Handelsschulen

[740] Handelsschulen, eigne Lehranstalten für das Bildungsbedürfnis des Handelsstandes, erscheinen in der europäischen Kulturwelt zuerst um 1700. Der Franzose Jacques SavaryLe parfait négociant«, 1685) und nach seinem Vorgang der kursächsische Hofrat J. P. Marperger in Dresden (seit 1715) suchten die Kaufmannschaft in formam artis und unter gewisse, methodice vorzutragende Praecepta zu bringen; andre folgten. An mehreren Hochschulen (Göttingen, Wien, Leipzig und Braunschweig) begann man in Deutschland die Handelswissenschaften zu berücksichtigen, während bescheidenern Ansprüchen die im 18. Jahrh. neu entstehenden Realschulen entgegenkamen. Auch besondere H. und sogen. Handelsakademien entstanden und vergingen, so die Handlungsschule von J. P. Guerlange in Hanau (1764), die Académie cambiste des Mr. de la Cornière in Paris (1767), für Deutschland besonders wichtig die Handlungsakademie von J. G. Büsch (1728–1800, s. d.) in Hamburg, selbst schon öffentliche Institute dieser Art, wie die Handelsakademien in Wien (1770[740] bis 1804) und in Moskau (1783, seit 1798 in Petersburg). Dauerndern, wenngleich keineswegs durchgreifenden Erfolg hatten einstweilen die abendlichen Fortbildungsschulen für Handelslehrlinge und -Gehilfen, die sich seit 1797 von Breslau und mehr noch auf E. W. Arnoldis (s. d.) Antrieb seit 1818 von Gotha aus in Deutschland verbreiteten. Bis 1895 entstanden in Deutschland 281 eigentliche derartige Fortbildungsschulen, davon die relativ meisten bei guter, staatlicher Organisation und Aussicht (42) im Königreich Sachsen. Die mittlere Stufe vertraten 1895 im ganzen 42 deutsche H. Einen Ansatz zur Handelshochschule zeigte fast nur Dresden mit seinem »Höhern Fachkurs für Kaufleute«, während die Leipziger öffentliche Handelslehranstalt (gegründet von A. Schiebe 1831) drei Stufen, Lehrlingsabteilung, Mittelschule und fachwissenschaftliche Sektion, in sich vereinigte. Ähnlich, allmählich fortschreitend, aber im ganzen regellos hatte sich das Handelsschulwesen im Ausland, besonders in Großbritannien, Nordamerika, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, entwickelt. Den weitesten Ruf genoß die 1820 von einem kaufmännischen Verein begründete École spéciale de commerce in Paris, 1869 von der Chambre de commerce übernommen und als École supérieure de commerce weitergeführt. Auch sie umfaßt, aus einer Section élementaire und drei aufsteigenden Comptoirs bestehend, alle drei Stufen der kaufmännischen Berufsbildung. Der gewaltige Aufschwung des Welthandels seit etwa 1870 spannte auch das Bildungsbedürfnis im Handelsstande der führenden Nationen höher. Besonders lebhaft gingen die Handelskammern in Frankreich vor; in Bordeaux (1886) und Paris (1889) wurden auch die beiden ersten internationalen Kongresse für Handelsschulwesen gehalten, denen später die zu London (1897), Antwerpen (1898), Venedig (1899) und Paris (1900) folgten. Inzwischen war auch Deutschland in die Bewegung eingetreten. Angeregt besonders durch die Handelskammern in Dresden, Leipzig und Braunschweig, konstituierte sich 1895 der Deutsche Verband für das kaufmännische Unterrichtswesen, der seither alle zwei Jahre (Leipzig, Hannover etc.) deutsche Kongresse veranstaltet und durch rege literarische Tätigkeit Vor- und Fortbildung des kaufmännischen Nachwuchses zu fördern sucht. Ihm steht ein besonderer Verband der Direktoren und Lehrer kaufmännischer Unterrichtsanstalten mitwirkend und beratend zur Seite. Beider Tätigkeit erstreckt sich auf alle drei Stufen des Handelsschulwesens. Die Zahl der kaufmännischen Fortbildungsschulen hat sich infolgedessen wesentlich gehoben, u. deren Organisation, Lehrpläne etc., so sehr Mannigfaltigkeit je nach örtlichem Bedürfnis in ihnen berechtigt ist, zeigt doch bereits in den Grundzügen weit mehr Einheit, im wirklichen Betriebe durchschnittlich mehr Ernst und Nachdruck. Immer entschiedener tritt dabei der Wunsch obligatorischer Einrichtung und staatlicher Aufsicht sowie die Verlegung des Unterrichts von den ungünstigen Abendstunden auf geeignetere Tageszeit hervor, den sich auch der große Verband deutscher Handlungsgehilfen aneignete. Die Handhabe zur Einführung der Schulpflicht bietet § 120 der Reichsgewerbeordnung, der den einzelnen Gemeinden das Recht gibt, durch Ortsstatut Besuchszwang der Fortbildungsschulen