringen die hierher gehörigen vedischen Schriften unter sechs Abtheilungen, Vedangas, d.h. Glieder des Veda genannt, nämlich: Çiksha (Lautlehre), Chandas (Metrum), Vyakarana (Grammatik), Nirukta (Worterklärung), Jyotisha (Astronomie) u. Kalpa (Ceremoniell). Besondere Erwähnung verdienen: die Pratiçakhyas, welche den richtigen Vortrag der vedischen Lieder zum Zwecke haben u., an eine bestimmte Recension eines Veda sich anschließend, die Eigenthümlichkeit derselben in Betreff der Laute, des Accentes etc. darstellen; ein zum Rigveda gehörendes hat Regnier (Par. 1857 f.) herausgeg.; das Nirukta des Yaska (herausgeg. von Roth, Gött. 1852), in welchem synonyme u. obsolete vedische Wörter im Anschluß an ältere Listen solcher Wörter (Nighanins) erklärt werden; die Kalpasutras, auch Çrautasutras genannt, weil sie sich auf die in den Brahmanas enthaltene Çruti (Offenbarung) stützen; sie behandeln das Opferritual; die Grihyasutras, welche die häuslichen Ceremonien behandeln; sie stützen sich auf die Smriti (Überlieferung) u. heißen deshalb auch Smartasutras. An die vedischen Sutras schließen sich endlich noch die Anukramanis an, Verzeichnisse der Dichter, Metra u. Gottheiten der Lieder einer Sanhita nach der Reihenfolge derselben. Vgl. über die Vedische Literatur im Allgemeinen: Colebrooke, On the Vedas (in seinen Miscellaneous essays, Lond. 1837) u. Roth, Zur Literatur u. Geschichte des Veda, Stuttg. 1846.

B) Sanskritliteratur. Fast alle hierher gehörige Werke, selbst streng wissenschaftliche, sind in metrischer Form abgefaßt; in prosaischer, außer den grammatischen u. philosophischen Sutras, nur Dramen, Fabeln u. Mährchen, u. die buddhistischen Legenden, welche aber gleichfalls meist mit poetischen Theilen untermischt sind. Was zunächst die epische Poesie betrifft, so gehören hierher: a) das Mahabharata, ein episch-didaktisches Sammelwerk, gegen 100,000 Çloken (Doppelverse) enthaltend. Den Kern des Ganzen bildet der Krieg zweier Herrscherfamilien, der Kuruiden u. Panduiden, an welchem sich viele Herrscher u. Volksstämme betheiligen u. welcher mit dem Untergange aller edeln Geschlechter des alten Indien endigt. Aber nur etwa ein Viertel des Werkes hat hierauf Bezug, drei Viertel sind Episoden epischen u. didaktischen Inhalts, welche mit der Haupterzählung u. unter sich nur sehr lose verbunden sind, s. Mahabharata. b) das Ramayana herausgegeben mit italienischer Übersetzung von Gorresio,[872] Par. 1843 f., französisch von Fauche, ebd. 1854 f., deutsch im Auszug von Holzmann, 2. A. Karlsr 1843), welches in allegorischer Form die Ausbreitung arischer Cultur nach dem Süden Indiens schildert, wobei die Arier durch den Helden Rama, die Ureinwohner durch Dämonen u. Affen repräsentirt werden. Das Gedicht, welches gegen 23,000 Çloken enthält, nennt selbst als seinen Verfasser den Valmiki, in der That scheint es ursprünglich von Einem Dichter herzurühren, wenn auch gewiß Vieles darin spätere Zuthat ist Seine jetzige Gestalt erhielt es sicher erst nach Chr. Geburt. c) die Puranas, Bearbeitungen der alten kosmogonischen, mythologischen u. epischen Sagen vom priesterlichen Standpunkt. Während in den untergegangenen älteren Werken dieses Namens das epische Element vorgewaltet zu haben scheint, treten in den neueren, welche wohl sämmtlich den letzten 1000 Jahren angehören, theologische u. philosophische