Fichtelgebirge

[542] Fichtelgebirge (lat. Mons pinĭfer, im Volksmund Fichtelberg), Gebirge in Mitteldeutschland, nach seiner einst dichten Fichtenbewaldung benannt, war schon den ältern Geographen merkwürdig als Hauptwasserscheide Deutschlands. Nach vier Weltgegenden, drei großen Strömen und zwei Meeren entsendet das F. seine Gewässer. Vom Umfang eines einzigen Bergstockes, des Schneeberges, fließt südlich die Nab durch die Donau ins Schwarze Meer, westwärts der Weiße Main durch den Rhein zur Nordseee, ostwärts die Eger durch die Elbe ebendahin, während die Quelle der Thüringischen Saale nur 7 km weiter nördlich entspringt. Ebenso wichtig ist das F. durch seine Stellung zwischen dem Böhmerwald im SO., dem Franken- und Thüringer Wald im NW., dem Erzgebirge im NO. und dem Deutschen Jura im SW. Das F. im engern Sinne hat die Gestalt eines Vierecks und liegt zwischen Waldeck bei Kemnath im S., Berneck im W., Rehau im N. und Eger im O. In dieser Ausdehnung mißt das Gebirge von SW. nach NO. und von SO. nach NW. 38 km; die Grundfläche beträgt gegen 990 qkm (18 QM.). Nach SW. ist die Begrenzung scharf, dort fällt das Gebirge rasch zu saftigen Wiesengründen ab, die von Berneck bis Kemnath den Gebirgsfuß vom Hügelland im S. trennen, jenseit dessen sich das fränkische Juraplateau erhebt. Im SO. bildet die Nab- Wondreb-Ebene (zwischen Tirschenreuth und Mitterteich), durch welche die Wondreb nach N. zur Eger, die Waldnab in entgegengesetzter Richtung abfließt, die Grenze gegen den nördlichen Teil des Böhmerwaldes, den sogen. Oberpfälzer Wald. Der Fuß des Gebirges wechselt zwischen 342 und 553 m. Das Ölsnitztal, streckenweise auch das Saaltal verlaufen längs einer merkwürdigen Naturgrenze, die das eigentliche F. von dem nordwestlichen niedrigen Münchberger Gneisplateau trennt. Dieses, oft noch zum F. gerechnet, aber äußerlich mehr mit dem Frankenwald zusammenhängend, ist ein wellenförmiges Hochland von nur 550 m mittlerer Höhe und mit wenigen Kuppen nahe an 700 m (Haidberg bei Zell 693, Weißenstein bei Stambach 668 m). Wie einst die Leipzig-Nürnberger Straße über diese kalte Hochebene führte, so führt jetzt eine Eisenbahn aus dem Saaltal von Hof nach Neuenmarkt ins Maingebiet. Auf dieser Eisenbahnlinie, von Schwarzenbach bis Markt-Schorgast, erblickt der Reisende zu seiner Linken, im SO., eine hohe, waldige Gebirgskette mit einzelnen höhern Bergen; es sind die Höhen des Großen (825 m) und Kleinen Kornbergs, dann der Zug des Epprechtsteins (799 m), des Kleinen und des in seiner höchsten Klippe 880 m erreichenden Großen Waldsteins. Der lange Rücken der Hohen Heide, die das Südwestende des Zuges bildet, legt sich vor die höchsten Höhen des Gebirges, den Schneeberg im N. (1051 m) und den Ochsenkopf (1023 m) im S., und setzt sie in Verbindung mit jener von NO. nach SW. streichenden Gebirgskette des Waldsteins. Letztere bildet die Nordwestseite eines Gebirgsvierecks, welches das Quellgebiet der Eger im Innern umschließt. Schneeberg und Ochsenkopf gehören der Südwestbegrenzung dieses innern Kessels an; die tiefe Schlucht der Seelohe, die beide Hochgipfel voneinander scheidet, enthält den Fichtelsee (779 m), ein Torfmoor, aus dem Main und Fichtelnab Wasser empfangen. An der südwestlichen Innenseite jenes Kessels setzt sich der Zug des Schneebergs in einer Reihe steil ins Nabtal abfallender granitischer, auf ihren Höhen klippen- und trümmerreicher Waldberge, des Nußhardt oder Nossert (972 m), der Farnleite (970 m), der Platte (883 m) und der Hohen Malzen (813 m), fort; durch einen flachen Bergsattel mit der Hohen Malzen verbunden, springt die Kössein (938 m) in das Innere vor, die mit der Luchs-o der Luisenburg (789 m) zu Alexandersbad bei Wunsiedel abfällt, während der Rudolfstein (866 m) im N. als kurzer Vorsprung gegen Weißenstadt abstürzt. Nach außen aber, vom Ochsenkopfgipfel westwärts, stufen sich die Waldhöhen rasch zum Fuß ab. An der Ostseite[542] der Schlucht, durch welche die Fichtelnab aus dem Gebirge tritt, erhebt sich als südlicher Eckpfeiler der Steinwald, der im Katzentrögel noch bis zu 940 m ansteigt. Die Fortsetzung als Südostrand bilden die Höhenzüge des Reichsforstes und Kohlwaldes (nur gegen 650 m hoch). Mit dem Liebensteiner Wald zum Egerland abfallend, folgt nördlich von dem felsigen Egerdurchbruch bei Hohenberg der Hengstberg (646 m), das Südostende des Selber Waldes, der nach NO. hin den Schluß des innern Kessellandes vollendet, dessen höchste Höhe 684 m erreicht, während sein mittleres Niveau fast 600 m beträgt (Weißenstadt liegt 630 m, Wunsiedel 535 m hoch).

Geologisches. Das F. besteht, abgesehen von den ihm am Westrand angelagerten Triasgebilden, vorzugsweise aus Urgebirgsgesteinen, Gneis, Glimmerschiefer und Phyllit, und aus eingelagertem Granit, der, weil er bei Gefrees die anstoßenden kambrischen und silurischen Schichten z. T. in Hornfels und Chiastolithschiefer umgewandelt hat, jünger als diese ist. Der Granit tritt in zwei Gebieten auf: das eine, im Anschluß an den Granit des Oberpfälzer Waldes, umfaßt den Steinwald und Reichsforst und ist vielfach von Basalt durchbrochen; das andre erstreckt sich von Selb bis zur Eger und nach Weißenstadt und umfaßt auch den südwestlichen Gebirgszug vom Schneeberg bis zur Kössein. Der Granit des Waldsteins, ausgezeichnet durch seine großplattige Absonderung, wird (bei Epprechtstein u. a. O.) ebenso wie der Granit von Gefrees vielfach zu Monumentalbauten gewonnen und in Weißenstadt und Schwarzenbach verschlissen. Der Gneis, das Fundament aller andern am Gebirgsbau beteiligten Gesteine, tritt zwischen Bramberg und Selb unter dem Granit hervor und füllt das Becken von Wunsiedel bis Weißenstadt aus. Auch an der Nordseite bei Münchberg liegt ein ausgedehntes Gebiet von Glimmer- und Hornblendegneis, begleitet von Eklogit, das sich westlich bis zur Steinach und nordöstlich beinahe bis Hof hinzieht. Der Glimmerschiefer herrscht zwischen Asch und Weißenstadt, der Chlorit- und Talkschiefer, begleitet von Serpent in, in einem schmalen Streifen zwischen Goldkronach und Schwarzenbach; der Phyllit, das jüngste Glied der Urgebirgsgesteine, mit Einlagerungen von körnigem Kalk (besonders bei Wunsiedel), Dolomit, Speckstein (Göpfersgrün) sowie Graphit- und Hornblendeschiefer, auch Serpentin, hat eine beträchtliche Ausdehnung, sowohl im Südosten an der Wondreb und bei Eger, hier teilweise von Tertiärschichten (Oligocän) und Quartär bedeckt, als nordöstlich von Asch, von wo er nach dem Erzgebirge hinzieht, und besonders in dem innern Becken bei Wunsiedel, von wo er sich durch die Lücke zwischen Steinwald und Kössein zur Fichtelnab und in nordwestlicher Richtung bis zum Ochsenkopf und Berneck hin erstreckt. Kambrische Tonschiefer (z. T. mit Phykoden) und Quarzite, silurische Kieselschiefer, Dach- und Griffelschiefer und devonische Nereitenschichten und Grauwacken sind besonders in einem langen Zuge zwischen Goldkronach, Berneck und Rehau bekannt; ihnen gehören als Einlagerungen diabasartige Eruptivgesteine an. Letztere finden sich aber auch, ebenso wie Porphyr (am Kornberg), gangartig im Granit (so am Ochsenkopf). Karbon und Rotliegendes in schmaler Zone begleitet das F. im W., Basaltdurchbrüche gibt es zahlreich in dem südöstlichen Teil, Tertiärschichten (Oligocän) finden sich zu beiden Seiten der Eger bei Eger, in einem Becken bei Redwitz, am Rande der Nab-Wondreb-Ebene etc. Von nutzbaren Mineralien sind erwähnenswert Brauneisenstein in Begleitung des körnigen Kalkes (bei Arzberg, Redwitz, Pullenreut etc.), ferner Antimonerze und Gold in den paläozoischen Schiefern bei Goldkronach (früher bergmännisch gewonnen), Steinkohlen bei Erbendorf, Braunkohlen im Tertiär bei Eger und Redwitz. Torf gibt es in großen Lagern, namentlich in den Forstämtern Marktleuthen und Wunsiedel. Unter den Mineralquellen sind die Eisensäuerlinge zu Alexandersbad am bekanntesten.

