[405] Eherecht, der Inbegriff der auf die Ehe sich beziehenden rechtlichen Vorschriften. Durch das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Nebengesetze hat das E. eine völlig neue Gestaltung erhalten. Seit Neujahr 1900 galten für die persönlichen Verhältnisse deutscher Ehegatten im In- und Ausland und ausländischer Ehegatten im Inlande die § 13031362 und 15641588 des Bürgerlichen Gesetzbuches, sowie die Art. 14, 16, 17, 40, 46, 57, 158, 198, 199, 201, 202 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch nebst den teilweise durch Art. 46 abgeänderten § 6776 und 8285 des Reichsgesetzes vom 6. Febr. 1875 und den unterm 17. Mai 1898 teilweise neugeschaffenen § 606639 der Reichszivilprozeßordnung; dazu treten je in den einzelnen Bundesstaaten noch einzelne wenige Ausführungsvorschriften. Vernünftigerweise ordnet dieses Recht das eheliche Leben nicht im einzelnen, wie die Verhältnisse der häufigsten Verträge, es bescheidet sich vielmehr damit, Religion und Sittlichkeit, die hier die entscheidenden Mächte sind, aushelfend zur Seite zu treten. Die Grundzüge des gegenwärtig geltenden Eherechts sind folgende:
Die Ehe soll nach vorgängigem Aufgebot (s. d.) vor dem Standesbeamten des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts eines der Verlobten geschlossen werden, indem in Gegenwart zweier volljähriger und im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befindlicher Zeugen der Beamte an die gleichzeitig gegenwärtigen Verlobten einzeln und nacheinander die Frage richtet, ob sie die Ehe miteinander eingehen wollen und, nachdem beide die Frage bejaht haben, ausspricht, daß sie kraft des Bürgerlichen Gesetzbuches nunmehr rechtmäßig verbundene Eheleute seien. Der Beamte soll sodann die Ehe in sein Heiratsregister eintragen. Der (nach dem Vorstehenden) zuständige Standesbeamte darf einen unzuständigen Standesbeamten zwar nicht zum Aufgebot, wohl aber zur Eheschließung schriftlich ermächtigen; der ermächtigte Beamte kann zur weitern Ermächtigung Vollmacht erhalten.
Wenn keiner der Verlobten im Inlande seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat und es daher an einem zuständigen Standesbeamten fehlt, aber wenigstens einer der Verlobten Deutscher ist, so kann von der höchsten Aufsichtsbehörde des Bundesstaats, dem dieser Verlobte angehört, oder im Fall er keinem Bundesstaat angehört, vom Reichskanzler ein Standesbeamter besonders beauftragt werden. Verlobte, von denen keiner Deutscher ist und keiner im Inland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, können im Inland eine Ehe nicht schließen. Damit die Ehe nicht nichtig sei, müssen aber die beiden Verlobten gleichzeitig und persönlich vor einem zur Empfangnahme ihrer Erklärung bereiten Standesbeamten erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. Andre Formmängel hindern die Ehe nicht. Alle Mängel der Form aber heilen mit rückwirkender Kraft, wenn die Ehe in das Heiratsregister eingetragen ward, die Verlobten seit der Eheschließung entweder zehn Jahr oder bis zum Tode des einen mindestens drei Jahre als Ehegatten miteinander lebten und bei Ablauf der zehn Jahre oder beim Tode des einen Ehegatten nicht etwa die Nichtigkeitsklage erhoben ist. Das alte Sonderrecht von Personen, die aus landesherrlicher oder nach 1815 noch landesherrlich gewesener deutscher Familie stammen, ihre Ehen durch einen Stellvertreter (per procurationem) einzugehen, gilt nur noch, sofern dies zu Neujahr 1900 durch besondere Vorschrift ihrer Hausverfassung oder der Gesetze ihres Landes bestimmt war.