Betrachtungen, rituelle u. ascetische Vorschriften u. Legenden zur Empfehlung einzelner Gottheiten in den Vordergrund. Ihr poetischer Werth ist im Allgemeinen sehr gering. Die Abfassung der Puranas, deren man 18 kennt, wird wie das Mahabharata dem Vyasa zugeschrieben; herausgegeben sind bis jetzt: das Bhagavatapurana, welches die Geschichte des Gottes Vishnu erzählt (mit Commentar, Calc. 1830, Bombay 1839, mit französischer Übersetzung von Burnouf, Par. 1840 f.), u. das Markandeyapurana (von Banerjea, Cal. 1851) u. einzelne Bruchstücke, wie das Devimahatmya, eine Episode des Markandeyapurana, welche die Göttin Durga verherrlicht (mit lateinischer Übersetzung herausgegeben von Poley, Berl. 1831). Eine Inhaltsübersicht sämmtlicher Puranas gibt Wilson in der Vorrede zu seiner Übersetzung des Vishnupurana, Lond. 1842; vgl. Nève, Les Pouranas, Par. 1852. Noch mehr, als in den Puranas, tritt das epische Element gegen das rituelle in den Hintergrund in den Upapuranas, deren gleichfalls 18 aufgezählt werden. Einer weit spätern Zeit, als die beiden großen Epen, gehören d) die Kunstepopöen (Kavya) an, welche immer mehr das epische Gebiet verlassen u. auf das erotische, lyrische u. didaktische übergehen. Die Zierlichkeit der Form u. die Überwindung schwieriger Sprachkunststücke bilden hier den Hauptgegenstand des dichterischen Strebens, während der Inhalt zur bloßen Nebensache wird. Ihren Stoff entlehnen sie fast alle den großen Epen. Hierher gehören die dem Kalidasa zugeschriebenen Gedichte Raghuvança u. Kumarasambhava (mit lateinischer Übersetzung herausgeg. von Stenzler, Lond. 1832 u. 1838) u. das Nalodaya desselben Dichters (sanskr. u. latein. von Benary, Berl. 1830, sanskr. u. engl. von Yates, Calc. 1844); das Kiratardschuniya des Bharavi (gedruckt Calc. 1814, die zwei ersten Gesänge deutsch von Schütz, Bielef. 1845); der Çiçupalabadha des Magha (Calc. 1815, 1.–11. Gesang deutsch von Schütz, Bielef. 1843); das Bhattikavya (Calc. 1828, 5 Gesänge deutsch von Schütz, Bielef. 1837); das Naiihadhacharitra des Harsha (Calc 1836); das Uttaranaishadacharita desselben (herausgeg. von Röer, Calc. 1853 f.). Das Drama scheint bei den Indern aus dem Tanze hervorgegangen zu sein, da Tänzer u. Schauspieler durch ein Wort (Nata) bezeichnet werden; doch läßt sich die frühere Entwickelungsgeschichte desselben nicht verfolgen, weil alle älteren Stücke verloren gegangen sind u. es uns gleich in vollendeter Form entgegentritt. Eine besondere Eigenthümlichkeit des indischen Drama ist die, daß Frauen u. Personen niederen Standes nicht S., sondern Volksdialekte reden. Trauerspiele gibt es bei den Indern gar nicht. Die Entstehungszeit der meisten Stücke ist unbekannt, doch scheint keins der vorhandenen viel über 1000 Jahre alt zu sein. Der ausgezeichnetste dramatische Dichter ist Kalidasa (s.d.) im 11. Jahrh. n. Chr. u. die von ihm verfaßten Stücke sind: Sakuntala od. der Erkennungsring, mit Recht von den Indern für die schönste Perle ihrer dramatischen Poesie gehalten; Vikramorvaçi od. die durch Heldenkraft gewonnene Urvaçi, u. Malavika u. Agnimitra (Ausgaben u. Übersetzungen s.u. Kalidasa). Die ersten beiden dieser Dramen beruhen dem Stoffe nach auf dem indischen Mythus u. der Sage; das dritte ist ein Intriguenstück. Unter den übrigen Dramen sind die vorzüglichsten die des Bhavabuti aus dem 8. Jahrh. n. Chr., von denen Malati