Klima, Pflanzenwelt. Die hohe Lage des Fichtelgebirges bringt ein rauhes Gebirgsklima mit sich; in den höhern Teilen stellen sich schon Ende August die ersten Reise ein, und oft fällt schon Ende September Schnee. Selten schmilzt dieser vor Anfang Mai von den Feldern weg, und im Wald und zwischen den Felsklippen halten sich Schneewehen wohl bis Ende Juni. Noch um Johannis stellen sich zuweilen Nachtfröste ein; nur August und September bringen schöne, warme Tage. Bei dem Reichtum des Gebirges an Wald und Sümpfen steigen häufige Nebel auf. Im F. sind die Nadelhölzer die vorherrschende Holzart, während die Laubhölzer mehr verteilt auftreten. Auf der Zentralkette nimmt die Fichte die höhern Lagen fast ganz ein, in den niedern Regionen wird sie mehr von der Kiefer verdrängt, die selten über die Höhe von 650 m emporsteigt. Zu diesen beiden gesellt sich die Tanne, die bis zu einer Höhe von 800 m noch in einzelnen schönen Beständen, besonders im nordwestlichen Teil des Gebirges, auftritt. Die Lärche ist nicht ursprünglich einheimisch und gedeiht nur als untergeordneter Waldbaum an einzelnen Punkten. Die Eiche und die Buche finden sich ebenfalls nur vereinzelt, letztere tritt nur selten in reinen, geschlossenen Beständen auf. Für den Holzwuchs sind im allgemeinen die nördlichen Lagen die günstigsten, während auf den südlichen und westlichen Abhängen in der Regel die schlechtesten Bestände vorkommen.

Gegenwärtig ist die ganze Bevölkerung des Fichtelgebirges germanisiert; zahlreiche Orts-, Fluß-, Flur- und Bergnamen beweisen aber die frühere weite Verbreitung wendischer Stämme und Sprache im F. (Redwitz, Ölsnitz, Lamitz, Selbitz u. a.). Der pol itischen Einteilung nach gehört der größte Teil zum bayrischen Regierungsbezirk Oberfranken, ein kleinerer zum Regierungsbezirk Oberpfalz, der äußerste Osten zu Böhmen. Die Bevölkerung ist dicht. Wenn auch vielfach eine rege industrielle Tätigkeit herrscht, Spinnerei und Weberei, Verarbeitung des Eisens, auch Knopf- und Glasfabrikation, Spiegelglasschleiferei, so ist das F. doch nicht in dem Maß Fabrikland wie das benachbarte Erzgebirge. Viele Menschen ernährt die Arbeit im Walde (Holzhauen, Kohlenbrennen), die Ausbeutung der Marmor- und Kalklager, im Granitgebiet der Kaolingruben und die Bearbeitung des Granits (Weißenstadt) sowie des Serpentins (Markt Leugast). Der Berg- und Hüttenbau beschränkt sich fast ganz auf Eisen. Von Interesse ist die Verbreitung der deutschen Perlenmuschel im Quellgebiet des Weißen Mains, besonders in der Ölsnitz und in mehreren Seitenbächen der Saale, so in der Schwesnitz östlich von Rehau, Lamitz etc. Rings um das Gebirge herum führen Eisenbahnen; doch überschreiten es auch zwei Linien (Nürnberg-Eger und Regensburg-Oberkotzau), die sich fast im Zentrum des Gebirges bei Redwitz kreuzen, während mehrere Zweigbahnen andre Teile des Gebirges mit jenen Hauptlinien verbinden. Dieser Umstand trägt wesentlich dazu bei, daß das F. seit neuerer Zeit[543] einen regen Touristenverkehr aufweist, obgleich wegen der Armut an eigentlichen »Partien« der Verkehr hinter dem vieler andrer deutscher Gebirge zurückbleibt. Vgl. »Bavaria«, Bd. 3, 1. Abt. (Münch. 1865); Gümbel, Geognostische Beschreibung des Fichtelgebirges und Frankenwaldes (mit Atlas, Gotha 1879); Zapf, Der Sagenkreis des Fichtelgebirges (Hof 1874); Derselbe, Fichtelgebirgsalbum (das. 1894); Gradl, Die Ortsnamen am F. (Eger 1892–93,2 Hefte); A. Schmidt, Führer durch das F. (2. Aufl., Wunsiedel 1899); Derselbe, Die Mineralien des Fichtelgebirges (Bayr. 1903); G. Schmidt, Aus dem F., Sagen und Sitten (Hof 1897, Bd. 1); Nüchter, Das F. in seiner Bedeutung für den mitteleuropäischen Verkehr (in den Mitteilungen des Vereins für Erdkunde in Leipzig, 1889); Spezialkarte vom topographischen Bureau des bayrischen Generalstabs nach Angabe des Fichtelgebirgsvereins, 1: 50,000 (Wunsiedel).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 542-544.
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