Damit eine Ehe nicht auf die vom Staatsanwalt oder einem Beteiligten erhobene Nichtigkeitsklage für nichtig erklärt werde, darf keiner der nachgenannten Nichtigkeitsgründe (impedimenta dirimentia) vorliegen: 1) Keiner der beiden Ehegatten darf zur Zeit der Eheschließung, oder als er etwa die Ehe bestätigte, geschäftsunfähig (s. Geschäftsfähigkeit), bewußtlos oder geistesgestört gewesen sein. 2) Keiner der beiden Ehegatten darf zur Zeit der Eheschließung mit einem Dritten in einer gültigen Ehe gelebt haben. 3) Die beiden Ehegatten dürfen weder ehelich noch unehelich zueinander Vorfahr, im Verhältnis von Abkömmling oder Geschwister stehen, noch auch miteinander in gerader Linie verschwägert sein (Affinität). 4) Kein Gatte darf laut Urteils wegen Ehebruchs mit dem andern geschieden sein, es müßte denn später die zuständige Stelle ihm hiervon Befreiung bewilligt haben.
Ferner kann der eine Gatte oder sein gesetzlicher Stellvertreter (s. d.) binnen einer je nach besonderer Vorschrift beginnenden Frist von sechs Monaten die Ehe als nichtig anfechten: 1) wenn der andre Eheteil geschäftsunfähig war und ohne Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters die Ehe schloß oder bestätigte; 2) wenn er bei der Eheschließung nicht wußte, daß es um eine solche sich handle, oder den Willen, die Ehe einzugehen, gar nicht erklären wollte; 3) wenn er bei der Eheschließung in der Person des andern Ehegatten oder über solche persönliche Eigenschaften desselben sich irrte, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Wesens einer Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten haben würden; 4) wenn er vom andern Ehegatten oder, wie diesem bei der Eheschließung bekannt, von sonst jemand zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände, zu denen aber die Vermögensverhältnisse nicht gehören, bestimmt wurde, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Wesens einer Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten haben würden; 5) wenn er zur Eingehung[405] der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt wurde.
Der Standesbeamte darf selbstverständlich eine Ehe nicht schließen lassen, wenn sie nichtig sein würde, außerdem aber hat er noch Nachstehendes zu beachten: 1) Der Bräutigam muß volljährig (24 Jahre alt) oder für volljährig erklärt, die Braut 16 Jahre alt oder mit Altersbefreiung seitens der zuständigen Stelle versehen sein. 2) Wenn der Bräutigam oder die Braut nicht 21 Jahre alt ist, muß der eheliche Vater oder der Wahlvater und sonst die Mutter oder Wahlmutter in die Ehe eingewilligt haben. 3) Wenn Bräutigam oder Braut in einer nichtigen Ehe leben, so muß diese erst rechtskräftig für nichtig erklärt sein. 4) Weder Bräutigam noch Braut dürfen mit Vorfahren oder Nachkömmlingen des andern Geschlechtsgemeinschaft gepflogen haben. 5) Die Wahleltern dürfen, solange sie es sind, weder mit dem Wahlkinde noch mit einem von dessen Abkömmlingen eine Ehe eingehen. 6) Eine frühere Ehe der Braut muß, wenn sie nicht inzwischen gebar, vor mindestens zehn Monaten aufgelöst oder für nichtig erklärt sein. 7) Wenn der Bräutigam oder die Braut kraft ehelichen Güterrechts Vermögen eines minderjährigen oder entmündigten Kindes unter sich hat, so muß vorher mit diesem eine Auseinandersetzung stattfinden und hierüber ein Zeugnis des Vormundschaftsgerichts ausgestellt werden. 8) Das Verfahren des Aufgebots (s. d.) muß erledigt sein. 9) Wenn einer der Verlobten Militär, bundesstaatlicher Beamter oder Ausländer ist, so hat er Genehmigung oder das vorgeschriebene amtliche Zeugnis beizubringen.