u. Madhava (Calc. 1830) für das beste bürgerliche Schauspiel gilt, während der Stoff des Mahaviracaritra, d.h. Geschichte des Rama (herausgeg. von Trithen, Lond. 1849), u. des Uttararamacaritra, d.h. spätere Geschichte des Rama (Calc. 1831), dem Ramayana entlehnt ist. Ein sehr anziehendes bürgerliches Drama ist auch die Mricchakati, d.h. der Thonwagen, des Çudraka (herausgeg. Calc. 1829, von Stenzler, Bonn 1847), ein Intriguenstück die Ratnavali, d.h. das Juwelenhalsband (Calc. 1832), deren unbekannter Verfasser im 11. Jahrh. n. Chr. lebte. Das historische Drama wird vertreten durch das Mudrârâkshasa od. das Siegel des Ministers von Viçaksadatta, Calc. 1831; die Posse durch das Dsurtasamagama od. die Gaunerversammlung des Çriranga aus dem 15. Jahrh. (herausgegeben von Lassen in seiner Anthologie). Eigenthümlich sind den Indern die philosophischen Dramen, in denen Begriffe u. Systeme handelnd auftreten, wie der dem 11. Jahrh. angehörende Prabodhacandrodaya (d.h. Aufgang des Mondes der Erkenntniß) des Krishnamiçra (herausgegeben Calc. 1838, von Brockhaus, 1845, deutsch von Goldstücker, Königsb. u. Lpz 1842) u. der Caitanyacandrodaya (d.h. Aufgang des Mondes des Caitanya) des Karnapuri aus dem 16. Jahrh. (Calc. 1854). Vgl. Wilson, Select specimens of the theatre of the Hindus, 2. A. Lond. 1835. Die lyrische Poesie wird fast ausschließlich durch erotische Dichtungen vertreten, welche im Allgemeinen eine sehr zügellose Phantasie, nicht selten aber auch einen hohen Grad wahrer Gefühlszartheit verrathen. Ein Lieblingsthema sind die Liebesabenteuer des Krishna unter den Hirtinnen. Es gehören hierher: der Meghadhuta od. Wolkenbote des Kalidasa (s.d., deutsch noch von Schütz, Bielef. 1859); die Caurapancasika od. die 50 Strophen des Caura (herausgeg. von P. von Bohlen, Berl. 1833); das gereimte Gedicht Ghatakarpara od. der zerbrochene Krug (herausgeg. u. übersetzt von Dursch, Berl. 1828). Ein lyrisches Drama ist der durch Gluth der Sprache ausgezeichnete, tief mystische Gitagovinda des Jayadeva (mit latein. Übersetzung herausgeg. von Lassen, Bonn 1836, deutsch von E. H. von Dalberg, Erfurt 1802, von Mayer, Weim. 1802, von Riemschneider, 1818). Eine eigenthüm liche Gattung sind die Sprüche, welche lauter einzelne Situationen ohne Zusammenhang des Ganzen schildern, wie das Amaruçatakam od.[873] die 100 Sprüche des Amaru (mit französischer Übersetzung von Apudy, Par. 1831), u. die 300 Sprüche des Bhartrihari, welche in anziehendster Weise die Hauptbestrebungen des Jünglings, des Mannes u. des Greises schildern u. zu den trefflichsten Erzeugnissen der indischen Poesie gehören. Von lyrischen Gedichten anderer Art ist noch zu erwähnen das beschreibende Gedicht Ritusanhara od. Kreis der Jahreszeiten des Kalidasa (Calc. 1792, mit lateinischer u. deutscher Übersetzung von P. von Bohlen, Lpz. 1840) u. die dem Philosophen Çankaracarya zugeschriebene Anandalahari, d.h. Woge der Wonne, ein Hymnus an die Parvati (Calc. 1824, französisch von Troyer, Par. 1841). Von besonderem Interesse sind die Thierfabeln u. Märchen der Inder, da sie die ursprüngliche Quelle vieler der bekanntesten sowohl morgen- als abendländischen Erzeugnissen dieser Art sind. Fast in allen findet sich eine Haupterzählung zu Grunde gelegt, in welche alle übrigen eingeschalten werden. Die Form ist meist die prosaische, doch mit häufiger Einfügung von Versen. Die älteste Sammlung von Thierfabeln, das Pancatantra od. die 5 Bücher (herausgeg. von Kosegarten, 1. Thl. Bonn 1848, 2. Thl. Greifsw. 