1. Das Hofleben ist der Füchse Paradies, der Einfältigen Hölle und der Reichen Fegefeuer.
2. Das Hofleben ist der Hölle Vorstadt.
Frz.: La cour est le fauxbourg de l'enfer. (Kritzinger, 181b.)
3. Das Hofleben ist der schönste Weg zur Hölle.
Dän.: Hof-levnet er ofte helvedes gienvey. (Prov. dan., 293.)
Lat.: Exeat aula qui volet esse pius.
4. Das Hofleben ist ein Meer voll Klippen.
It.: La corte è un mare d'inevitabili scogli. (Pazzaglia, 70, 15.)
5. Das Hofleben ist ein Spital der gekränkten Hoffnung, ein Element des Neides, eine Schule des Ehrgeizes, ein Markt der Falschheit.
6. Das Hofleben ist eine adeliche Sklaverei und ein glänzendes Elend.
Dän.: Hof-levnet er en herlig elendighed. (Prov. dan., 293.)
It.: La corte è una nobile schiavitù, ed una splendida misera. (Pazzaglia, 68, 7.)
7. Das Hofleben ist eine Badstube; die darin sind, wollen heraus und die draussen sind, wollen hinein. – Einfälle, 440.
8. Das Hofleben ist eine glänzende Dienstbarkeit.
Die Kaiserin Anna liebte die Gräfin Tschernischew ihrer heitern Unterhaltungsgabe wegen. Als die letztere später an geschwollenen Füssen litt, die ihr das Stehen zur Pein machten, ward die Gunst der Kaiserin ein wahres Märtyrerthum für sie, da dieselbe nicht begreifen konnte, dass Unterthanen müde werden können. Anna nahm lange keine Notiz von den Qualen der Gräfin, bis diese einmal der Ohnmacht nahe war. Jetzt erlaubte sie derselben, sich auf den Tisch zu stützen und die witzige heitere Unterhaltung fortzusetzen. Damit aber die Kaiserin die ungehörige Haltung nicht sähe, musste eine Kammerfrau vortreten. (Vgl. Memoiren der Fürstin Daschkow von Alex. Herzen, Hamburg 1857.)
Böhm.: Dvorský život, stkvĕlé otroctví. – Život dvorský sladkohořký. (Čelakovsky, 321.)
Frz.: La cour est un brillant esclavage. (Kritzinger, 182a.)
Lat.: Aulica vita splendida miseria. (Binder I, 109; II, 285; Buchler, 39; Froberg, 44; Philippi, I, 49; Seybold, 46.)
Poln.: Dworski żywot, świetna niewola (nędza). – Żywot dworski słodkogorzki. (Čelakovsky, 321.)
[728] 9. Das Hofleben ist gleich den Tragödienbüchern, die sind schön eingebunden und inwendig voll Jammers. – Luther's Tischr., 437; Eiselein, 316.
Die Russen: Heuchelei ist eine Tochter des Hoflebens. (Altmann VI, 466.)
10. Das Hofleben ist nichts als eine Schwitzbank. – Winckler, XIII, 56.
11. Das Hofleben ist von fern am schönsten.
Dän.: Bedre om hof-levnet at høre, end selv at forsøge. (Prov. dan., 293.)
12. Das Hofleben kennt nur, wer am Hofe gewesen.
Dän.: Man kiender først hoffet, naar man gaaer derfra. (Prov. dan., 294.)
13. Das Hofleben vermeide, eh' es dich beneide!
14. Es ist vmb das hofleben gethan, eben wie vmb die huener, die ym korbe sitzen vnd die draussen frey gehen. – Agricola I, 271; Franck, I, 139b; Petri, II, 278; Lehmann, II, 136, 59; Körte, 2898; Körte2, 3632; Eiselein, 316; Braun, I, 1420.
Die haussen gehen, wollen hinein, und die drin sind, wollen heraus.
15. Hoffleben ist beschwärlich, Hoffsterben ist gefährlich. – Lehmann, 389, 31.
16. Hoffleben – Sewleben. – Petri, II, 381.
17. Hofleben genährt und gefährt.
18. Hofleben ist arm Leben, ausser dass es einen grossen Schein hat. – Seybold, 46.
Als Erasmus von Rotterdam 1510 an den Hof Heinrich's VIII. berufen wurde, wo er die ansehnlichsten Stellen erhalten konnte, schlug er sie alle aus, indem er sagte: »Glück am Hofe ist ein glänzendes Elend und eine Larve von Zufriedenheit.« Auch Franz I. von Frankreich, der ihn ebenfalls an seinen Hof einlud, dankte er für die Gnade, indem er ihm schrieb: Er sei mit gelehrten Leuten wie mit schöner Tapezerie, die desto schöner anzusehen, je weiter sie von dem Gesicht entfernt; wenn man sie nahe beschaue, dünke sie einem nicht schön. (Einfälle, 141-142.) Merck war sehr ärgerlich darüber, dass Goethe an den Hof zu Weimar ging. »Was Teufel fällt dem Wolfgang ein«, rief er aus, »zu Weimar am Hofe herumzuschranzen und scherwenzen, andere zu hudeln oder sich hudeln zu lassen.« (Allgemeine Modenzeitung, Leipzig 1857, S. 108.)
19. Hofleben ist ein herrlich Elend. – Petri, II, 381; Henisch, 872, 62; Mathesy, 53b.
20. Hofleben ist ein sauer Leben.
21. Hofleben ist ein Stammhaus des Betrugs, ein Vaterland der Laster, ein Fegefeuer guter Sitten, ein Paradies der Wollust und die Hölle der Tugend.
It.: Esca di corte chi ad esser santo aspira. (Pazzaglia, 72, 20.)
22. Wer das Hofleben tadelt, hat die Ungnade der Hofschranzen zum Lohn.
23. Zum Hoffleben wie zum Fewer nicht zu nahe, noch zu weit; das ist das best. – Petri, II, 825.
24. Das Hofeleben ist ein blosses Hoffeleben; denn Gunst verspricht man da und Ungunst wird gegeben. – Gerlach, 292.
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