bis zum 18. Lebensjahre vorzuschreiben. In dieser Hinsicht sind bereits namhafte Erfolge zu verzeichnen. Im Herzogtum Braunschweig ist eine treffliche, auf Schutzwang und Gemeindepflicht begründete Organisation landesgesetzlich getroffen (15 Schulen). Die meisten neuen Schulen dieser Art haben von vornherein das Zwangsprinzip angenommen. Viele Städte sind dazu übergegangen oder stehen im Begriff, es zu tun. Von etwa 350 kaufmännischen Fortbildungsschulen hatten Ende 1903 den Schulzwang gegen 150. Immer mehr erweist es den höhern Ansprüchen und zumal dem Tagesunterricht gegenüber sich als nötig, auch für diese Stufe mindestens einen Stamm von Lehrern im Hauptamt anzustellen. Für deren Heran- wie zur Fortbildung auch für nebenamtliche Lehrer durch geeignete Studiengänge wie durch Ferien- und Nachhilfekurse zu sorgen, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Handelshochschulen (s. unten).

Die Mittelstufe der H. bilden höhere H., Handelsrealschulen und Fachkurse für solche, die der Fortbildungsschule schon entwachsen sind. Aus der großen, in bunt bewegter Mannigfaltigkeit sich entwickelnden Fülle seien als Typen folgende hervorgehoben. Die mittlere Handelsschule (Handelsrealschule) pflegt zugleich allgemeine (Realschul-)Bildung und elementare Berufsbildung; sie schließt mit Erwerb des Rechtes zum einjährig-freiwilligen Heerdienste. Dieses Recht setzt voraus die höhere Handelsschule, die dann das Werk der Realschule mit besonderer Rücksicht auf den kaufmännischen Beruf noch ein, zwei oder drei Jahre fortführt. Auch H. für Frauen und Mädchen, einjährige und dreijährige, gibt es, wenngleich nur in geringer Zahl. Endlich haben manche, besonders größere Städte, wie Leipzig, Frankfurt a. M., Hannover, Koblenz etc., eigne Kombinationen verschiedener Arten von H. geschaffen. Eigentliche Handelshochschulen gab es bis zum Ausgange des 19. Jahrh. in Deutschland nicht. Im Anfange der 1890er Jahre erhob sich in den beteiligten Kreisen der preußischen Rheinprovinz eine eifrige Agitation für Ausfüllung dieser Lücke. Man vermißte gegenüber den steigenden Erfolgen des deutschen Handels Zentralstellen für Sammlung und Bearbeitung alles dessen, was für den Welthandel theoretisch und praktisch bedeutend ist, ähnlich den Universitäten und den technischen Hochschulen auf ihren Gebieten. Diese Anstalten sollten sich zugleich als praktische Aufgaben stellen: wissenschaftliche Ausbildung leitender Kräfte im Handelsstande, besonders von Pionieren des Ausfuhrhandels, von Fachlehrern für mittlere H., von handelskundig geschulten Beamten und Beratern für Reich und Staat, Gemeinden, Handelskammern, von konsularischen Vertretern im Ausland etc. Die preußische Regierung kam entgegen durch Angliederung eines handelswissenschaftlichen Kursus an die Technische Hochschule zu Aachen (1898), der es aber zu irgend nennenswerter Blüte nicht hat bringen können. Inzwischen war von der Leipziger Handelskammer mit staatlicher Beihilfe die öffentliche Handelshochschule in Leipzig (1898) ins Leben gerufen, die in loser Anlehnung an die Universität doch selbständig neben dieser steht und mit einem Seminar für Handelsschullehrer verbunden ist. Während Aachen nicht über 14 Studenten hinausgekommen ist und mit sonstigen Hörern zusammen 1903 nur 17 Teilnehmer zählte, stieg die Zahl der Studenten in Leipzig von anfangs 97 im Jahr 1901 bereits über 300 und hat trotz des Zutrittes zweier neuer gleichartiger Anstalten noch weiter zugenommen bis 450 (mit Hospitanten 486) im Winter 1903/4. Diese beiden neuesten Anstalten (1903) sind Köln (vgl. »Die städtische Handelshochschule in Köln«, 4. Aufl., Berl. 1903) und Frankfurt a. M. (Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften). Im Winter[741] 1903/4 hatte Köln eine Gesamtfrequenz von 1601 Hörern, darunter allerdings nur 232 ordentliche Studenten, Frankfurt eine solche von 652, darunter 133 eigentliche Studenten. Die drei bisher vorhandenen deutschen Handelshochschulen wiesen demnach 1904 bereits 815 Studenten und sogar 2739 Hörer insgesamt auf. Beschlossen ist überdies von der Berliner Kaufmannschaft eine fünfte Hochschule in der Reichshauptstadt, während gleichzeitig noch in Hamburg und Hannover ähnliche Pläne schweben und in Süddeutschland eifrig für eine in Nürnberg zu errichtende Handelshochschule geworben wird.

In Österreich (Zisleithanien) gab es 1901: 20 höhere Handelslehranstalten (meist als Handelsakademien bezeichnet, wie die in Wien, Graz, Triest, Linz, Innsbruck, die deutsche und die tschechische in Prag) mit 4574 Schülern, 47 andre kaufmännische Tagesschulen mit 6466 Schülern und 134 kaufmännische Fortbildungsschulen mit 12,962 Schülern. Auch dort ist die Zahl und der Besuch der H. seit zehn Jahren erheblich gewachsen. Für die höhern H. (Handelsakademien) wurde 1903 ein neuer, auf Grund eingezogener Gutachten entworfener Lehrplan für fünf Jahre probeweise vom Ministerium für Kultus und Unterricht eingeführt. Eigentliche Handelshochschulen bestehen bisher in Österreich nicht. Doch empfahl der Handelsschultag zu Aussig 1903 die Gründung reiner Handelshochschulen seitens des Staates und der Kaufmannschaft sowie besonders in Verbindung damit die Errichtung von Handelslehrerseminaren. Vgl. die »Denkschrift über die Entwickelung des österreichischen Handelsschulwesens« (Wien 1898) und die »Österreichische Handelsschulzeitung« (das.). – Ungarn besitzt außer der orientalischen Handelsakademie (1891) in Budapest und dem dortigen Handelslehrerseminar (1898) seit kurzem noch zwei eigentliche Handelshochschulen in Budapest (1900) und in Klausenburg (Koloszvár). Beide sind von kaufmännischen Körperschaften begründet, aber staatlich unterstützt und anerkannt. Für Kaufmannslehrlinge besteht die Pflicht des Besuches der Handlungslehrlingsschulen, wo solche vorhanden. Diese endet jedoch schon mit dem 15. Lebensjahr. In 90 Lehrlingsschulen wurden 1903 von 400 Lehrern rund 7000 Schüler unterrichtet; daneben bestanden 15 Handelskurse für Mädchen mit 700 Schülerinnen. – In der Schweiz wünschten weitere Kreise längst die Errichtung einer Handelshochschule im Anschluß an das eidgenössische Polytechnikum in Zürich, ohne jedoch diese bei der Bundesregierung durchsetzen zu können. Ebenso erhielt zwar der Plan, eine solche Anstalt in Basel zu errichten, die Mehrheit im Großen Rat, unterlag aber bei der allgemeinen Volksabstimmung (im Juli 1903). Dagegen hat bereits 1899 der Kanton St. Gallen eine Handelsakademie errichtet, die zugleich den Aufgaben einer Mittelschule und einer Hochschule dienen soll und (1904) bereits eine Frequenz von 400 Hörern, darunter 51 Studenten der Hochschulkurse, aufweist. An der staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich endlich ist seit 1903 durch Schaffung einer eignen Professur für Handelswissenschaft und Mitwirkung andrer akademischer Lehrer Gelegenheit zu planmäßigem Studium für Kaufleute von höherer Vorbildung geboten. Auch auf den andern Gebieten des kaufmännischen Bildungswesens herrscht reges Streben und besonders lebendige Vereinstätigkeit. Man zählte 1903: 76 kaufmännische Fortbildungsschulen, von denen 59 der »Schweizerische kaufmännische Verein« unterhielt. In 35 dieser Anstalten nahmen auch Schülerinnen am Unterrichte teil. – In Frankreich hat man vorzugsweise das Handelshochschulwesen in den letzten Jahrzehnten gepflegt. Zu der obenerwähnten École supérieure de commerce kam 1881 noch die École des hautes études commerciales in Paris und das Institut commercial daselbst, das besonders für den Ausfuhrhandel arbeitet und Reisestipendien verleiht. Diese Anstalten sowie eine Reihe von Hochschulen für Handelswesen in den Provinzen, bis 1903 im ganzen 15, wurden unter staatliche Aussicht genommen, mit Lehrplänen, Prüfungen und Berechtigungen ausgestattet. Aber es scheint, als habe man im Eifer etwas zu hoch gegriffen. Man klagt teilweise über Mangel an Schülern und hat sich neuerdings gedrängt gesehen, die Lehrpläne einerseits etwas hinabzudrücken, anderseits nach der praktischen Seite (Ackerbau, Weinbau, Industrie) zu erweitern, so daß der Begriff der Handelshochschule gegen den deutschen Sprachgebrauch etwas verschoben erscheint. Gleichzeitig erfreuen die niedern H. sich des besten Zuspruchs. Aber auch bei ihnen (Écoles pratiques de commerce et d'industrie) ist die Grenze gegen verwandte Bestrebungen nicht immer scharf gezogen. – In Italien gab es schon 1900 ca. 200 Handels- und Gewerbeschulen mit mehr als 30,000 Schülern; aber es ist auch dort schwer festzustellen, welcher Anteil davon auf H. im strengen Sinn entfällt. Höhere Ziele erstreben naturgemäß die H. der größern, verkehrsreichen Städte, wie Rom, Florenz, Genua, Turin, Venedig. Zur Musteranstalt scheint vom Ministerium für Ackerbau, Gewerbe und Handel die 1902 und 1903 neu organisierte mittlere Handelsschule in Rom durch ihre Ausrüstung (Handelsmuseum, chemisches Laboratorium, Übungskontore: Case commerciali fittizie) und ihr Lehrprogramm bestimmt zu sein. Für Sizilien wird in Palermo von der dortigen Handelskammer ein ähnliches Institut geplant. – In Großbritannien wird von Freunden des Handelsschulwesens vielfach über die Abgeneigtheit des Handelsstandes gegenüber den modernen Formen kaufmännischer Bildung geklagt. Doch fehlen auch hier neue Ansätze nicht. Besonders spricht sich der Wunsch aus, daß die Universitäten für nationalökonomische und handelswissenschaftliche Studien mehr Entgegenkommen zeigen sollen. Die Universität der Stadt Birmingham besitzt bereits seit mehreren Jahren eine eigne Handelsfakultät (Faculty of commerce), Manchester will diesem Vorgange folgen, und auch Cambridge scheint in dieser Hinsicht zu Neuerungen bereit zu sein. – Schwer zu beurteilen sind von außen die Verhältnisse in Rußland. Als ältere H. sind zu nennen: Kommerzschule in Petersburg (1772), Handelsakademie in Moskau (1804) sowie H. in Odessa (1862) und Warschau (1875). Besonders fällt auf, daß in Rußland angeblich die H. mittlerer Stufe eine weit größere Zahl von Schülern aufweisen als die elementaren Fortbildungsschulen. Indes wird auch von dort ein wesentlicher Aufschwung des kaufmännischen Schulwesens im letzten Jahrzehnt berichtet. Während noch 1896 die Gesamtzahl der Schüler in H. auf 2500 geschätzt wurde, sollen 1903 bereits 147 H. von 32,500 Schülern besucht sein. – Unter den kleinern europäischen Staaten ist an erster Stelle Belgien zu nennen. Dort bestanden seit 1852 eng verbunden in Antwerpen ein höheres Institut supérieur de commerce und eine mittlere École supérieure de commerce, daneben in wechselndem Bestand eine Anzahl Fortbildungskurse in verschiedenen Städten. Seit 1898 hat die Zahl[742] der höhern H. sich auf sieben, die der schulmäßig organisierten Fortbildungskurse auf 17 im ganzen Land erhoben. Die Anstalten werden von Vereinen und örtlichen Körperschaften unterhalten, beziehen aber staatliche Zuschüsse. – Auch die Niederlande haben ihren Nationalen Verein für Handelsunterricht, den der Plan einer zu errichtenden Handelshochschule beschäftigt. Einstweilen (1903) sind nach dem Muster der ältern Openbaren Handelsschool in Antwerpen die an Realschulen angegliederten Jahreskurse in Rotterdam und Groningen um ein zweites Jahr erweitert, so daß neben einer größern Anzahl von Fortbildungsschulen drei höhere (mittlere) H. bestehen. – In Dänemark, wo Kopenhagen an Universität, Technischer Hochschule, verschiedenen mittlern H. und Fortbildungsschulen mannigfache Gelegenheit der kaufmännischen Berufsbildung bietet, kam 1903 durch Verständigung der einzelnen auf diesem Gebiete tätigen Vereine eine durchgreifende Organisation der kaufmännischen Fortbildungsschulen zustande, von der man die besten Erfolge erwartet. – In Schweden und Norwegen bestanden längst angesehene H. in Gotenburg (1826), Stockholm (1865) und Christiania (Handelsgymnasium 1875). Die Bewegung für den Ausbau des Handelsschulwesens, besonders der Fortbildungsschulen, ist auch dort neuerdings in regern Fluß gekommen. – In Griechenland erging im Juli 1903 ein Gesetz über die Organisation der öffentlichen H., von dem man neuen Aufschwung erhofft. Bisher schon gab es neben Anfängen des Fortbildungsschulwesens höhere H. in Athen und Patras. – Ein Bild größter Regsamkeit und Mannigfaltigkeit bieten auch im Handelsschulwesen die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Neben zahlreichen privaten Business-Colleges und -Schools verschiedener Stufen beschäftigen sich mit kaufmännischem Unterricht auch viele öffentliche Lehranstalten allgemeiner Richtung in mehr oder weniger selbständig verfaßten besondern Sektionen; so unter andern die Universitäten von New York, Chicago, Wisconsin, Illinois, Michigan, die ihre Schools of Commerce oder Commercial Departments haben. Die National Educational Association in ihrer Sektion für Business-education sucht in dieser Mannigfaltigkeit tunlichsten Einklang zu erhalten und bestellte auf ihrer Versammlung in Detroit (1901) zu dem Zweck einen Neunerausschuß. Dem gegenüber vertritt die National Commercial Teachers Federation mehr die Interessen der Privatschulen und Lehrer. Von allen Seiten wird bezeugt, daß das Bedürfnis besserer Ausbildung des Kaufmannsstandes mit zunehmender Stärke hervortritt. Wenn noch vor wenigen Jahren gegen 350 H. mit etwa 110,000 Schülern und Schülerinnen als Total gezählt wurden, so wird diese Schätzung längst nicht mehr zutreffen. – Endlich sei Japan erwähnt, das auch auf diesem Gebiete mit Nachdruck dem europäisch-amerikanischen Vorbilde nachstrebt. Zwei Handelshochschulen in Tokio (1884; 1903 fast 1000 Studenten) und Kobe (1903) vertreten die höchste Stufe und krëieren sogar Doktoren der Handelswissenschaft. Mit der in Tokio ist ein Seminar für Handelslehrer verbunden. Außerdem bestehen (1903) 50 öffentliche und private H. mit staatlichen Zuschüssen und unter staatlicher Aussicht, besucht von 12,000 Schülern. Die parallelen Vorgänge in Europa und Amerika werden durch reisende Stipendiaten aufmerksam verfolgt.

Die Literatur über das Handelsschulwesen ist in den letzten Jahren ins Unabsehbare angeschwollen. Für die ältere Zeit vgl. Léautey, L'enseignement commercial et les écoles de commerceen France et dans le monde entier (Par. 1887); Lasche, Das kaufmännische Bildungswesen in der Schweiz (Bern 1889); Schmitt, Das kaufmännische Fortbildungsschulwesen Deutschlands (Berl. 1892); Glasser, Das kommerzielle Bildungswesen in Österreich-Ungarn (Wien 1893); Dlabač und Žolger, Das kommerzielle Bildungswesen der europäischen und außereuropäischen Staaten (bisher 1. Heft: England, das. 1902); Holzmüller, Das kaufmännische Unterrichtswesen (in Schmids »Geschichte der Erziehung«, Bd. 5, 3; Stuttg. u. Berl. 1902); Zieger, Handelsschulen (in Reins »Enzyklopädischem Handbuch der Pädagogik«, Langens. 1897). Für die neuere Entwickelung bilden die wichtigste Fundgrube (mit eingehenden literarischen Nachweisen über In- und Ausland) die vom Deutschen Verbande für das kaufmännische Unterrichtswesen herausgegebenen Schriften (bisher 30 Bde., Leipz. 1895–1904), die »Revue über das kaufmännische Bildungswesen aller Länder« (hrsg. von Stegemann, das., seit 1904) und die »Deutsche Handelsschul-Lehrerzeitung« (hrsg. von Nicklisch und Großmann, das. 1904 ff.) sowie die Jahresberichte der einzelnen größern Anstalten, bisher besonders der Leipziger Hochschule. – Wegen der behufs Einführung in die kaufmännische Praxis vielfach mit H. verbundenen Übungskontore s. d.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 740-743.
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