1859, deutsch von Benfey, Lpz. 1859), wird dem Vishnuçarman zugeschrieben; sie wurde auf Befehl des Sasaniden Nushirvan (531–79 n. Chr.) ins Pehlvi übersetzt, woran sich dann Übersetzungen in fast alle Sprachen Westasiens u. Europas schlossen. Ein Auszug daraus ist der Hitopadeça, d.h. freundliche Belehrung, s.u. Bidpai. Von den Sammlungen von Mährchen u. Erzählungen sind die ältesten: die Vetalapancavinçati, d.h. die 25 Erzählungen des Dämonen, von Çivadasa (Proben in Lassens u. Höfers Anthologien), u. die Çukasaptati, d.h. die 70 Erzählungen des Papagaien (der Anfang abgedruckt in Lassens Anthologie). Eine metrische Bearbeitung des Besten in diesem Gebiete in einfachem, geschmackvollem Styl enthält der Kathasaritsagara, d.h. der Ocean der Ströme der Erzählungen, des Somadeva aus dem 11. Jahrh. n. Chr. (1. bis 5. Buch herausgeg. von Brockhaus, Lpz. 1839, deutsch von Demselben, Lpz. 1843). Kunstvoller in Form u. Darstellung ist das ganz in Prosa verfaßte Daçakumaracaritra, d.h. die Abenteuer der 10 Prinzen (herausgeg. von Wilson, Lond. 1846). Zu den poetischen Werken gehört endlich noch die Rajatarangini od. der Strom der Könige des Kalhana aus dem 12. Jahrh. (Calc. 1835, franz. von Troyer, Par. 1840 f.), welche die Geschichte Kashmirs erzählt. Zwar findet sich hier eine Masse historischen Stoffes aufgehäuft, aber das Werk hat auf den Namen eines historischen keinen Anspruch, weil der Verfasser, welcher Mahakavi, d.h. großer Dichter, genannt wird, aller Kritik ermangelt u. Sage u. Geschichte bunt durch einander mischt. Eine Geschichte in unserem Sinne hat es bei den Indern nie gegeben, da ihre Anschauungsweise viel zu sehr durch religiöse Vorstellungen befangen u. ihr Sinn überhaupt mehr auf die Welt der Vorstellungen, als auf die Wirklichkeit gerichtet war.

Sehr bedeutend sind die Verdienste, welche sich die Inder um die Grammatik erworben haben, bes. durch ihre gründlichen u. scharfsinnigen Untersuchungen über die Gesetze der Lautveränderungen u. der Bildung der Wörter u. grammatischen Formen. Der älteste uns erhaltene Grammatiker ist Panini, wahrscheinlich aus der Zeit um Christi Geburt. Seine Grammatik, welche gegen 4000 Regeln (Sutras) enthält (herausgegeben Calc. 1809, von Böhtlingk, Bonn 1840), zeichnet sich bes. durch die zweckmäßige Terminologie aus, u. bildet die Grundlage für die gesammte grammatische Forschung u. die Richtschnur für den Sprachgebrauch bis auf die heutige Zeit. Ihrer Dunkelheit wegen ist sie schon früh commentirt worden, so von Katyayana, dem Verfasser der Varttikas, d.h. Erläuterungen, u. von Patanjali, welcher einen Commentar dazu (Mahabashya) abfaßte. Eine spätere Bearbeitung von Paninis Grammatik, welche namentlich eine bessere Anordnung der Regeln bezweckt, ist die Siddhantakaumudî des Bhattojidikshita (Calc. 1812), ein Auszug hieraus die Laghukaumudi (herausgeg. Calc. 1827, von Ballantyne, Mirzap. 1849 u.ö.). Von den spätern Grammatikern ist Vopadeva (im 12. Jahrh.) zu erwähnen, welcher in seinem Mugdhabodha, d.h. Belehrung des Einfältigen (herausgeg. Calc. 1807, von Böhtlingk, Petersb. 1847 u.