Die Frau erhält den Familiennamen des Mannes, erwirbt die Staatsangehörigkeit desselben und teilt seinen Wohnsitz, falls derselbe im Inland liegt. Jeder Gatte ist dem andern zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet, sofern er nicht berechtigt ist, auf Scheidung (s. unten) zu klagen; und nur insoweit, als nicht ein Verlangen als Mißbrauch des Rechts sie darstellt. In allen bezüglichen Angelegenheiten geht innerhalb der aus vorstehendem sich ergebenden Grenzen der Wille des Mannes vor; nur ist die Frau berechtigt, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten und in den daraus sich ergebenden Geschäften den Mann zu vertreten. Hierzu ist die Frau aber auch verpflichtet, und dieselbe ist auch zu einer Tätigkeit im Hauswesen sowie im Geschäfte des Mannes verpflichtet, wie sie nach den Verhältnissen üblich ist, in denen die Gatten leben. Es kann jedoch die Vertretungsbefugnis der Frau vom Manne beschränkt oder ausgeschlossen und ebenso eine von ihr eingegangene Verpflichtung auf persönliche Leistungen gekündigt werden; in einer wie der andern Beziehung steht indes auf Anrufen der Frau dem Vormundschaftsgericht die Entscheidung zu. (Vgl. auch Schlüsselrecht.) Der Mann hat der Frau nach Maßgabe seiner Lebensstellung, seines Vermögens und seiner Erwerbsfähigkeit Unterhalt in der durch die eheliche Lebensgemeinschaft gebotenen Weise zu gewähren; ist er aber außer stande, auch nur sich selbst zu unterhalten, so hat die Frau ihm den seiner Lebensstellung entsprechenden Unterhalt solcher Art nach Maßgabe ihres Vermögens und ihrer Erwerbsfähigkeit zu gewähren. In Strafsachen gegen eine Ehefrau kann der Ehemann als ihr Beistand auftreten, für sie Rechtsmittel einlegen und, falls sie beleidigt wird, Beleidigungsklage stellen. Dagegen kann der Ehemann in Sachen seiner Frau nicht Richter sein. Ein Ehegatte kann im Prozesse sein Zeugnis verweigern über Fragen, deren Beantwortung dem andern Ehegatten einen vermögensrechtlichen Schaden verursachen, ihm zur Unehre gereichen oder strafrechtliche Verfolgung zuziehen können. Läßt er sich dabei gleichwohl als Zeuge vernehmen, so ist er zunächst unbedingt zu vernehmen. Rechtshandlungen des Gemeinschuldners mit seinem Ehegatten vor Eröffnung des Konkurses unterliegen der Anfechtung (s. d.). Leben die Gatten getrennt, so ist, solange einer von ihnen die Herstellung des ehelichen Lebens verw eigern darf und verweigert, der Unterhalt oder ein Beitrag hierzu durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren; dazu muß, soweit nötig und tunlich, aus dem gemeinschaftlichen Haushalt hergegeben werden, was zur Führung eines abgesonderten Haushalts erforderlich ist. Über das ihr Vermögen und ihre Kinder betreffende Verhältnis der Eheleute s. Ehegüterrecht und Elterliche Gewalt.
Ein Gatte kann von den Gerichten Scheidung der Ehe erwirken, wenn der andre in Geisteskrankheit verfallen ist, die Krankheit während der Ehe mindestens drei Jahre gedauert und einen solchen Grad erreicht hat, daß die geistige Gemeinschaft zwischen den Gatten aufgehoben, auch jede Aussicht auf Wiederherstellung dieser Gemeinschaft ausgeschlossen ist. Nicht nur Scheidung der Ehe, sondern auch, daß der andre für den schuldigen Teil erklärt wird, kann gleichermaßen, jedoch nur, falls er binnen einer sechsmonatigen Frist klagt und auch nicht etwa verzieh, ein Gatte erwirken: 1) wenn ohne seine Zustimmung oder Teilnahme der andre des Ehebruches, der Sodomiterei (s. d.) oder der Eingehung einer neuen Ehe sich schuldig machte, 2) wenn der andre ihm nach dem Leben trachtet oder ihn böslich verließ (Desertion), 3) wenn der andre durch schwere Verletzung der durch die Ehe begründeten Pflichten, z. B. durch grobe Mißhandlung oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten, eine so tiefe Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses verschuldet hat, daß ihm, dem Klagenden, die Fortsetzung der Ehe nicht zugemutet werden kann.