ö.), das System des Panini beibehielt, dessen Terminologie aber änderte. Auch die Lexikographie ist durch zahlreiche Werke vertreten, welche sich jedoch von unsern Wörterbüchern wesentlich unterscheiden, da die Wörter darin nicht alphabetisch, sondern nach der Bedeutung geordnet sind, Das älteste erhaltene Wörterbuch ist der Amarakosha des Amarasinha (herausgeg. mit engl. Übersetzung von Colebrooke, 2. A. Seramtp. 1825, mit franz. Übersetzung von Loiseleur-Deslongchamps, Par. 1839 u.ö.); von späteren sind zu erwähnen: die Haravali, der Trikandaçesha des Purushottama u. der Abhidhanacintamani des Hemacandra (herausgeg. Calc. 1807, 1818, von Böhtlingk u. Rieu, Petersb. 1847). Eine den Indern eigenthümliche Klasse lexikalischer Werke sind die Sammlungen von Verbalwurzeln (Dhatupathas), deren es ebenfalls eine bedeutende Anzahl gibt, wie von Vopadeva, Durgadasa (beide herausgeg. Calc. 1831) u.a. Das älteste Lehrbuch über Metrik ist das des Pingala. Dasselbe wird von den Indern zu den vedischen Schriften gerechnet, so wenig es auch darauf Anspruch hat, da es auch die kunstvollsten, nur in späterer Zeit gebräuchlichen Metra behandelt. Andere Lehrbücher über Metrik sind der Çrutabodha des Kalidasa (herausgeg. von Brockhaus, Calc. 1841), die Chandomanjari des Gangadasa (Seramp. 1833) etc. Auch die Rhetorik u. Poetik haben die Inder eifrig gepflegt u. hier wie anderwärts durch seine, wenn auch oft spitzfindige Distinctionen den ihnen eigenen Scharfsinn bewährt. Über Rhetorik handelt der Sahityadarpana des Viçvanathakaviraja (Calc. 1828), über Poetik der Kavyaprakaça des Mammatacarya (Calc. 1829) u. das Praçastiprakaçika des Krishna Lala (Calc. 1842). Die Anfänge der Philosophie gehen in ein sehr hohes Alterthum zurück. Schon in der Riksanhita finden sich Hymnen, welche sich mit der Entstehung der Welt u. ähnlichen Fragen beschäftigen; mehr noch tritt dies in den Brahmanas u. Aranyakas hervor, in denen einzelne Abtheilungen, die sogenannten Upanishads, vorzugsweise philosophischen Speculationen gewidmet sind. Auch die epische Poesie ist reich an größeren philosophischen Abschnitten u. einzelne derselben, wie die Bhagavadgita im Mahabharata, können geradezu als philosophische Lehrgedichte gelten. Über die Entwickelung der einzelnen philosophischen Systeme läßt sich bis jetzt noch wenig Bestimmtes sagen, da[874] die Brahmanas u. Aranyakas, aus denen allein die Kenntniß derselben geschöpft werden könnte, hierzu noch viel zu wenig bekannt sind. Die Sutras, in welchen die Systeme selbst uns vorliegen, sind von verhältnißmäßig spätem Alter. Sechs Systeme sind es, welche im Verlaufe der Zeit besondere Verbreitung gefunden haben. Das älteste ist die Sankhyalehre des Kapila, welche eine Urmaterie als Grund der Welt aufstellt, aus der sich diese allmälig entwickelt habe. Eine weitere mehr spiritualistische Entwickelung hat dieses System in der Yogalehre des Patanjali erhalten. Die beiden Mimansa haben vorzugsweise den Zweck, die in den Brahmanas enthaltenen Lehren mit einander in Einklang zu bringen u. den wahren Sinn zu bestimmen, u. zwar hat die Purvamimansa des Jaimini die Vorschriften über Werkthätigkeit, die Uttaramimansa des Badarayana (auch Vedanta genannt) die Lehren über das schaffende Princip zu ihrem Gegenstande. Das Vaiçeshikasystem des Kanada u. das Nyayasystem des Gotama endlich gründen sich auf die Logik u. leiten die Entstehung der Welt aus Atomen her, welche sich durch den Willen eines feststellenden Wesens vereinigten. Von den bis jetzt gedruckten philosophischen Schriften vertreten das Sankhyasystem: das Sankhyapravacana (mit dem Commentar des Vijñana herausgeg. Seramp. 1821 u. von Hall, Calc. 1855 f.), die Sankhya-Karika des Içvarakrishna (herausgeg. von Lassen, Bonn 1832, englisch von Colebrooke, Lond. 1837), die Tattvakaumudi des Vaçaspatimiçra (Calc. 1849); das Vedantasystem: die Vedanta-Sutra des Badarayana (mit dem Commentar des Çankara, Calc. 1818, franz. von Poley, Paris, von Röer, Calc. 1854), der Vedantasara des Sadananda (Calc. 1829, 1849, 1850, mit deutscher Übersetzung von Frank, Münch. 1835, engl. von Röer, Calc. 1845), der Atmabodha (Calc. 1849), die Inanabodhini des Çankara (Upsala 1850, mit lateinischer Übersetzung von Windischmann, Bonn 1833); das Nyayasystem: der Bhashaparicheda mit dem Commentar des Viçvanatha (Calc. 1821, 1827, 1828, von Röer, ebd.), der Paribasha des Dharmarajadhvarindra (ebd. 1848) u.a. Vgl. Colebrooke, On the philosophy of the Hindus in seinen Essays, Lond. 1837; Frank, Vyasa, Münch. 1826, 1. Bd. M. Müller, Beiträge zur Kenntniß der indischen Philosophie im 6. Bde. der Deutschen Morgenl. Zeitschrift. Ausgezeichnet sind die Leistungen der Inder auf dem Gebiete der Mathematik u. Astronomie. Zwar läßt sich hier der Einfluß griechischer Bildung nicht verkennen; doch ist die weitere Entwickelung dieser Wissenschaften den Indern ganz eigenthümlich u. überragt die von den Griechen erreichte Stufe bei Weitem. Unbestritten gehört den Indern das durch die Araber nach dem Occident verpflanzte, in der civilisirten Welt jetzt allgemein gebräuchliche Bezeichnungssystem der Zahlen, sowie die ebenfalls durch die Araber nach Europa gebrachte Algebra. In der Astronomie zeichnen sich die Inder durch genaue Beobachtung der Umlaufsperioden der Erde u. des Mondes, durch richtige Bestimmung des Umfangs der Erde etc. aus. Die ausgezeichnetsten Mathematiker u. Astronomen sind: Aryabhatta im 3. Jahrh. n. Chr., der eigentliche Begründer dieser Wissenschaften; Varâhamihira im 6. Jahrh., welcher auch der Astrologie Eingang in Indien verschaffte; Brahmagupta im 7. Jahrh., der Verfasser des Brahmasiddhanta; Lata, wahrscheinlich der Verfasser des Suryasiddhanta, welches die Inder selbst jedoch dem Asuramaya zuschreiben (herausgeg. von Hall, Calc. 1859, englisch von Burgeß, 1858), u. Bhaskaracarya im 12. Jahrh., welcher ein Lehrbuch der Mathematik unter dem Titel Siddhantaçiromani verfaßte. Von den einzelnen Theilen dieses Werks handeln die Lilavati (Calc. 1832) über Arithmetik u. Geometrie, der Vijaganita (herausgeg. Calc. 1834, von Moore, ebd. 1845, englisch ebd. 1827) über Algebra, der Ganitadhya u. Goladhya (mit dem Commentar des Ranganatha herausgeg. von Wilkinson, Calc. 1842) über Astronomie. Besondere Werke über die Naturwissenschaften sind uns zwar nicht bekannt, doch zeigen dahin einschlagende Bemerkungen in andern Schriften, daß die Inder sich auch in ihnen als sinnige u. scharfe Beobachter bewährt haben. Eine sehr reiche Literatur hat dagegen die Medicin aufzuweisen, welche man bei den Indern auf einer hohen, ganz eigenthümlich entwickelten Stufe findet; Anatomie, Chirurgie, Therapie, Pharmakologie etc. sind der Gegenstand zahlreicher Darstellungen. Bes. geschickt waren die Inder in chirurgischen Operationen; sie kannten das Staarstechen, die Rhinoplastik, den Steinschnitt etc., ja selbst die Blatternimpfung scheinen sie schon im Alterthum ausgeübt zu haben. Das berühmteste medicinische Werk ist das des Suçruta (Calc. 1835, latein. von Heßler, Erlangen 1844). Vgl. Wise, Commentary of the Hindu system of medicine, Calc. 1845. Die Kriegskunst, die Musik u. die bildenden Künste sind von den Indern ebenfalls wissenschaftlich behandelt worden, doch ist von den dahin einschlagenden Schriften noch keine herausgegeben. Die Rechtswissenschaft wurde von den Indern schon früh mit Vorliebe gepflegt. Ihre Gesetzbücher (Dharmaçastras) unterscheiden sich dadurch von denen anderer Völker, daß sie nicht nur das eigentliche Recht, sondern überhaupt die ganze Lebensordnung berücksichtigen u. demnach außer Vorschriften über Rechtspflege auch solche über häusliche u. bürgerliche Pflichten u. über Reinigung u. Buße enthalten. Das älteste Gesetzbuch ist das des Manu, das Manavadharmaçastram (s.u. Manu); seine jetzige Gestalt erhielt es erst durch mehrfache Umarbeitungen. Außer diesem gibt es noch über 50 Gesetzbücher, von denen aber nurdas des Yajnavallya veröffentlicht ist (sanskr. u. deutsch von Stenzler, Berl. 1849); außerdem viele zum Theil sehr umfängliche Abhandlungen über einzelne Theile des Rechts, wie über Erbrecht von Simulavahana (Dayabhaga, herausgeg. Calc. 1813, englisch von Colebrooke, ebd. 1810, franz. von Orianne, Par. 1843), über Adoption von Nanda u. Devanda (Dattakamimansa u. Dattakacandrika, herausgeg. Calc. 1817, engl. von Sutherland, ebd. 1814, franz. von Orianne, Par. 1843) etc. Vgl. Macnaghten, Principles of Hindu law, Calc. 1824.

Was die buddhistische Sanskritliteratur betrifft, so ist dieselbe sehr reichhaltig, indem uns noch die ganzen heiligen Schriften der nördlichen Buddhisten in den Sanskritoriginalen vorliegen. Eine Übersicht der einzelnen Werke nebst Auszügen gab Burnouf in seiner Introduction à l'histoire du Bouddhisme indien (Par. 1844); auch lieferte derselbe eine vollständige Übersetzung einer der wichtigsten dieser Schriften: Le lotus de la bonne loi, Par. 1852. Die Schriften der südlichen Buddhisten sind gar nicht in Sanskrit vorhanden, sondern wurden[875] gleich ursprünglich in Pali verfaßt, s.u. Pali u. vgl. Prakrit.

In Europa wurde man auf die Sanskritliteratur erst seit der Ausbreitung der englischen Herrschaft in Ostindien mehr aufmerksam; unter denen, welche für eine gründlichere Kenntniß derselben wirkten, sind bes. Jones, Colebrooke, Wilson, Jam. Prinsep, Burnouf, Friedr. u. Aug. Wilh. v. Schlegel, Wilh. v. Humboldt, Bopp, Lassen, Herm. Brockhaus, M. Müller, Weber, Böhtlingk, Roth, Benfey, Stenzler, Westergaard, Röer u. Ballantyne zu erwähnen. Die größten Sammlungen von Sanskrithandschriften finden sich in London, Paris, Berlin u. Kopenhagen. Vgl. Bohlen, Das alte Indien, Königsb. 1830; Benfey, Indien, Lpz. 1840; Lassen, Indische Alterthumskunde, Bonn u. Lpz. 1845–61, Bd. 1–4; Weber, Indische Studien, Berl. 1845 f.; Derselbe, Vorlesungen über indische Literaturgeschichte, ebd. 1852; Müller, History of ancient Sanskrit Literature, Lond. 1859. Verzeichnisse der in S. u. über Sanskritliteratur erschienenen Werke enthalten: Gildemeister, Bibliothecae Sanscritae specimen, Bonn 1847, u. Zenker, Bibliotheca orientalis, Lpz. 1861, 2. Bd.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 869-876.
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