Statt Scheidung kann auch nur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft beantragt werden (früher: separatio a mensa et toro); auf Scheidung ist aber später doch noch zu erkennen, wenn ein Teil es verlangt und nicht etwa nach Erlaß des Urteils die eheliche Gemeinschaft wiederhergestellt wurde. Wer für den allem schuldigen Teil erklärt ist, und wer sich wegen Geisteskrankheit des andern scheiden ließ, hat dem andern bis zu dessen etwaiger Wiederverheiratung, soweit nötig und soweit er hierzu in der Lage, standesmäßigen Unterhalt oder einen Beitrag dazu durch Geldrente, unter besondern Umständen durch Kapitalzahlung oder auch mit Sicherheitsleistung zu gewähren; der Erbe des Verpflichteten kann die Geldrente nach bestimmten Grundsätzen ermäßigen (vgl. auch Ehescheidungsstrafen). Die geschiedene Frau kann den Namen ihres geschiedenen Mannes, den ihres frühern Ehemannes, falls sie zum zweiten Male verheiratet ist, oder endlich ihren Mädchennamen führen. Wurde sie aber allein für schuldig erklärt, so kann ihr der geschiedene Mann die Führung seines Namens untersagen, ebensowenig darf sie in einem solchen Falle den Namen eines frühern Mannes wieder annehmen. Über die Wirksamkeit einer Ehescheidung oder Trennung für die Kinder s. Elterliche Gewalt und Kinder.
Wenn es sich zwischen den Beteiligten um Bestand oder Nichtbestand einer Ehe, Herstellung ehelichen[406] Lebens, Scheidung oder Nichtigkeit einer Ehe handelt (Ehesachen), so ist insbes. folgendes zu beachten: 1) Für die örtliche Zuständigkeit der Gerichte (der Landgerichte in erster Instanz) ist nicht die Person der beklagten Partei, sondern die des Mannes entscheidend; hat dieser im Inland einen allgemeinen Gerichtsstand (s. d.), so gibt dieser die Zuständigkeit. Dieselbe ist stets eine ausschließliche, d.h. nur hier kann die Klage angebracht werden. 2) Auch ein in der Geschäftsfähigkeit beschränkter Gatte ist in solchen Fällen prozeßfähig, und stets ist der Staatsanwalt zur Mitwirkung befugt. 3) Regelmäßig muß das Verfahren mit einem Sühneversuche beginnen, an dem die Streitsteile persönlich teilnehmen müssen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann jedoch ein Sühneversuch und persönliches Erscheinen der Parteien unterbleiben. 4) Zwecks Aufrechterhaltung einer Ehe sowie zwecks Feststellung von Bestand oder Nichtbestand, Gültigkeit oder Nichtigkeit einer Ehe kann der Staatsanwalt neue Tatsachen und Beweismittel vorbringen und das Gericht nicht vorgebrachte Tatsachen berücksichtigen und von Amts wegen Beweise aufnehmen. 5) Das Anerkenntnis (s. d.) der Parteien hat im Eheprozeß nicht die ihm sonst zukommende Wirkung. Wegen mangelnder Erklärung gelten weder Behauptungen für zugestanden noch Urkunden für echt. Eide können weder zugeschoben noch erlassen werden. Ausnahmen sind nur dann möglich, wenn es sich um Gründe der Ausschließung von Scheidung, Trennung oder Anfechtung handelt. Außerdem kann in einem Rechtsstreit über Scheidung oder Nichtigkeit das Gericht auf Antrag eines der Gatten für die Dauer des Rechtsstreites das Getrenntleben der Gatten gestatten, deren gegenseitige Unterhaltspflicht ordnen, wegen der Sorge für die Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder, soweit es sich nicht um die gesetzliche Vertretung handelt, insbes. auch hinsichtlich des Unterhalts derselben, Anordnungen treffen. Vgl. Jacobi, Das persönliche E. des Bürgerlichen Gesetzbuches (2. Aufl., Berl. 1899); Rocholl, Das E. des Bürgerlichen Gesetzbuches (das. 1900); Hallbauer und Mannsfeld, Das neue E. (Leipz. 1900); Davidson, Das Recht der Ehescheidung (Berl. 1900); Wieruszowski, Handbuch des Eherechts (Düsseld. 19001903, 2 Bde.).
Buchempfehlung
Das 1663 erschienene Scherzspiel schildert verwickelte Liebeshändel und Verwechselungen voller Prahlerei und Feigheit um den Helden Don Horribilicribrifax von Donnerkeil auf Wüsthausen. Schließlich finden sich die Paare doch und Diener Florian freut sich: »Hochzeiten über Hochzeiten! Was werde ich Marcepan bekommen!«
74 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro